Liegt die Bezeichnung "durchgeknallt" noch im Rahmen der Meinungsfreiheit? Im neuen Prozess der ehemaligen Fürther Landrätin Gabriele Pauli gegen die Bild-Zeitung ist eine Entscheidung gefallen. Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet nein. Die Äußerung sei unter den gegebenen Umständen als "ehrverletzend" zu verstehend, urteilte das Oberlandesgericht München. Die Begründung des Gerichts steht dabei noch aus.
Hintergrund der Diskussion ist eine 2007 erschienene Fotostrecke im Personality-Magazin Park Avenue, die Pauli in aufreizenden Posen und mit Latexhandschuhen zeigt. Kurz nach der Veröffentlichung der Bilder bezeichnete Franz-Josef Wagner, der Chefkolumnist von bild.de*, die Fotos als "klassische Pornografie" und kommentierte, Pauli sei "eine durchgeknallte Frau". Die Politikerin klagte daraufhin vor Gericht, dass bestimmte Äußerungen des Meinungsartikels sie in ihren allgemeinen Persönlichkeitsrechten verletze.
Was folgte, war ein Rechtsstreit, der bis vor das Bundesverfassungsgericht ging. Während das Landgericht Traunstein Pauli im Mai 2012 in erster Instanz Recht gab und die Bezeichnung "durchgeknallt" als "unzulässige Schmähkritik" bezeichnete, gewann der Axel-Springer-Verlag einige Monate später in der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht. Gegen Jahresende hob das Bundesverfassungsgericht die vorherige Entscheidung wieder auf, die Sache wurde zurück an das Münchner Gericht verwiesen.
Das heute gefallene Urteil ist damit ein klarer Erfolg der ehemaligen CSU-Politikerin gegen den Axel-Springer-Verlag - auch gegen die Bezeichnung der Fotos als "Pornografie" hatte Pauli geklagt. Dies war jedoch laut Bundesverfassungsgericht durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Ebenso muss die Klägerin hinnehmen, dass die Latex-Fotos weiterhin veröffentlicht werden dürfen, da die Bilder Teil der Zeitgeschichte sind.
*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes wurde Franz-Josef Wagners Position bei bild.de mit "Chefredakteur" angegeben. Wagner ist Chefkolumnist.