Pflegeversicherung:Gefängnis der Alten

Es gibt Zustände im deutschen Pflegesystem, die zum Himmel schreien, doch der Gesetzgeber hat bisher nichts unternommen. Die vom Sozialverband VdK angekündigte Verfassungsbeschwerde ist eine Art Notwehr. Nicht nur im Dienste pflegebedürftiger Menschen, sondern für die ganze Gesellschaft.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Das deutsche Pflegesystem verletzt die Grundrechte von Pflegebedürftigen. Diese Erkenntnis ist nicht neu; sie findet sich in Dokumentationen, die der Gesetzgeber selbst in Auftrag gegeben hat. Aber getan hat der Gesetzgeber bisher - nichts. Der Personalschlüssel in den Altenheimen ist seit 15 Jahren unverändert. Strafgefangene haben de facto mehr Rechte als alte Menschen.

Die vom Sozialverband VdK angekündigte Verfassungsbeschwerde ist in dieser Situation tatsächlich eine Art Notwehr für alte und pflegebedürftige Menschen - und eine Notwehr für die ganze Gesellschaft. Es gibt Zustände, die zum Himmel schreien; sie sind nicht die Regel, aber auch nicht die Ausnahme.

Gewiss: Pauschale Verurteilung wird der Fürsorglichkeit nicht gerecht, die es in Heimen auch gibt. Aber es geht um viel mehr als nur darum, schreiende Missstände abzustellen: Es geht um ein umfassendes neues Pflegesystem, das den Menschen nicht mehr in drei Raster zwängt und das endlich auch den dementen Menschen hilft. Es geht darum, die Mängel abzustellen, mit denen die Pflegeversicherung vor zwanzig Jahren schon auf die Welt gekommen ist.

Das Verfassungsgericht könnte ein wunderbarer Helfer sein im Jahr des Grundgesetzjubiläums. Das Gericht hat die Tür für Verfassungsbeschwerden zuletzt sehr weit aufgemacht. Es wäre nicht schön, wenn es diese Tür vor den alten Menschen zuschlagen würde.

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