Gemälde von Ex-Präsident Bush:Plagiator, Versager, Amerikaner

The Art of Leadership exhibition in Dallas; Angela Merkel

Kanzlerinnenporträt: Angela Merkel, links gemalt von George W. Bush, rechts ein Foto.

(Foto: Larry W. Smith/dpa/Armin Linnartz/CC-by-sa-3.0)

George W. Bush versucht sich als Maler. Doch seine Bilder kopierte der ehemalige US-Präsident ganz schnöde von Fotos aus dem Internet. Die Häme ist groß. Zu Unrecht. Eine Verteidigungsschrift.

Von Sebastian Gierke

Der ehemalige Präsident George W. Bush ist so etwas wie ein Naturtalent, was die Herstellung von Ölgemälden betrifft, ein ehrbarer Amateur.

Glauben Sie nicht? Steht so in der New York Times. Das haben wir da abgeschrieben. Korrekt hätte man sie zitieren müssen. So:

"Former President George W. Bush is something of a natural when it comes to making oil paintings, a decent amateur."

Und natürlich noch der Link: hier.

Kopieren gilt als unfein. Irgendwie anrüchig. Sich mit fremden Federn schmücken? Bäh. Im Journalismus oder der Wissenschaft trifft das auch zu. Einfach abschreiben, ein bisschen umformulieren und dann ohne Quellenangabe als etwas eigenes präsentieren: geht nicht.

Doch wie ist das auf dem Gebiet der Kunst? Und dem der Politik? Und da, wo beides ineinander verschmilzt? In der Person von George W. Bush, dem Maler, zum Beispiel.

Bush ist nicht gerade der, der einem als erstes einfällt, wenn man sich den Archetyp eines brillanten Künstlers vorstellt. Und dieses, nennen wir es ganz vorurteilsfrei Vorurteil, scheint sich gerade zu bestätigen: George W. Bush, Kriegstreiber und Politrentner, sieht sich harten Anschuldigungen ausgesetzt.

Der 43. Präsident der USA malt bevorzugt Politiker. Doch wie sich jetzt herausstellt, kopiert er seine Bilder (hier weitere Beispiele). Nicht maschinell natürlich, er kopiert sie im Sinne einer möglichst detailgenauen malerischen Nachbildung. Die Quelle seiner Inspiration: Googles Bildersuche. Bush hat seine Gemälde ziemlich schlicht abgepaust. Und zwar von Fotos. Fotos, die in der Bildersuche sehr weit oben in der Ergebnisliste auftauchen. Oder gleich im Wikipedia-Eintrag des Porträtierten, zum Beispiel dem von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Wohin also? Drogen? Religion? Waffen?

Das ist - auf den ersten Blick - ziemlich peinlich. Gar nix kann der! Nicht mal Bilder abmalen, die weniger leicht zu finden sind. Dieser Versager. Dieser Bush. Dieser Cowboy. Dieser Amerikaner. Sie werden nicht mehr lange auf sich warten lassen, die Stimmen, die einem erklären, das sei der letztgültige Beweis: Macht, auch nur gewesene Macht, ist die Verneinung aller Phantasie.

Doch so einfach ist das nicht.

Zum einen ist George W. Bush ganz zweifelsfrei ein holzschnittartiger Politiker gewesen, der sein Land, der die Welt, zum Schlechteren verändert hat. Alle wissen das. Damit stellt sich für ihn allerdings auch die Frage, wo er noch hin kann, wenn alles um ihn herum in Trümmern liegt. Wenn jeder Schritt, den er unternimmt, ganz automatisch in die falsche Richtung führt, weil er, George W. Bush, ihn tut. Wohin also? Drogen? Religion? Waffen?

"Very simple-minded as paintings"

Bush hat sich, entgegen aller Vorurteile, für harmlosere Formen des transzendentalen Eskapismus entschieden. Das Fahrradfahren. Und die Malerei. Und ähnlich wie als Politiker wird er auch als Künstler aufgrund seiner unbestreitbaren Trottelhaftigkeit unterschätzt. Als Politiker war er deshalb gefährlich. Als Maler sagen Kritiker, zum Beispiel in der Huffington Post, über seine Bilder: "I would just like to point out, they are basically very simple-minded as paintings." Warum also ein Wort darüber verlieren? Abpausen, das kann ich doch auch!

Wer so denkt, für den hier ein kleiner Exkurs: Wie groß ist die Chance eines Käfers, vom Fuß eines Baumes auf ein bestimmtes Blatt zu kommen? Eins zu 100.000, eins zu einer Million? Vom einem bestimmten Blatt aber auf den Boden zu krabbeln, dafür stehen die Chancen ziemlich gut. 1:1. Ideen erscheinen also im Nachhinein immer logisch. Bevor man sie hatte allerdings nicht. Der Satz: Das hätte ich auch gekonnt, ist also ziemlicher Quatsch. Abgesehen davon: Waren Sie einmal US-Präsident? Nur der ehemalige Präsident George W. Bush kann nämlich solche Bilder malen. Und vielleicht ist sogar die Naivität Bushs ein Zeichen seiner Genialität als Künstler?

Der Maler Bush macht sich mit der Strenge mittelalterlicher Kopisten ans Werk. Die Falte auf Putins rechter Wange, die Furchen auf der Stirn von Israels früherem Premierminister Ehud Olmert, die Tränensäcke von Jacques Chirac, Ex-Präsident Frankreichs: All diese Details sind vorhanden. Doch das zentrale Thema der Bilder bleibt die Abweichung zwischen Leben und Bildnissen. Es geht darum, wie falsche Konstruktionen echte Gefühle produzieren können. Warum kopierte Bilder eben nicht nur kopierte Bilder sind. Wie Lüge Wahrheit hervorbringt. Die Lügen des Politikers Bush führten zu zwei Kriegen und sein Land in die Isolation. Die Lügen des Malers Georg W. Bush bergen dagegen Erhellendes.

Putin als grober Klotz

Wir sehen Angela Merkel durch Georg W. Bushs Augen. Das Lächeln ist süffisanter als auf dem Foto, das rechte Auge fast unnatürlich nach oben gezogen. Tony Blair, der frühere britische Premierminister, lächelt auf dem Foto, zeigt Zähne. In Bushs Version ist der Mund geschlossen. Warum? Wirklich nur, weil Zähne schwierig zu malen sind? Und Wladimir Putin! Klar, der ist kantig. Aber so kantig? Bei Bush wird Putins Gesicht zu einem groben Klotz.

The Art of Leadership in Dallas

Wladimir Putin auf einem Bild von George W. Bush.

(Foto: dpa)

Außerdem entzaubert Bush, der Kopist, das romantische Topos vom Künstler, der nur ein Instrument ist, Empfangenes weiterzugeben.

Künstler, in Versuchung geführt von der Idee des romantischen Originalgenies, die meinen, nicht lernen zu müssen, ganz aus sich selbst zu schöpfen, alles bereits zu wissen, sie sind ein Nichts. Sätze voller Wahrheit, Sätze, die sinngemäß von einem der besten Lügner überhaupt stammen: von Quentin Tarantino. Dem Meister des künstlerischen Zitats. Ausgerechnet in George W. Bush hat er einen gelehrigen Schüler gefunden.

Zum Schluss nochmal die New York Times, völlig korrekt zitiert:

"Dass diese Arbeiten von Mister Bush stammen, macht sie komplizierter und nützlicher als ein Objektiv, durch das man die Persönlichkeit und das Erbe des Mannes untersuchen kann, der selbst der größte Unbekannte seiner Präsidentschaft bleiben dürfte."

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