Novelle des Arzneimittelgesetzes:Meldepflicht für Antibiotika in der Tiermast

Geflügelhaltung - Putenzucht

Puten in einem Stall im Emsland. Landwirte müssen nun offenlegen, welche Antibiotika sie bei der Mast einsetzen.

(Foto: picture alliance / dpa)

In der Viehhaltung kommen häufig Antibiotika zum Einsatz. Das birgt auch für den Menschen Gefahren. Der Staat hat nun mehr Transparenz verordnet: In einer Datenbank müssen Landwirte künftig offenlegen, wie sie die Mittel in der Mast einsetzen.

Von Daniela Kuhr

Wenn es um Antibiotika in der Tiermast geht, dann passiert das Seltene: Alle sind sich einig. Unisono warnen Bund und Länder, ob rot, grün oder schwarz regiert, sowie Wissenschaftler und sogar der Bauernverband, dass der massive Einsatz dieser Arzneistoffe in der Tiermast zunehmend zu einer Gefahr für den Menschen geworden ist. Und deshalb muss er reduziert werden. Nur über das Wie wurde jahrelang gestritten. Am Ende gelang es Bund und Ländern aber doch noch, sich auf eine Novelle des Arzneimittelgesetzes zu einigen. Sie tritt an diesem Dienstag in Kraft.

Die Novelle soll zunächst einmal mehr Transparenz bringen. Denn bislang wussten viele Landwirte gar nicht, ob die Antibiotika-Mengen, die sie ihren Tieren verabreichten, im Vergleich zu anderen nun eher hoch oder eher niedrig waren. Man kannte den eigenen Verbrauch, aber nicht den des Nachbarn. Auch bei den Ländern, die für die Kontrolle zuständig sind, hatte niemand den Überblick. Zwei Studien aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ergaben jedoch im Herbst 2011, dass in der Tiermast sehr viel mehr Antibiotika eingesetzt werden als bislang gedacht. Das rüttelte alle auf.

Einsatz von Antibiotika stark verbreitet

So hatte die Untersuchung aus Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass in der Hähnchenmast 96,4 Prozent der Tiere Antibiotika erhielten. Zum Teil wurden innerhalb kurzer Zeit acht verschiedene Wirkstoffe verabreicht. Eine weitere Studie aus Niedersachsen hatte zudem ergeben, dass auch bei Mastschweinen und -rindern der Einsatz von Antibiotika stark verbreitet ist. Das ist vor allem deshalb bedenklich, weil ein massiver Einsatz von Antibiotika das Entstehen resistenter Keime begünstigt - was im Endeffekt auch für den Menschen gefährlich werden kann. Denn aus den Tieren werden irgendwann Nahrungsmittel. Diese landen in der Küche, wo die Gefahr besteht, dass die Keime auf den Menschen überspringen - und Medikamente dagegen nicht mehr wirken.

Kern der neuen Vorschriften ist daher eine bundesweite Datenbank, die von den Landwirten gespeist werden muss. Jedes halbe Jahr muss jeder Betrieb genau melden, welche Antibiotika er in welcher Menge und wie lange verabreicht hat. Außerdem muss er den Tierbestand sowie jeden Zu- und Abgang melden. Zwar mussten die Landwirte all das auch schon bislang dokumentieren, allerdings nur für die eigenen Unterlagen. Kam der Kreisveterinär vorbei, mussten sie diese auf Verlangen vorlegen. Einen Überblick konnte sich so aber niemand verschaffen.

Dank der Datenbank ist künftig per Knopfdruck erkennbar, wie viele Antibiotika die Landwirte in Deutschland verabreichen. Daraus lässt sich ein Mittelwert errechnen. Liegt ein Landwirt mit seinem Verbrauch darüber, muss er gemeinsam mit seinem Tierarzt ermitteln, woran das liegt und wie er den Einsatz senken kann. All das muss er schriftlich dokumentieren und die Papiere bei einer Kontrolle seines Betriebs vorlegen. Zählt der Landwirt womöglich sogar zum oberen Viertel, muss er gemeinsam mit seinem Tierarzt einen Plan erarbeiten, wie er den Verbrauch schrittweise reduzieren wird.

Zeitplan für den Veterinär

"Gelingt ihm die Reduktion innerhalb von einem halben Jahr nicht, muss er zusätzlich dem Veterinär einen Zeitplan vorlegen", sagt Antonia Riedl, Referentin beim Deutschen Bauernverband. Dieser könne dann beispielsweise anordnen, dass der Landwirt seine Tiere impfen, die Fütterung umstellen oder seine Tierzahl reduzieren muss. "Wer auf längere Zeit zu den 25 Prozent Schlechtesten gehört, dem kann sogar für die Dauer von bis zu maximal drei Jahren die Tierhaltung gänzlich untersagt werden", warnt Riedl.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) erwartet, dass durch die neuen Vorschriften "die Therapiehäufigkeit in den Betrieben insgesamt" sinke. "Ein Zurückfahren auf Null" hält er allerdings für unrealistisch. "Denn wir können und wollen keinem kranken Tier eine angemessene Behandlung verwehren". Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) begrüßt die Novelle, hätte sich aber gewünscht, dass man sich ein konkretes Ziel gesetzt hätte, um wie viel der Antibiotikaverbrauch gesenkt werden solle.

Zudem mahnt er grundsätzliche Verbesserungen in der Tierhaltung an. Denn in der Massentierhaltung etwa von Hühnern und Puten würden nicht kranke Einzeltiere behandelt, sondern der ganze Bestand von Zehntausenden Tieren mit Antibiotika versorgt. "Das wäre, als ob in einer U-Bahn bei einem Kranken gleich alle Passagiere mit Medikamenten behandelt werden", sagte Meyer.

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