Nachlese zum Tatort "Ohnmacht":Zu viel Mutterliebe am Muttertag

Lesezeit: 2 min

Max Ballauf liegt verletzt auf dem U-Bahn-Gleis - und schon wieder ist ein Kommissar persönlich im Tatort involviert. (Foto: WDR/Martin Menke)

Der Kölner Kommissar Ballauf wird verprügelt und versteht - nicht nur deshalb - die Welt nicht mehr. Den Zuschauer kostet das Nerven. Doch welche Erkenntnis bringt "Ohnmacht"? Und welcher Dialog ist bezeichnend? Die "Tatort"-Nachlese - mit den besten Zuschauerkommentaren.

Von Carolin Gasteiger

Darum geht's:

Jugendliche prügeln in der U-Bahn einen Jungen halbtot, Kommissar Ballauf kommt dazu. Als er eingreifen will, wird er selbst angegriffen, erst zu Boden geschlagen, dann aufs Gleis gestoßen. Als Beteiligter darf er nicht weiter ermitteln - und tut sich schwer, seine "Ohnmacht" zu akzeptieren. Angefangen von der Wurstbraterei, die abends keine Currywurst mehr hat, bis zum Jugendstrafrecht, Ballauf versteht die Welt nicht mehr. Sein wiederkehrender Kommentar: "Das ist jetzt nich' wahr, oder?"

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Tatort Köln: "Ohnmacht"
:Kein Platz für Currywurst

In diesem "Tatort" dürfen Ballauf und Schenk keinen Zwischenstopp an der Wurstbraterei einlegen, stattdessen haben die Ermittler mit herannahenden U-Bahnen zu kämpfen. Berührend wird die Episode nur, als sie sich einer gefühlskalten Verdächtigen widmen.

Von Holger Gertz

Bezeichnender Dialog:

Gerolf Bertram (Vater von Janine, die bei der Prügelei dabei war): Was würden Sie machen, wenn Ihre Tochter in so einem Polizeizimmer sitzt und sie beschuldigt wird, so etwas getan zu haben?

Kommissar Freddy Schenk: Wenn das meine Tochter wäre, dann wäre da wohl vorher etwas den Bach runtergegangen.

Bertram: Aber Sie würden sie noch immer lieben.

Schenk: Mein eigenes Kind, nicht lieben?

Bertram: Das ist krank oder? [...] Da ist nichts mehr, nur noch Schweigen. Damit man sich nicht belügen muss.

Schenk: Lügen worüber?

Bertram: Dass Janine böse ist.

Die beste Szene:

Ballauf klettert mit letzter Kraft (man bangte nach Leitmayr schon um den zweiten Tatort-Kommissar binnen einer Woche) von den Gleisen zurück auf den Bahnsteig und versucht, seine Arbeit zu tun. Wie ferngesteuert will er den verletzten Jungen zudecken, ein Handy organisieren, Zeugen aufhalten. Klaus J. Behrendt spielt sich dabei in pure Verzweiflung. Die packendsten Minuten im ganzen Film.

Die besten Zuschauerkommentare:

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Die Erkenntnis:

Die Macher haben sich viel vorgenommen. U-Bahn-Schläger, eine Familie, die sich selbst etwas vormacht und obendrein ein persönlich involvierter Komissar: Das ist zu viel Drama für einen Tatort. Man verzeiht den sympathischen Kommissaren ja viel. Aber wie sie unbeholfen von Verhör zu Verhör stolpern und auf immer neue Hürden und Grenzen des Jugendstrafrechts treffen, ist schwer zu ertragen. Bleibt zu hoffen, dass sie im nächsten Fall wieder souveräner ermitteln.

Schauspieler Dietmar Bär im Interview
:"Ein goldener Arbeitsplatz"

Laut einer Umfrage ist er der beliebteste TV-Ermittler Deutschlands: Freddy Schenk. Seit 17 Jahren verkörpert Schauspieler Dietmar Bär den Kölner "Tatort"-Kommissar. Ein Gespräch über die Vor- und Nachteile der Rolle und den Kollegen Til Schweiger.

Von Matthias Kohlmaier

Top und Flop gleichermaßen:

Selten treffen in einem Tatort so viele überzeichnete Charaktere aufeinander: Nicht nur die Kommissare, auch alle Nebenfiguren in diesem Tatort strapazieren die Zuschauer-Nerven: Eine paragrafenreitende und eiskalte Haftrichterin. Eine an sich charmante, aber übereifrige neue Assistentin, die sich mit IT-Besserwisserei erst noch die Hörner abstoßen muss (und ja, wir haben verstanden, dass Tatort-Kommissare generell Nachhilfe in moderner Technik brauchen). Verschlagene Youngsters, die man am liebsten übers Knie legen würde. Eltern, die sich tatenlos ihrem Schicksal ergeben. Und diese Mutterliebe! Ob es Zufall war, dass ein Tatort mit so viel blinder Fürsorge ausgerechnet am Muttertag gesendet wird? All diese anstrengenden Figuren in einem Drehbuch unterzubringen, verdient Respekt. Aber es kostet auch Nerven.

Schon mal irgendwo gehört:

Ach, eigentlich fast alles.

Bester Auftritt:

Felix von Manteuffel als verbitterter Vater Gerolf Bertram. Ihn kann im Leben nichts mehr erschüttern - nach ein paar Schnaps macht er seinem Frust Luft. Aber es kommt noch schlimmer.

"Tatort"-Kommissare im Überblick
:Wer ermittelt wo mit welchen Tricks?

Zwei Mädels in Dresden, ein Pärchen in Weimar und die Münchner seit 25 Jahren. Alles, was Sie über die "Tatort"-Kommissare wissen müssen - in unserer interaktiven Grafik.

Von Carolin Gasteiger und Jessy Asmus

Die Schlusspointe:

Mit der für Köln obligatorischen Szene vor der Wurstbude aufzuhören, wäre ein mauer Schluss. In der letzten Szene, es läuft schon der Abspann, gewinnt "Ohnmacht" noch mal an Fahrt. Freilich ist es dann schon zu spät, der leere Blick des Vaters auf die Leiche seiner Tochter sagt alles. Es musste wohl so kommen in diesem Tatort.

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