Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware:Sozialverbände schlagen Alarm

Die Zahl der Obdachlosen und der von Wohnungsverlust Bedrohten hat signifikant zugenommen. Allein bei der Fachstelle der Diakonie im Landkreis sprachen 2012 fast 600 Menschen vor, viele davon mit Kindern.

Von Gudrun Regelein

Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware: Das Obdachlosenwohnheim in Freising-Schwabenau ist ebenfalls stets gut belegt mit Menschen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können.

Das Obdachlosenwohnheim in Freising-Schwabenau ist ebenfalls stets gut belegt mit Menschen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können.

(Foto: Marco Einfeldt)

- Es begann damit, dass der Mann von Frau G. pflegebedürftig wurde. Als er in ein Pflegeheim kam, wurde seine Rente fast vollständig für die Unterbringung aufgebracht. Das Geld wurde knapp, Frau G. konnte die Miete nicht mehr bezahlen. Inzwischen liegt eine Räumungsklage vor - schlimmstenfalls droht ihr die Obdachlosigkeit.

Mietrückstände führen in den meisten der von ihm betreuten Fälle in die Obdachlosigkeit, sagt Günter Miß, Leiter der Sozialen Dienste der Caritas Freising. Viele Klienten in der Schuldnerberatung würden berichten, dass die Inkassobüros extremen Druck ausüben. "Irgendwann kriegen sie Angst und zahlen, um die Forderungen begleichen zu können, ihre Miet- oder Energierechnungen nicht mehr", so Miß. Kämen noch Probleme mit der Arbeit dazu, "stockt das Ganze zwei, drei Monate und schon sind sie in der Spirale", sagt Christiane Buser von der Obdachlosenberatung der Caritas. Sie betreut in Freising obdachlos Gewordene in Notunterkünften mit dem Ziel, diese wieder in ein "normales Mietverhältnis" zurückzuführen.

"Das Problem ist nur, dass es auf dem freien Wohnungsmarkt nichts mehr gibt", sagt Buser. Deshalb blieben die Betroffenen lange in den Notunterkünften. Zwar reichten die 140 Wohnungen momentan noch aus, sagt Buser. Aber der Umzug in eine andere Wohnung klappe - selbst wenn die Betroffenen wieder mietfähig seien - nur noch selten: "Es gibt kaum mehr bezahlbare Wohnungen." Noch vor fünf oder sechs Jahren habe die Stadt bei drohendem Wohnungsverlust sofort reagiert, ergänzt Günter Miß. Mittlerweile dauere es meist bis zur Räumungsklage. Der Stadt Freising könne kein Vorwurf gemacht werden, betont Miß, diese habe im Gegensatz zu mancher Gemeinde sozialen Wohnraum geschaffen.

Ein anderes Problem sei die vom Jobcenter festgelegte Mietobergrenze für Hartz-IV-Empfänger. Für eine Alleinstehende beträgt die maximale Kaltmiete 450 Euro, für einen Vierpersonen-Haushalt maximal 726 Euro - diese Kosten werden übernommen. "Auf dem freien Wohnungsmarkt hat man da aber fast keine Chance", sagt Miß. Ob es aber eine Lösung wäre, die Beträge anzuheben, weiß auch er nicht, "denn in der Konsequenz würden dann wieder die Mieten erhöht werden." Immer häufiger müsse die Caritas präventiv eingreifen, berichtet Christiane Buser. Bei Mietrückständen werde versucht, Kündigung und drohende Räumungsklage zu verhindern. Aber oft sei die Situation bereits so eskaliert, dass die Obdachlosigkeit nicht mehr zu verhindern sei. "Immer häufiger habe ich auch Fälle, wo gerade volljährig gewordene Kinder auf die Straße gesetzt werden." Erst vor kurzem brachte Buser eine 21-Jährige in der Notunterkunft in den Unteren Isarauen unter - auch die Mutter war bereits ihre Klientin.

Dass die Zahl der von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen im Landkreis in den vergangenen Jahren signifikant nach oben geschnellt ist, bestätigt auch Anita Rinke, Sozialpädagogin bei der Fachstelle der Diakonie zur Verhinderung von Obdachlosigkeit im Landkreis (FOL). Darunter seien erschreckend viele Familien mit Kindern: 579 Menschen betreute die Fachstelle in 2012 - fast ein Viertel davon, nämlich 149, waren Kinder. Besonders viele der Klienten kommen aus Neufahrn und Moosburg, was Rinke mit der Anbindung zum Flughafen, dem größten Arbeitgeber der Region, erklärt. Der biete zwar viele Jobs, aber vor allem im Niedriglohnsektor. Bei Arbeitslosigkeit und fehlenden Rücklagen könne oft die Miete nicht mehr bezahlt werden.

Die meisten der Klienten kommen erst zur Beratung, wenn bereits die Räumungsklage eingereicht wurde. "Die drohende Obdachlosigkeit erzeugt dann einen massiven Druck auf die Betroffenen. Enorme Existenzangst ist die Folge. Viele sind wie gelähmt, schaffen es in dieser Situation nicht, aktiv zu werden", schildert Rinke. Insgesamt 122 der Fälle in der FOL konnten 2012 durch einen Umzug "positiv" abgeschlossen werden, in zehn Fällen war die Obdachlosigkeit nicht zu vermeiden. Die 15 Betroffenen, darunter zwei Kinder,mussten in von den jeweiligen Kommunen zur Verfügung gestellte Notunterkünfte umziehen. Ganz schwierig sei es, mit der Situation in einer Notunterkunft leben zu müssen, zurecht zu kommen und wieder Fuß zu fassen.

"Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die hohen Mieten und die zu geringe Zahl an Sozialwohnungen erschwert unsere Arbeit enorm", kritisiert Rinke. Der Wohnungsmarkt müsste sich verändern: Nicht nur das Angebot an günstigen Wohnungen müsse größer werden, sondern auch mehr Sozialwohnungen müssten gebaut werden. In einigen Gemeinden gebe es noch nicht einmal Notunterkünfte, kritisiert die Sozialpädagogin.

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