Kruzifix-Beschluss:Das große grüne Wahlgeschenk

Die bayerischen Grünen ärgern sich über den eigenen Beschluss: Denn mit dem Kruzifix-Votum haben sie der CSU im Wahlkampf eine Steilvorlage geliefert.

Katja Auer und Kassian Stroh

Die Vorabendmesse am Samstag in St. Peter und Paul in Freising begann Prälat Walter Brugger mit den Worten, er sei "bedrückt". Soeben habe er im Radio vom Parteitagsbeschluss der bayerischen Grünen gehört, religiöse Symbole aus den Klassenzimmern zu verbannen.

Kruzifix-Beschluss: Mit dem Beschluss habe sich die Partei selbst ein Bein gestellt, erregt sich Grünen-Spitzenkandidat Sepp Daxenberger.

Mit dem Beschluss habe sich die Partei selbst ein Bein gestellt, erregt sich Grünen-Spitzenkandidat Sepp Daxenberger.

(Foto: Foto: ddp)

Das erinnere ihn an seine Jugend, sagte der 79-Jährige, als die Nazis die Kreuze aus den Schulen und den Herzen "herausgerissen" hätten, um Hitlerbilder aufzuhängen. "Wehret den Anfängen", warnt Brugger, ein Duzfreund des Papstes, und fragt: "Was dämmert da wieder herauf?"

Die harschen Worte sind Ausdruck der massiven Kritik, die auf die Grünen seit Tagen niederprasselt. Von den Kirchen ohnehin, von CSU und SPD, von Verbänden. Und da sogar die eigene Basis rebelliert, sah sich die Grünen-Spitze am Donnerstag genötigt, den Beschluss zu relativieren und Selbstkritik zu üben.

Es gehe nicht um die Kruzifixe in den Schulen, sondern um "ein Verbot von persönlichen religiösen Symbolen und religiös motivierter Kleidung von Lehrerinnen und Lehrern" erklärten die Parteivorsitzenden Theresa Schopper und Sepp Daxenberger einvernehmlich mit den Fraktionschefs Margarete Bause und Sepp Dürr. Sie räumten jedoch ein, dass "dem gefassten Beschluss die nötige Klarheit" fehle, weshalb er auch missverstanden werden könne. "Wir müssen selbstkritisch anerkennen, dass der Umgang mit dem Thema von uns nicht mit der nötigen Sensibilität und Sorgfalt erfolgt ist."

Seit Tagen hat die Grünen-Spitze das Problem, einen Beschluss verteidigen zu müssen, den sie nicht wollte. Ihr Entwurf des Wahlprogramms sah vor, alle Symbole, "wie das christliche Kreuz oder das muslimische Kopftuch", zu erlauben: "Kinder sollen schon früh die Erfahrung machen, dass es unterschiedliche Religionen gibt."

"Ich befürchte, das hat uns Stimmen gekostet"

Da muslimische und christliche Symbole gleich behandelt werden müssten, lehne man das Kopftuchverbot der CSU ab. Doch nach einer emotionalen Debatte stimmte der Parteitag für den Änderungsantrag der Bundestagsabgeordneten Ekin Deligöz, alle religiösen Symbole in der Schule zu verbieten.

"Ich befürchte, das hat uns Stimmen gekostet, zumindest kostet es viel Kraft, alles wieder richtig zu rücken", sagt Daxenberger und klingt geknickt. Der Grünen-Spitzenkandidat gibt zu, die Debatte unterschätzt zu haben. "Wir sind eine werteorientierte Partei und wir wollen Wertevermittlung an den Schulen haben", betont er. Es gehe doch nur darum, dass keine Religion höhergestellt sein dürfe als die andere.

Im Oktober werde das Thema nochmals vom Parteitag behandelt, kündigt Daxenberger an. Im Wahlprogramm werde sich der Verbotsbeschluss zwar finden, doch werde deutlich gemacht, dass dies noch nicht die endgültige Fassung sei.

Für den Spitzenkandidaten ist die Sache auch deshalb ärgerlich, da er die Grünen für neue Wähler, auch konservative, öffnen will. Dabei haben sich die Grünen nun selbst ein Bein gestellt und der CSU "Munition im Wahlkampf" geliefert, erregt sich Daxenberger über die eigenen Leute.

Doch da steht der Parteitagsbeschluss in einer speziellen Grünen-Tradition: So beschloss die Bundespartei 1998, der Liter Benzin solle fünf Mark kosten - was ihr im Bundestagswahlkampf um die Ohren gehauen wurde. Ebenso wie vier Jahre später der Entwurf eines bayerischen Gesetzes, auch muslimische Feiertage gesetzlich zu schützen.

Die gemeinsame Erklärung vom Donnerstag dürfte besonders den Grünen-Landtagsabgeordneten recht kommen. Auch sie wollten kein Kruzifix-Verbot und können nun mit einer aufgeweichten Fassung in den Wahlkampf ziehen.

Ekin Deligöz hingegen zeigte sich überrascht von der Mitteilung - nicht nur, weil der Parteitag mit Zweidrittel-Mehrheit so entschieden habe. Sie habe die Grünen für eine "eher säkulare Partei" gehalten, die 1995 das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt habe, das die Verpflichtung, in allen Klassenzimmern ein Kreuz aufzuhängen, gekippt hatte.

Deligöz sagte, viele Mitglieder teilten ihre Position zu den Kopftüchern. Ihr sei es nicht in erster Linie um religiöse Symbole gegangen, sondern "um die Beamten dieses Landes und ihr Auftreten". Im Klartext heißt das: Deligöz will vor allem nicht, dass Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten.

In diesem Punkt ist sie sich sogar mit Prälat Brugger einig. Nur: Wer Kopftuch mit Kreuz oder Ordenstracht gleichsetze, "vermengt das so, dass man nicht mehr weiß, in welchem Land man lebt", schimpft er. "Wir werden kämpfen, da geht's bei uns um Grundsätzliches."

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