Kontroverse um geplante Inszenierung von "Die Neger":Das N-Wort

Kontroverse um geplante Inszenierung von "Die Neger": Johan Simons, Intendant der Münchner Kammerspiele.

Johan Simons, Intendant der Münchner Kammerspiele.

(Foto: Stephan Rumpf)

Mit seinem Plan, das Drama "Die Neger" bei den Wiener Festwochen aufzuführen, macht sich Johan Simons derzeit wenig Freunde. Angesichts des Titels, eines streitbaren Filmplakats und angemalter weißer Schauspieler stellt sich für viele die Frage: Darf der Intendant der Münchner Kammerspiele das?

Von Christine Dössel

"Was ist eigentlich ein Schwarzer? Und vor allem: Was für eine Farbe hat er?", so fragt der französische Autor Jean Genet im Vorwort zu seinem Stück "Les Nègres", das in deutscher Übersetzung "Die Neger" heißt. In der 1959 in Paris uraufgeführten "Clownerie" spielen Schwarze für Weiße - für Weiße im Zuschauerraum und für grotesk maskierte "Weiße" auf der Bühne: Sie führen den ritualhaften Sexualmord an einer weißen Frau vor, und entsprechen damit ganz dem Bild, das sich die Weißen von ihnen machen. Das Stück, 1957 geschrieben vor dem Hintergrund der antikolonialen Befreiungskämpfe, begreift die Hautfarbe als Stigma der Diskriminierung schlechthin. "Neger" - das sind für Jean Genet die Unterdrückten jeglicher Couleur.

"Les Nègres" wird höchst selten gespielt, die wenigsten dürften das Stück kennen. Wenn es nach dem Wiener Verein Pamoja geht, der "Bewegung der jungen Afrikanischen Diaspora in Österreich", dann soll auch die geplante Premiere bei den Wiener Festwochen Anfang Juni nicht herauskommen. Johan Simons, der Intendant der Münchner Kammerspiele, inszeniert "Die Neger" als Koproduktion mit dem Hamburger Schauspielhaus.

Kritik entzündet sich nicht nur am Titel, sondern auch am Plakat der Festwochen (mit vier überdeutlich schwarz geschminkten Gesichtern) und dem Umstand, dass Simons das Stück mit weißen Schauspielern zu inszenieren gedenkt. Dass die Schwarzen von weißen Schauspielern mit schwarzer Schminke dargestellt werden, stehe in der diskriminierenden, (neo)kolonialen Darstellungstradition des Blackface, kritisiert Pamoja. Blackface wurde bis Mitte des 20. Jahrhunderts in den sogenannten Minstrel Shows in den USA praktiziert, um sich über Schwarze lustig zu machen. Seit Anfang März gibt es eine Online-Petition, in der gefordert wird, "das N-Wort und diese rassistische Inszenierung aus dem Wiener Festwochenprogramm zu entfernen".

Johan Simons lässt sich davon nicht beirren. Für den Holländer ist Genets Stück ein "historisches Drama", mit dem er seine eigene Vergangenheit, die Kolonialgeschichte seines Landes, beleuchten will. "Es geht hier um die Begegnung zweier Kulturen, der schwarzen und der weißen. Art Blakey trifft auf die ,Matthäuspassion'." Simons steht auch zum Originaltitel "Die Neger".

Der Kultur-Spiegel hatte am Montag gemeldet, Simons habe den Titel aufgrund der Proteste in "Die Weißen" umbenennen wollen, wogegen sich jedoch der Regisseur Peter Stein, der das Stück dereinst ins Deutsche übertrug, verwehren würde. "The Blacks", "Les Nègres", "Die Weißen" - man habe im Team durchaus eine Titel-Diskussion geführt, sagt Simons. Aber man dürfe es in der Kunst mit der politischen Korrektheit nicht zu weit treiben. "Man muss solche Dinge aushalten können, auch wenn es schmerzt." Und Genets Stück heiße nun mal "Die Neger".

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