Pressetermin in der JVA Landsberg:Tabu spielen im Knast

Uli Hoeness To Serve Sentence In Landsberg Prison

Es ist eine Art Gefängnisrundgang mit Fragestunde. Etwa 150 Journalisten sind gekommen, um die Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech zu besichtigen - jenes Gefängnis, in dem bald Uli Hoeneß einsitzen wird.

(Foto: Getty Images)

Darf man das? 150 Journalisten werden durch die Anstalt geführt, in die bald ein sehr berühmter Häftling einrücken wird. Reporter dürfen in die Zellen schauen, filmen und fotografieren. Fragen zu Einzelpersonen werden nicht beantwortet, deshalb entwickelt sich ein Spiel, bei dem alle über Uli Hoeneß reden, aber niemand den Namen sagen darf.

Von Stefan Mayr

Bei einer Frage kann sich Franz Röck das Lachen nicht verkneifen. Auf welcher Stufe der Gefangenen-internen Rangordnung ein Wirtschaftsstraftäter denn so ungefähr stehe, will ein Journalist wissen. Franz Röck fasst sich schnell wieder, dann sagt er sanft lächelnd: "Gehen Sie davon aus, dass man da auf der Mittelstufe der Skala steht." Röck ist Leiter des allgemeinen Vollzugsdienstes der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech, er wird demnächst Deutschlands berühmtesten Gefangenen in Empfang nehmen.

Bevor der Fußball-Funktionär Uli Hoeneß in der oberbayerischen Kreisstadt seine dreieinhalbjährige Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung antreten wird, hat das bayerische Justizministerium am Montag zu einem bizarren Termin geladen. Mehr als 150 Journalisten aus der gesamten Republik kamen zum Gefängnis-Rundgang mit anschließender Fragestunde. Ein Pressetermin unter dem Motto: So wird Uli Hoeneß demnächst leben und arbeiten (müssen). Vorher schaut man schon mal unter die Bettdecke und prüft, wie hart die Matratze sein wird. Darf man das? Einen prominenten Straftäter dermaßen dem Voyeurismus preisgeben? Verletzt damit das CSU-geführte Ministerium nicht das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen?

12 Euro Lohn pro Tag. Und wie sieht es mit der Steuer aus? Gelächter im Saal.

"Uns ist es ein Anliegen, die Arbeit der Justiz transparent und offen zu zeigen und das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu erfüllen", sagt Ministeriums-Sprecher Hannes Hedke gleich zu Beginn ungefragt. Die JVA Landsberg sei von Anfragen der Medien "überrannt" worden, deshalb habe man sich entschlossen, die schweren Schiebetore zu öffnen. Aber eines wolle er "ganz klar klarstellen": Fragen zu Einzelpersonen werden nicht beantwortet.

Was folgt, ist ein einstündiger Frage-Antwort-Reigen, der an das lustige Gesellschaftsspiel "Tabu" erinnert. Alle reden über Uli Hoeneß, aber keiner darf den Namen Uli Hoeneß nennen.

Ob ein Gefangener die Betreuung der anstaltsinternen Fußballmannschaft übernehmen darf? Nein, antwortet Franz Röck ganz allgemein. Das dürfen nur "Sportbeamte", die auch einen Übungsleiterschein haben. Ob es auch Arbeitsmöglichkeiten für Gefangene gibt, die aus dem kaufmännischen Bereich kommen? Nein, eher nicht, antwortet Anstaltsleiterin Monika Groß ganz allgemein. Wie viel Lohn ein Gefangener für seine Arbeit bekommt und wie es dabei mit der Steuer ausschaut? Gelächter im Saal, die ganz allgemeine Antwort lautet: etwa zwölf Euro am Tag, steuerfrei. 25 verschiedene Betriebe gibt es in der JVA Landsberg, von der Autowerkstatt über Bäckerei und Landwirtschaft bis zur Metzgerei. Jeder Gefangene muss täglich etwa sieben Stunden arbeiten. Es sei denn, er ist zu alt oder krank. Oder ein blauer Montag wird ausgerufen, weil die Presse durch den Bau zieht.

Acht Quadratmeter, maximal zweckmäßig

Im Erdgeschoss dürfen die Reporter einige Einzelzellen betreten und nach Herzenslust filmen und fotografieren. Acht Quadratmeter hinter orangenen, drei Finger dicken Eisentüren. Grauer Fliesenboden, ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank. Alles in abgewetztem Hellbraun. Maximal zweckmäßig, minimal schmückend. Eine Zellenecke hat weiße Wandfliesen, mit Waschbecken und Toilette. Über dem Klo ein Regal für den Fernseher. Den kann sich jeder kaufen oder mieten. Zu empfangen sind die gängigen Programme, nur nicht der Bezahlsender Sky.

Wie lange sich Uli Hoeneß in diesem Trakt aufhalten wird, ist noch völlig offen. Nach der Pressekonferenz erscheint es sogar denkbar, dass er überhaupt nicht in den geschlossenen Vollzug muss. "Offener Vollzug wird in der Regel gewährt, wenn noch 18 Monate zu verbüßen sind", sagt Frank Arloth vom Ministerium, "davon kann in Ausnahmefällen auch abgewichen werden." Sollte ein Gefangener eine reguläre externe Arbeitsstelle haben, könne er Freigang beantragen. So ein Antrag ist zwar selten, muss im Falle des Falles aber bewilligt werden, schließlich soll der Vollzug die Resozialisierung ja fördern und nicht behindern. Das Bundesverfassungsgericht hat einem Betroffenen in solch einem Fall bereits Recht gegeben. Hoeneß müsste also nur die Bestätigung eines Arbeitgebers vorlegen, dann müsste er bald nur noch zum Schlafen einrücken. Wann genau es so weit sein wird, entscheidet die Anstaltsleitung.

Zunächst muss Hoeneß wie jeder andere Neu-Gefangene etwa 14 Tage in die Zugangsabteilung. "Hier findet die Persönlichkeitserforschung statt", sagt JVA-Leiterin Groß. Ein Psychologe, ein Sozialpädagoge, ein Seelsorger und der Leiter der Betriebe sprechen mit dem Gefangenen über seine Straftat und erstellen danach einen Vollzugsplan. In dieser Zeit wird Hoeneß in einer etwa elf Quadratmeter großen Zwei-Mann-Zelle leben. "Der Anfang ist eine sensible Phase", sagt Hannes Hedke, "da wollen wir keinen alleine lassen."

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