CSU-Vorstoß zur Rente mit 63:Paradoxe Intervention

Die CSU ist im Grunde ihres Herzens gegen die Rente mit 63. Jetzt macht sie einen Vorschlag, der den Empfängerkreis sogar noch erweitern soll.

Von Thorsten Denkler und Thomas Öchsner, Berlin

Die CSU hat ein neues Thema gefunden, mit dem sie die SPD in den Verhandlungen um die Rente mit 63 ärgern kann. Statt den möglichen Empfängerkreis der Rente mit 63 einzugrenzen, will sie ihn jetzt sogar erweitern. Bisher gilt: Wer mit 63 ohne Abzüge in den Ruhestand gehen will, muss 45 Jahre lang pflichtversichert gewesen sein. Zeiten, in denen ein Versicherter kurzzeitig auf Jobsuche war und Arbeitslosengeld I bezog, will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) aber anrechnen.

Jetzt will die CSU auch freiwillig Versicherte mit der Rente mit 63 beglücken. Das sei eine Frage der Gerechtigkeit, erklärte an diesem Dienstag CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Und ihr Parlamentsgeschäftsführer Max Straubinger sekundierte, es sei nicht hinnehmbar, dass zwar Zeiten der Arbeitslosigkeit angerechnet werden sollen, nicht aber freiwillige Beitragsjahre.

Im Blick haben Straubinger und Hasselfeldt etwa langjährige Arbeitnehmer, die arbeitslos geworden sind und sich dann selbständig gemacht haben. Als Selbständige müssen sie nicht mehr in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen. Können es aber freiwillig weiterhin tun.

Arbeitslosenzeiten höher bewertet als Versicherungszeiten

Tastsächlich werden nach dem Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Arbeitslosenzeiten höher bewertet als freiwillige Versicherungszeiten. Sie folgt damit aber den bisher geltenden Prinzipien der Rentenversicherung.

Es gibt heute schon die Möglichkeit, nach 45 Beitragsjahren abschlagfrei in Rente zu gehen. Das Mindestalter dafür ist 65 und Arbeitslosenzeiten werden nicht angerechnet. Diese Regelung sollte für diejenigen Arbeitnehmer ein Puffer sein, die nicht bis 67 durcharbeiten können. Die berühmten Dachdecker etwa. Freiwillige Versicherungsjahre werden hier jedoch nicht angerechnet.

Angerechnet werden sie bisher nur für jene, die ganz normal mit Abschlägen in Frührente gehen, dafür also auf einen Teil ihrer monatlichen Rente verzichten.

Ein weiteres Problem des CSU-Vorschlages ist, dass die Freiwilligen in der Rentenversicherung nicht gerade Höchstbeiträge zahlen. Von den 324 000 Menschen, die freiwillig gesetzlich rentenversichert sind, zahlen nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) 88 Prozent den Mindestbeitrag von 85 Euro im Monat. Die Höchstgrenze liegt bei 1124 Euro. Freiwillig Versicherte können die Beitragshöhe aber selbst festlegen.

Erkaufte Abschlagfreiheit

Der SPD-Rentenexperte Martin Rosemann warnt deshalb davor, freiwillig Versicherte in die Rente ab 63 einzubeziehen: "Das sieht nur auf den ersten Blick gerecht aus. Denn es wird dazu führen, dass freiwillig Versicherte sich mit einem sehr geringen Beitrag die Abschlagsfreiheit erkaufen können."

Wem für die abschlagfreie Rente mit 63 etwa nur ein Versicherungsjahr fehlt, der zahlt einfach den Betrag nach und schon geht es aufs Altenteil.

Die CSU sagt, Arbeit dürfe nicht schlechter gestellt sein als Arbeitslosigkeit. Schon deshalb müssten freiwillige Versicherungsjahre für die Rente mit 63 anerkannt werden. Nur ist eben gar nicht sichergestellt, dass alle 324 000 freiwillig Versicherten auch tatsächlich arbeiten. Darunter können - zugespitzt formuliert - auch Lottogewinner oder Großerben sein, die sich mit 43 zu Ruhe setzen, aber freiwillig weiter in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Die würden dann nach den Plänen der CSU ihre abschlagfreie Rente schon mit 63 bekommen können.

Es spricht also weniger dafür, dass die CSU ihren eigenen Vorschlag wirklich ernst nimmt, als dass sie damit nur die Anrechenbarkeit von Arbeitslosenzeiten torpedieren will. In der Psychologie wird so ein Verfahren paradoxe Intervention genannt: Das als problematisch erkannte Verhalten wird gefördert, statt es zu bekämpfen. In der Hoffnung, dass der Patient es dann lässt.

Ohne Rente mit 63 gäbe es die Mütterrente nicht

Die Rente mit 63 haben nämlich viele in der CSU geschluckt. Ohne sie gäbe es die Mütterrente nicht. Außerdem wächst die Rente mit 63 bis 2029 ohnehin nach und nach zur Rente mit 65, betrifft also nur jene, die zwischen 1951 und 1963 geboren wurden.

Mit der Anrechenbarkeit der kurzzeitigen Arbeitslosigkeit aber wollen sich viele aus CDU und CSU nicht anfreunden. Sie fürchten eine neue Welle der Frühverrentung, wenn Versicherte mit 61 aufhören zu arbeiten und dann noch zwei Jahre ALG I bis zur Rente mit 63 beziehen.

Und jetzt sollen noch mehr Menschen die Rente mit 63 bekommen können. Ob die CSU mit dieser paradoxen Intervention die SPD heilt, wird sich erst noch erweisen müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: