Ermittlungen gegen Kinderklinik in Hannover:Polizei untersucht Tod eines Flüchtlingsbabys

Schwerer Vorwurf gegen eine Kinderklinik in Hannover: Mitarbeiter sollen eine aus Ghana stammende Mutter mit ihrem kranken Säugling abgewiesen haben. Jetzt ist das Baby tot - und die Kriminalpolizei ermittelt.

Von Ines Alwardt

Kinder- und Jugendkrankenhaus Hannover

Das Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover.

(Foto: dpa)

Nach dem Tod eines Babys im hannoverschen Kinderkrankenhaus Auf der Bult hat sich jetzt die Kriminalpolizei eingeschaltet. Die Eltern des Säuglings haben Strafanzeige gegen die Einrichtung gestellt. "Es besteht der Verdacht eines Totschlags durch Unterlassen", sagte Anwalt Matthias Waldraff zu Süddeutsche.de.

Die Mutter zweier Frühchen, so der Anwalt, sei am 10. April gegen 9.50 Uhr mit ihrem Baby in die Klinik gekommen, da es keine Nahrung mehr zu sich nehmen wollte. Am Empfangstresen habe sie ihr Kinderuntersuchungsheft vorzeigen wollen, sei jedoch abgewiesen worden. Ob ein fehlender Einweisungsschein des Kinderarztes oder Kommunikationsprobleme der Grund waren, ist derzeit noch unklar.

Die Mutter setzte sich daraufhin in einen Bus und fuhr zu ihrer Kinderärztin, die sofort einen Krankenwagen anforderte. Nach Angaben des Anwalts der Eltern starb das Kind nur eine Stunde nachdem die Mutter in der Notaufnahme des Krankenhauses um Hilfe gebeten hatte.

"Die Reanimation musste leider erfolglos eingestellt werden"

Das Kinderkrankenhaus bestätigte die Einlieferung des Säuglings. "Wir haben am Donnerstagvormittag unter Wiederbelebungsmaßnahmen aus einer Kinderarzt-Praxis ein Kind eingeliefert bekommen", sagte Kliniksprecher Björn-Oliver Bönsch. "Die Reanimation musste leider erfolglos eingestellt werden." Danach habe das Krankenhaus die Kriminalpolizei eingeschaltet, die jetzt ermittelt.

Die aus Ghana stammende Frau hatte am 10. März im Krankenhaus Henriettenstift Zwillinge zur Welt gebracht. Weil sie zu früh geboren wurden und unter gesundheitlichen Problemen litten, soll das Krankenhaus sie laut Anwalt Waldraff an die Fachklinik Auf der Bult überwiesen haben. Joshua, das Kind das jetzt gestorben ist, soll dort am 19. März entlassen worden sein, der andere Zwilling sei noch immer in der Klinik.

Der Anwalt der Eltern erhebt schwere Vorwürfe: Dadurch, dass das Kind vorher schon in der Klinik behandelt worden sei, habe dieser Fall eine "besondere Problematik", sagte Waldraff. "Es bestand eine Pflicht, sich die Unterlagen anzusehen. Hätte das sofort jemand getan, wäre das Kind nicht gestorben."

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat eine Obduktion des Kindes angeordnet. Zwar wurde sie schon am Montag vorgenommen, mit ersten Ergebnissen ist aber erst nach Ostern zu rechnen. Dann erst prüft die Staatsanwaltschaft, ob es Hinweise für einen Anfangsverdacht gibt.

Flüchtlingsrat fordert Gleichstellung

Der Fall erregt großes öffentliches Aufsehen. Zumal Organisationen wie der Flüchtlingsrat Niedersachsen ihn nicht als Einzelfall einstufen. Erst am Dienstag wurden vor dem Amtsgericht Fürth drei Mitarbeiter eines bayerischen Aufnahmelagers zu Geldstrafen verurteilt. Sie hatten im Dezember 2011 nicht auf die dringende Bitte zweier Eltern reagiert, einen Arzt für ihr schwer krankes Kind zu rufen. Stattdessen hatten sie den Vater aufgefordert, sich erst einen Krankenschein zu besorgen.

Ein Autofahrer brachte die Familie zu einer Kinderärztin, die einen Krankenwagen rief. Wie sich später herausstellte, litt der Junge an einer schweren Meningokokken-Infektion. Er musste in ein künstliches Koma versetzt und mehrfach operiert werden.

Flüchtlingsorganisationen fordern schon lange, dass Asylbewerber bei der Krankenversorgung besser gestellt werden. Die gesetzliche Grundlage sehe vor, dass Flüchtlinge nur bei "akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen" behandelt werden dürfen. In der Praxis, so schreibt zum Beispiel der Flüchtlingsrat NIedersachsen in einer Erklärung, prüfe das Sozialamt, ob ein Krankenschein überhaupt nötig sei. Selbst wenn dieser dann ausgestellt werde, sehe er zum Teil Einschränkungen beim Umfang der ärztlichen Versorgung vor. Die Verzögerung einer notwendigen medizinischen Behandlung sei daher eher Regel denn Ausnahme - mit allen negativen Folgen.

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