China:Rückfall in dunkelste Zeiten

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Trifft heute in Berlin ein: Chinas Staatspräsident Xi Jinping

(Foto: Getty Images)

Die Repression in China hat unter Staatspräsident Xi Jinping zugenommen. Die drängende Frage für die Demokratien des Westens: Wie gehen sie mit dem wirtschaftlich immer stärkeren China um? Beim Deutschlandbesuch sollte Kanzlerin Merkel eine gute Antwort finden.

Ein Kommentar von Kai Strittmatter, Peking

Man mag Xi Jinping, den Staatspräsidenten Chinas, nicht beneiden. Die Herausforderungen, vor denen sein Land steht, sind gewaltig. Ja, China hat als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt mittlerweile großen Einfluss, kein globales Problem - vom Klimawandel bis zur internationalen Finanzordnung - kann mehr ohne die Kooperation Pekings ernsthaft angegangen werden. Gleichzeitig aber wird China noch lange vorwiegend mit sich selbst beschäftigt sein. Auch deshalb tut sich der Westen schwer mit seinen Versuchen, Peking einzubinden ins internationale Gefüge, ihm mehr Verantwortung abzuverlangen. Kanzlerin Angela Merkel wird das erneut feststellen, wenn Xi an diesem Freitag in Berlin eintrifft.

Nicht vergessen darf man dabei, dass Xis wichtigste Rolle nicht die des Staatspräsidenten ist, sondern die des Chefs der Kommunistischen Partei. Wohl noch nie sah sich eine diktatorisch regierende Partei einer solchen Herausforderung aus der eigenen Gesellschaft gegenüber. China ist eben nicht Nordkorea: Die Regierung hat das Internet gefördert, weil sie darin Wirtschaftschancen, Profit witterte - und hat sich so bei aller Macht der Zensur eine Offenheit ins Land geholt, die einmalig ist für autoritäre Regime.

China ist auch deshalb nicht Nordkorea, weil die KP sich auf ihre Art um die Legitimierung ihrer Herrschaft bei den Bürgern bemüht: durch Wirtschaftswachstum, durch nationale Größe. Auch deshalb geht ihr der Entzug des Vertrauens durch diese Bürger, die wütend sind über Korruption, soziale Ungleichheit, vergiftetes Essen und vergiftete Luft, so an die Nieren.

Xi Jinping ist für die KP angetreten, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Er will China weiter modernisieren. Das Problem dabei: Es ist weiterhin nur eine halbe, oberflächliche Modernisierung. Politisch agiert Xi erstaunlich altbacken. Sein Kampf gegen die Korruption etwa ist nichts als eine Kampagne alten Stils, welche die Beamten mit Appellen und Schauprozessen einzuschüchtern sucht. Das mag kurzfristig Schreckstarre in den Reihen der KP auslösen, auf lange Sicht aber wird diese Kampagne genauso scheitern wie alle vor ihr.

Xi Jinping und mit ihm die ganze KP haben große Angst vor jenen Reformen am System, die die Ursachen des Übels tatsächlich bekämpfen würden, allen voran eine unabhängige Presse und eine unabhängige Justiz. Es ist sogar so, dass Xi all jene, die ebendies fordern - Rechtsanwälte, Bürgerrechtler, Blogger, Journalisten - mit großer Härte verfolgen lässt. Die Repression hat unter ihm zugenommen. Furcht ist für Xi ein effizientes Mittel zur Herrschaftssicherung. Der Fall der Bürgerrechtlerin Cao Shunli, die vor zwei Wochen in Haft verstarb, nachdem die Behörden ihr medizinische Behandlung verwehrt hatten, ist ein Rückfall in dunkelste Zeiten.

Auf dem Teppich kriechen

Es ist eine drängende Frage: Wie gehen die Demokratien des Westens mit dem wirtschaftlich immer stärkeren China um? Großbritanniens Premier David Cameron gab eine mögliche Antwort, als er bei seinem Pekingbesuch im Dezember fast auf dem Teppich kriechend um Pekings Wohlwollen buhlte. Man kann das natürlich machen - jede Selbstachtung aufgeben.

Aber Respekt darf man dann keinen mehr erwarten, gerade nicht von den Umworbenen. Selten las man ätzendere Kommentare in Chinas Medien als nach Camerons Kotau. Oft hört man, der Westen werde China gewiss nicht die Demokratie bringen. Als ob das ein Grund wäre, sich selbst und seine Werte zu verleugnen. Zudem sehnt sich China nach dem Respekt der Außenwelt. Die Kanzlerin und der Bundespräsident haben in Berlin die Gelegenheit, Xi daran zu erinnern, dass sein Land erst dann, wenn es die Rechte seiner eigenen Bürger achtet, den Respekt bekommt, den es als große Nation verdient.

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