Stromschäden über Ostern:Bahn sucht Ersatzteile für defekte Züge

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Bis Ende Juni will die Bahn die 18 defekten S-Bahn-Züge in München wieder repariert haben. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Niemand weiß genau, was an Ostern mit 18 S-Bahnen in Tutzing passiert ist. Klar ist nur: An den Fahrzeugen gibt es immense Stromschäden. Das hat Folgen für Fahrgäste - bis Ende Juni. Und die Bahn muss bundesweit nach Ersatzteilen suchen.

Von Marco Völklein

So richtig erklären können sie sich bei der Bahn die Sache immer noch nicht. "Spannungsschwankungen sind nichts Unübliches", sagt ein Sprecher des Konzerns. Vor allem in den Nachtstunden komme es immer wieder mal vor, dass die zuständige Bahn-Tochter DB Energie auch mal mehr als die Regelspannung von 15 000 Volt in Teile des Netzes jagt. Deshalb kann bislang kein Techniker genau sagen, was in den Tagen rund um Ostern mit den Triebfahrzeugen passiert ist, die an der Abstellanlage in Tutzing geparkt waren.

18 Fahrzeuge warten derzeit auf Ersatzteile. Die kommen aus der ganzen Republik

Fest steht nur: Dort entstanden an insgesamt 18 Fahrzeugen so immense Überspannungsschäden, dass die Fahrgäste voraussichtlich noch zwei Monate lang mit Einschränkungen im Platzangebot und Ausfällen einzelner S-Bahnen rechnen müssen. So fielen am Montagmorgen nach Angaben des Bahnsprechers allein sechs Zugfahrten unter anderem auf den Linien S 3 und S 8 aus. Auf anderen Strecken ließ die Bahn Züge rollen, die nur aus zwei statt aus drei Waggons bestanden. Entsprechend eng ging es im Inneren zu. "Das ist eine echte Zumutung", schimpften zum Beispiel Reisende am Ostbahnhof, die aus einer völlig überfüllten S 4 purzelten.

Die Bahn steht vor einem größeren Problem: Denn durch die Überspannungsschäden fielen an den 18 Zügen spezielle Spannungsmodule, im Grunde eine Art Sicherung, aus. Diese Bauteile sind normalerweise kaum störungsanfällig - weshalb die Bahn und der Hersteller Bombardier nur wenige Ersatzteile auf Vorrat haben. "Ein Schaden dieser Art ist bisher noch nicht aufgetreten", beteuert der Bahnsprecher. Der Konzern versucht nun, aus der gesamten Republik Ersatzteile nach München zu schaffen, um hier möglichst rasch die 18 havarierten Züge wieder flott zu kriegen. Das werde aber noch eine Weile dauern - weshalb sich bis voraussichtlich Ende Juni die ohnehin schon frustrierten S-Bahn-Fahrgäste auf weiteres Unbill gefasst machen müssen.

Zu wenig Fahrzeugreserven

So dürften in den kommenden Wochen einzelne sogenannte Verstärkerzüge ausfallen, die die Bahn normalerweise einsetzt, um auf einzelnen Linien am Morgen und am Nachmittag im Berufsverkehr das Angebot zu einem Zehn-Minuten-Takt zu verdichten. Auf anderen Strecken werden zwar S-Bahnen fahren - da diese aber nur als sogenannte Vollzüge mit zwei Waggons und nicht mehr als Langzüge mit drei Wagenteilen unterwegs sein werden, werden sich die Fahrgäste in den verbliebenen Waggons drängeln und drücken.

Das Ganze erinnert fatal an den Jahreswechsel 2011/12: Nach einer übers Internet organisierten und als "Abschiedssaufen" titulierten Massenrandale in der S-Bahn standen auf einmal 65 beschädigte Züge in der Betriebswerkstätte der Bahn in Steinhausen und konnten erst nach und nach wieder repariert werden. Die Folge: Auch damals fielen über mehrere Wochen einzelne S-Bahnen aus, manche Züge waren nur noch verkürzt unterwegs.

Schon damals hatten Fahrgastverbände die zu geringen Fahrzeugreserven kritisiert. Selbst Bahn-Manager räumen mittlerweile ein, dass der Bestand von aktuell 238 S-Bahnen vom Typ ET 423 für den Münchner Bedarf knapp kalkuliert ist. Allerdings wird diese Baureihe nicht mehr gefertigt; die Bahn kann also nicht einfach weitere Züge anschaffen, um den Bestand aufzustocken. Andere Baureihen wiederum sind mit den ET-423-Zügen oder dem Münchner Netz nicht kompatibel. Fahrgastverbände fordern daher seit Langem, die Bahn solle sich rasch für ein Nachfolgemodell entscheiden oder zumindest dessen Entwicklung schon mal anschieben. Schließlich dauert es Jahre, bis ein neuer Zugtyp von den Ingenieuren konzipiert, gebaut und letztlich auch noch von der Aufsichtsbehörde abgenommen ist.

Um Fahrzeugengpässe abzufedern, hatten die Landtags-Grünen zudem vor einiger Zeit vorgeschlagen, der Freistaat solle einen Pool an Nahverkehrszügen anschaffen und diese Fahrzeuge gegen Entgelt den Bahnanbietern zur Verfügung stellen, wenn Probleme wie jetzt bei der S-Bahn auftreten. Das aber lehnte die Staatsregierung unter anderem mit dem Verweis auf die Kosten ab.

© SZ vom 29.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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