Quizduell-Premiere in der ARD:"Wenn du einen Hintern in der Hose hast, dann melde dich"

Quizduell

Das sahen die Spieler am Smartphone während der Sendung auf ihren Displays: "Technische Störung".

(Foto: Screenshot)

Die ARD lädt Millionen "Quizduell"-Nutzer ein, live gegen ein Team im Studio zu spielen. Doch ein Hacker, fehlerhafte Notfall-Technik und ein zickiges Publikum vermasseln die Premiere. Moderator Jörg Pilawa leidet und flucht. War's das schon mit der interaktiven Sendung?

Das Desaster im Minutenprotokoll. Von Jana Stegemann und Benjamin Romberg

Quizduell ist mit 16 Millionen registrierten Nutzern eine der erfolgreichsten Apps in Deutschland. Die ARD will diesen Erfolg mit der interaktiven Show Quizduell: Vier gegen Deutschland ins Vorabendprogramm hieven. Auf dem Sendeplatz der Daily Soap Verbotene Liebe soll ein Studio-Team gegen Team Deutschland antreten - also vier Kandidaten im Fernsehen gegen potenziell 16 Millionen Kandidaten vor dem Fernseher.

Doch schon nach wenigen Minuten ist klar, dass die Technik nicht mitmacht. Moderator Jörg Pilawa spricht erst von "Serverüberlastung", dann von einem "Hackerangriff auf die ARD-Server". Auf Twitter wird da schon kübelweise Häme über die ARD ausgeschüttet - in dieser Hinsicht funktioniert die Echtzeit-Interaktion mit den Zuschauern bestens. Pilawa nimmt die Pannen mit Humor und improvisiert. Doch auch dabei gibt es unangenehme Überraschungen. Das Desaster im Minutenprotokoll:

17.54 Uhr: Huch, die Sendung läuft ja schon. Laut Fernsehprogramm war der Start für 18 Uhr terminiert. Aber wer digital sein will, muss wohl auch flexibel sein. Also Wurstsemmel beiseite - und los geht's.

17.55 Uhr: Es geht nicht los. Zumindest nicht am Smartphone. Verbindungsfehler. Pilawa stellt unterdessen das Team im Studio vor: vier Lehrer vom Gymnasium Tostedt in Niedersachsen.

17.57 Uhr: Pilawa hat dem ARD-Publikum erklärt, was ein Smartphone und eine App sind. Er freut sich, auch mal diejenigen begrüßen zu können, "die gar nicht am Fernseher sind". Er spricht zu ihnen in die Kamera. Zu denen, die gar nicht am Fernseher sind.

17.59 Uhr: Noch mal versuchen. Noch mal versuchen. Noch mal versuchen. Der Zeigefinger ist jetzt warm, aber es passiert nichts. Stolz hat Pilawa inzwischen verkündet, dass sich 187.204 Menschen vorab registriert haben, um online mitzuspielen. Durchschnittsalter: 38 Jahre. Ein voller Erfolg für das ARD-Vorabendprogramm - würde die App nur funktionieren.

18.01 Uhr: Es geht immer noch nichts. Immerhin: Die Kandidaten haben die ersten Fragen beantwortet, um die Summe festzulegen, um die gespielt wird: 22 000 Euro. Und das, obwohl vergessen worden war, Jörg Pilawa die Fragen für die Schnellraterunde aufs Pult zu legen. Improvisation ist eben alles. Wie lange sie schon Quizduell spiele, fragt Pilawa eine Kandidatin. "Seit ein paar Tagen", antwortet die.

18.03 Uhr: Jörg Pilawa verkündet, was sich der ein oder andere bereits gedacht haben mag: Die Server sind überlastet. Wer digital sein will, muss aber auch flexibel sein, deshalb hat die ARD da mal was vorbereitet. Die Zuschauer im Studio finden Abstimmungsgeräte an ihren Plätzen. Das sind zwar keine 16 Millionen, aber immerhin ein paar Dutzend. Dann kann es ja losgehen.

18.08 Uhr: Pilawa: "Ich glaube, dass das Team Deutschland nicht mehr kommt."

18.09 Uhr: Erstmal Werbung. Erster Spot wirbt für ein Abführmittel. Zeit für einen letzten Versuch: Verbindungsfehler. Na gut, einer noch. Und noch einer.

18.14 Uhr: Pilawa meldet sich zurück aus der Werbung und verkündet Schockierendes: "Wir sind gehackt worden." So wie Pilawa das ausspricht, denkt man zunächst an einen Angriff von Mettigeln. Wahrscheinlicher ist aber: Ein technisch versierter Verbotene-Liebe-Fan kämpft um den Sendeplatz für seine Vorabend-Soap.

18.18 Uhr: Pilawa scheint sich damit abgefunden zu haben, dass er diesen Abend analog bestreiten muss. Er zwängt sich zwischen ein paar junge Männer im Publikum. Vom Herrn zu seiner Rechten will er wissen, was er denn bei der letzten Frage gedrückt habe. "Nichts", sagt der. Pilawa ist nicht zu beneiden, jetzt werden auch noch die Zuschauer im Studio renitent.

18.21 Uhr: Eigentlich hätten die Kandidaten im Studio ja einen Joker gehabt, erklärt Pilawa. Den gibt es jetzt aber nicht, weil der Schwarm von Zuschauern ja viel kleiner sei als der Schwarm am Smartphone. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Die Lehrer haben ohnehin einen versteckten Joker.

18.25 Uhr: Pilawa wiederholt es noch einmal für diejenigen, die gerade erst zugeschaltet haben: "Wir spielen eigentlich gegen Millionen von Usern. Nur kommen die Ergebnisse bei uns nicht an, weil Computerfreaks das Ganze gehackt haben." Diejenigen, die gerade erst zugeschaltet haben, werden sich vermutlich denken: Und wenn schon, ich wollte das Ende von Verbotene Liebe sehen!

18.27 Uhr: Pilawa unternimmt mal wieder einen Ausflug ins Publikum. Dieses Mal will er von einer jungen Dame in der letzten Reihe wissen, was sie bei der letzten Frage gedrückt habe. Die junge Dame gesteht, dass sie absichtlich falsch gedrückt habe, um dem Lehrer-Team zu helfen. Es stellt sich heraus: Sie ist ebenfalls Lehrerin. Am selben Gymnasium in Tostedt.

18.29 Uhr: Runde vier von sechs. Ein bisschen muss Pilawa noch durchhalten, doch seine Willenskraft scheint zu schwinden: "Wir machen im nächsten Jahr mal was mit App", sagt er.

18.30 Uhr: Ein älterer Herr im Publikum beschwert sich, dass die Abstimmungsgeräte im Studio nicht funktionierten. Dafür kann der Hacker nichts.

18.32 Uhr: Pilawa hat Details zu den "Computerfreaks": Ein einziger User, wurde ihm soeben über seinen Knopf im Ohr mitgeteilt, belege derzeit 15 000 Server weltweit. Sind Verbotene-Liebe-Fans zu so etwas fähig?

18.34 Uhr: Nächster und letzter Ausflug ins Publikum. Ein Kindergärtner hat die richtige Antwort gewusst und, das ist ja nicht selbstverständlich, auch gedrückt. Pilawa ist so dankbar, dass er gleich noch kritisiert, wie unterbezahlt Kindergärtner seien.

18.36 Uhr: Pilawa hat genug. "Wenn du einen Hintern in der Hose hast", richtet er sich an den Verursacher dieses Desasters, "dann melde dich! Ich lade dich in die Sendung ein." Pilawa kann nur hoffen, dass es nicht einer von denjenigen war, die gar nicht am Fernseher sind.

18.38 Uhr: Eine der beiden Damen unter den vier Lehrern outet sich als Fan von Verbotene Liebe.

18.41 Uhr: Die Lehrerin, die Fan von Verbotene Liebe ist, beschwert sich, dass die Zuschauer im Studio ja auf einem kleinen Fernseher sehen könnten, wie die Kandidaten tippen, bevor sie sich selbst entscheiden. Pilawa geht darüber hinweg. Auch schon egal.

18.42 Uhr: Werbung. Mal wieder der Griff zum Smartphone. Wo gibt es denn ein schönes Rezept für Mettigel? Erste User schicken Fragen an Quizduell ein.

18.44 Uhr: "Willkommen zurück", sagt Pilawa und zieht ein erstes Fazit des Abends. Vor ein paar Monaten, sagt er, da habe man sich zusammengesetzt und beschlossen, man wolle mal was mit einer App machen. "Das haben wir jetzt davon."

18.49 Uhr: Es ist geschafft. Das Studio hat gewonnen - trotz Boykotts und Überläufern. "Der Versuch, eine App ins Fernsehen zu bringen, ging in die Hose", sagt Pilawa. Vielleicht komme ja ab morgen wieder Verbotene Liebe.

Weiterführende Links:

"Deutschland ist der größte Markt für uns": Im SZ-Interview erklärt der schwedische Quizduell-Erfinder Henrik Willstedt den Erfolg der App, wie er zu schlagen ist und was Rapper Sido damit zu tun hat.

"Wisch dir was": Wie die verschiedenen TV-Sender versuchen, die Internetgemeinde am Second Screen einzubinden. Eine Analyse von Laura Hertreiter und Jürgen Schmieder.

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