Neuer Rassismus-Eklat in der FPÖ:Warum David Alaba kein "wirklicher Österreicher" sein soll

FPÖ; Europawahl; Österreich; Mölzer; Strache; Alaba

FPÖ-Politiker Andreas Mölzer vor einem Bild von Parteichef Heinz-Christian Strache

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die EU ein "Negerkonglomerat"? Diese Äußerung ließ die FPÖ Andreas Mölzer noch durchgehen. Doch nun kommt heraus, dass ihr Spitzenkandidat für die Europawahl Österreichs besten Fußballer David Alaba rassistisch verunglimpft haben soll. Plötzlich droht Mölzer die Absetzung.

Von Sebastian Krass

David Alaba ist der größte Werbeträger für den österreichischen Fußball: Mit nur 21 Jahren ist er eine Stütze des FC Bayern München, der derzeit wohl besten Vereinsmannschaft der Welt. Natürlich spielt er in der österreichischen Nationalmannschaft. Und wenn Alaba öffentlich auftritt, dann stets als ein äußerst freundlicher Zeitgenosse. Kurzum: Einen besseren Werbeträger für Österreich hätte man sich kaum ausdenken können. Doch ist Alaba überhaupt ein "wirklicher Österreicher"?

Nein, findet F. X. Seltsam. Unter diesem Pseudonym ist 2012 in der österreichischen Wochenzeitung Zur Zeit ein Artikel erschienen, in dem Alaba und seine Familie rassistisch verunglimpft werden. Mit-Herausgeber des Blattes ist Andreas Mölzer, seit 2004 Mitglied des EU-Parlaments und Spitzenkandidat der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) bei der Europawahl am 25. Mai. Und mehr noch, Mölzer soll auch der Mann hinter dem Pseudonym F. X. Seltsam sein. Das berichten österreichische Medien, etwa der Standard und die Salzburger Nachrichten. Sie berufen sich unter anderem auf die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch.

Jener F. X. Seltsam mokiert sich in dem Text darüber, dass Alaba, der sich als "echter Wiener" bezeichne, "pechrabenschwarz" sei. Er sei das "typische Wiener Produkt unserer wunderbaren multikulturellen Zuwanderungsgesellschaft". Alabas Vater bezeichnet der Autor des Textes als "nigerianischen Gesangskünstler" und "trällernden Papa", die Mutter als "Dame von den Philippinen". Er stellt auch die Frage, "wofür die autochthonen Österreicher und die eingeborenen Wiener überhaupt noch gut sind". Schließlich arbeiteten auf dem Bau "nur Leiharbeiter aus dem Osten" und "der alte Greißler sei durch den türkischen Obst- und Gemüsehändler ersetzt". Der Text schließt mit dem Fazit: "Nur noch der Blick auf die Altersheime läßt uns erahnen, was 'wirkliche Österreicher' und 'echte Wiener' sind."

Mölzer verglich die EU mit der NS-Diktatur

Mölzer bestreitet, den Text geschrieben zu haben. Das Pseudonym werde von mehreren Personen verwendet. Die Zeitung erkärte zudem, die Texte von F. X. Seltsam seien "satirisch". Doch davon ist offenbar nicht einmal FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache überzeugt. Jedenfalls bezeichnete er den Text als "geschmacklos" und kündigte für diesen Montag ein Krisengespräch mit seinem Mann für Europa an. Es gilt als wahrscheinlich, dass Mölzer die Spitzenkandidatur abgeben muss. Er selbst hat bisher einen Rücktritt abgelehnt.

Ein Sprecher der einstigen Haider-Partei sagt, es werde erst nach einer Sitzung des Vorstands am Mittwoch "eine Verlautbarung geben". Er "wage noch nicht zu beurteilen", was der Inhalt sein werde. Allerdings, erklärt der Sprecher, "theoretisch" könne bei "Gefahr im Verzug" der Parteichef selbst einen Spitzenkandidaten absetzen. Bis Donnerstag jedenfalls müsse die FPÖ ihre Kandidatenliste einreichen.

Ob die Worte zu Alaba nun von Mölzer selbst stammen oder doch nur in einer von ihm herausgegebenen Zeitung erschienen sind, ist für viele letztlich gar nicht so wichtig. So oder so stehen die Äußerungen in Mölzers Denktradition.

Erst im März war der FPÖ-Politiker in die Kritik geraten, weil er bei einem Auftritt die EU mit der Nazi-Diktatur verglichen hatte und zudem die Frage stellte, ob die EU ein "Negerkonglomerat" sei, wie das SZ-Magazin berichtete. Strache erklärte damals, nach einer Entschuldigung Mölzers sei die Angelegenheit für ihn "gegessen und erledigt". Mölzer selbst äußerte sich dazu im Gespräch mit dem Standard:

"Konkret habe ich mich für die Verwendung des bösen N-Wortes in einem negativen Kontext entschuldigt. Denn das Wort Neger ist ein absolut legitimes deutsches Wort." Es sei "kein Verbrechen", diesen Begriff zu verwenden. "Nur in den politisch korrekten Kreisen gibt es diesen Tugendterror, der gewisse Termini tabuisiert. In der Bevölkerung gilt das Wort als ganz normal."

Seltsames Verständnis von "Türken" und "Schwarzafrikanern"

Und die Frage, welche Hautfarben und welche Wurzeln Spieler einer Nationalmannschaft haben sollten, oder besser: nicht haben sollten, hat Mölzer bereits öffentlich diskutiert. Anlässlich der WM 2010 schrieb er in einem Editorial seines Blattes Zur Zeit, die Auswahl Frankreichs bestehe "nahezu insgesamt aus Schwarzafrikanern". Und: "Sogar die deutsche Nationalelf hat bei ihrem ersten Spiel, beim Triumph gegen Australien, mit zwei Türken und einem Schwarzafrikaner reüssiert."

Wen er damit meint, erschließt sich bei einem Blick auf die Aufstellung der Deutschen damals allerdings nur bedingt. Einer der vermeintlichen "Türken" dürfte der in Gelsenkirchen geborene Mesut Özil sein, dessen in der Türkei geborener Vater mit zwei Jahren nach Deutschland kam und die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Özil stand gegen Australien in der Startaufstellung der Deutschen. Der zweite, der für Mölzer als "Türke" firmiert, dürfte der in Esslingen geborene Serdar Tasci sein, dessen Großeltern einst aus der Türkei nach Deutschland gezogen waren. Tasci allerdings kam in jenem Spiel gegen Australien gar nicht zum Einsatz. Ebenso wenig wie der in Berlin geborene Jerome Boateng, Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers. Ihn dürfte Mölzer gemeint haben, als er von "einem Schwarzafrikaner" schrieb.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wird sich in den nächsten Tagen noch einmal intensiv fragen lassen müssen, ob er Andreas Mölzer nicht viel zu lang gewähren ließ - und warum er sich gerade jetzt von ihm distanziert. Vermutlich hat es damit zu tun, dass es parteistrategisch keine besonders gute Idee ist, kurz vor einer Wahl ausgerechnet Österreichs Sportler des Jahres 2013, David Alaba, zu beleidigen.

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