Hans-Christian Ströbele:"Snowden kann von Moskau aus nicht die volle Wahrheit sagen"

Ströbele trifft Snowden

Historisches Treffen im Oktober 2013: Edward Snowden (links) mit Hans-Christian Ströbele.

(Foto: dpa)

Er war der erste deutsche Politiker, der Edward Snowden in Russland traf. Jetzt fordert der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele im SZ.de-Interview, der NSA-Ausschuss müsse Snowden nach Deutschland holen. Der Whistleblower sei in Russland "immer in Gefahr", sein Asyl zu verlieren.

Von Hakan Tanriverdi und Sammy Khamis, Berlin

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hat sich als einer der ersten der Sache Edward Snowdens angenommen. Schon im Oktober 2013 forderte er, den Whistleblower als Zeugen vor einem noch einzurichtenden Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre nach Deutschland einzuladen. Er selbst besuchte Snowden im vergangenen Jahr in Moskau. Ströbele ist der Stellvertreter von Konstantin von Notz im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Mehrfach gewann er für die Grünen das Direktmandat in Berlin-Kreuzberg.

SZ.de: Herr Ströbele, der NSA-Untersuchungsausschuss hat am Donnerstag beschlossen, den Whistleblower Edward Snowden zu befragen. Ist das eine gute Nachricht?

Hans-Christian Ströbele: Ich finde, das ist ein Erfolg. Wir sind einen ganzen Schritt weitergekommen. Der Ausschuss hat zum ersten Mal sogar einstimmig erklärt: Herr Snowden ist ein wichtiger Zeuge. Den brauchen wir, auf den können wir nicht verzichten. Den wollen wir befragen.

Trotzdem ist nicht geklärt, wie diese Befragung stattfinden soll.

Leider haben wir es nicht geschafft, den Weg zu ebnen, dass er hierher vor den Ausschuss kommen kann. Aber all die Äußerungen darüber, dass Snowden ja nichts wisse, dass man den ja nicht zu befragen brauche, weil dies ja nichts bringe und nur den US-Beziehungen schade - das ist alles vom Tisch.

Snowden hat wiederholt gesagt, dass er keine neuen Informationen geben werde, weil davon sein Asylstatus in Russland abhängt. Warum fordern Sie dann, dass er nach Deutschland kommt?

Snowden ist der Zeuge, der am meisten zum NSA-Skandal weiß. Der entscheidende Grund, wieso Snowden nach Berlin kommen sollte, ist folgender: Seine Aussage soll unabhängig vom Asylstatus und den Bedingungen in Russland gemacht werden.

Sie sagen also: Im Falle einer Videoschaltung bestünde die Gefahr, dass er sich verplappert und damit seinen Aufenthaltsstatus in Russland gefährdet?

Das ist genau die Argumentation, wie ich sie so ähnlich noch gestern im Ausschuss ganz dringend den Kollegen vorgetragen habe. Ich bin überzeugt: Snowden kann von Moskau aus nicht die volle Wahrheit unbefangen aussagen, sei es in einer Videoübertragung oder sei es, dass wir da hin fahren oder er von einem Beauftragten vernommen wird. Snowden ist immer in Gefahr, dass seine Antworten als Verstoß gegen die russischen Asyl- Auflagen ausgelegt werden. Deshalb gibt es für mich nur eine verantwortbare Möglichkeit, ihn zu hören: Hier in Deutschland, wo wir seinen Aufenthalt und seine Sicherheit garantieren müssen. Dann kann er all das sagen, was er weiß.

Wie soll die rechtliche Situation für Snowden in Deutschland dann aussehen?

Es muss kein Asylstatus sein. Es gibt nach deutschem Recht auch die Möglichkeit, ihm durch einen Erlass des Bundesinnenministers einen Aufenthaltsberechtigung in Deutschland zu geben. Das nennt man dann nicht Asyl, sondern Aufenthalt aus überwiegendem politischen Interesse. Er muss auch darüber hinaus Schutz bekommen. Snowden hat wiederholt erklärt, dass er Erkenntnisse darüber hat, dass er persönlich gefährdet ist.

Möchte Edward Snowden Russland verlassen?

Er hat mir gesagt, dass er gerne ein normales Leben führen möchte in einem Land mit demokratischen, rechtstaatlichen Verhältnissen. Das ist nachvollziehbar. Wenn wir es schaffen, ihn nach Deutschland zu holen, dann ist die Abhängigkeit von einem Asylstatus in einem anderen Land weg. Dann kann er all das sagen, was er weiß.

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