Range Rover TDV6 im Test:Geschmeidige Trutzburg

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5,00 Meter lang, 2,07 Meter breit, 1,84 Meter hoch: Ein Range Rover beansprucht viel öffentlichen Verkehrsraum für sich. (Foto: Jaguar Land Rover)

Er ist groß und teuer, aber so bequem wie ein Chesterfieldsessel im Salon eines englischen Landhauses: Der Range Rover zeigt im Test kaum Schwächen. Sogar der Basismotor überzeugt. Nur ein Element erweist sich als antiquierter Fremdkörper.

Von Thomas Harloff

Ist es Erhabenheit, die dieser Range Rover ausstrahlt? Oder einfach nur Protz, Prunk und Prestige? An solchen Fragen scheiden sich die Geister, wenn es um sogenannte "Fullsize-SUVs" geht. Also jene Möchtegern-Geländegänger à la Mercedes GL, Audi Q7 oder Cadillac Escalade, die ihre Insassen mit Luxus und Kraft verwöhnen sollen, die meisten anderen Verkehrsteilnehmer jedoch mit schierer Größe einschüchtern oder gar zur Weißglut treiben. Auf manche wirken sie wie überflüssige Relikte einer längst vergangenen Zeit, und trotzdem sind sie so erfolgreich, dass ihre Hersteller nicht auf sie verzichten können - trotz drohender Millionenstrafen wegen schlechter CO2-Bilanzen.

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Doch der Range Rover ist anders als die erwähnten Konkurrenten. Und zwar nicht nur deshalb, weil er im Gelände eine überlegene Figur abgibt. Natürlich nimmt er im öffentlichen Verkehrsraum viel Platz weg. Ob er ihn verschwendet, hängt von der Betrachtungsweise ab. Der noble Brite ist seit seinem Debüt im Jahr 1970 von 4,45 auf fünf Meter gewachsen und hat je nach Motorisierung gut fünf Zentner an Gewicht zugelegt. Mit knapp 2,2 Tonnen Leergewicht ist der Range Rover fraglos ein automobiles Monstrum, doch ein VW Golf hat in seiner sich über sieben Generationen erstreckenden Karriere prozentual deutlich mehr an Länge und Masse zugelegt.

Wie der Salon eines englischen Herrenhauses

Das kann man als Erbsenzählerei oder "Äpfel-gegen-Birnen-Vergleich" abtun, aber Luxus schlägt sich nun mal auf das Gewicht nieder. Den bietet der Range Rover ab der ersten Kontaktaufnahme. Der Innenraum duftet wie der Salon eines englischen Herrenhauses. Wie das Leder eines über Jahrzehnte perfekt gepflegten Chesterfieldsessels schmiegen sich die weichen Tierhäute, mit denen die Range-Rover-Sitze überzogen sind, an den Körper der Passagiere.

Feines Leder, edle Hölzer: Der Innenraum des Range Rover kann voll überzeugen. Nur der antiquierte Touchscreen stört. (Foto: Jaguar Land Rover)

Das Lenkrad macht mit seinen großen Bedienfeldern zwar einen zerklüfteten Eindruck, lässt sich nach einer kurzen Orientierungsphase aber narrensicher bedienen. Das Armaturenbrett präsentiert sich umso aufgeräumter. Range-Rover-Neulinge finden sich hier ebenso schnell zurecht wie auf der Mittelkonsole, wo die Kommandozentralen für das Automatikgetriebe, die Gelände-Fahrmodi und das Fahrwerk liegen. Nur der Touchscreen, der als zentrales Bedienelement für Navigationssystem, Infotainment und dergleichen dient, erweist sich als Fremdkörper. Das seit Jahren aus diversen Jaguar- und Land-Rover-Modellen bekannte Modul ist weder funktional noch ästhetisch ansprechend. Es ist einfach antiquiert und eines 102 605 Euro teuren Autos nicht würdig.

Es tut sich erstmal nichts

Ähnliches könnte man über den Basismotor denken, einen Turbodiesel mit lediglich sechs Zylindern. Beim Druck auf den Knopf, der das Triebwerk startet, könnte man sogar meinen, ein Elektromotor hätte sich unter die unendlich lange Fronthaube verirrt. Denn es tut sich erst mal nichts. Zumindest akustisch. Viele andere Diesel künden in diesem Moment lautstark mit einem harten Verbrennungsgeräusch von ihrem Motorenkonzept. Der V6-Selbstzünder gibt dagegen keinen Mucks von sich. Jedenfalls wirkt es so, denn im Range-Rover-Cockpit kommt in dieser Hinsicht rein gar nichts an. Nur Außenstehende vernehmen ein dezentes Dieselnageln.

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Es dauert nicht lange, bis ein Gefühl der Würde und Überlegenheit um sich greift. Die hohe Sitzposition bewirkt eine Art Vogelperspektive auf das Geschehen außerhalb dieser Trutzburg, die dank großer Fensterflächen erstaunlich übersichtlich ist. Das Luftfahrwerk plättet jede Art von Fahrbahnunebenheiten wie ein Ozeandampfer Meereswellen - kein Wunder, dass sich schnell der Entspannungsgrad einer Karibik-Kreuzfahrt einstellt. Dabei hilft der Stauassistent, der zum Modelljahr 2014 neu Einzug hielt: Im Stop-and-Go-Verkehr bremst und beschleunigt der Range Rover autark, und zwar mit dem gebotenen Sicherheitsabstand und ohne, dass den Beteiligten Angst und Bange werden muss. Ein gut funktionierender Vorgeschmack auf das autonome Fahren, dass schneller Realität sein wird, als es vielen lieb sein dürfte.

Und so schippern der Range Rover und seine Besatzung unaufgeregt durch die Lande, während die Sitze die geschundenen Rücken massieren. Fehlt nur noch, dass die Becherhalter frisch gekochten Tee in edlen Porzellantassen servieren.

Wenn es um Kurvendynamik geht, sorgt der neue Range Rover ebenfalls für Erstaunen. Natürlich fährt sich der Ozeandampfer nicht wie ein Powerboat, aber durchaus wie eine 20-Meter-Yacht. Der Brite ist deutlich agiler als sein Vorgänger, was angesichts der Gewichtsersparnis von fast einer halben Tonne, die zu einem Großteil auf das Konto der Vollaluminium-Karosserie geht, zwar gewünscht, aber in dieser Qualität keineswegs selbstverständlich war.

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Mitverantwortlich für das dynamische Wesen ist das stets von Sensoren überwachte Fahrwerk, das die Karosserieneigung in Kurven auf ein Minimum reduziert und die Dämpfer stufenlos so justiert, dass sie ideal auf die jeweilige Fahrsituation abgestimmt sind. Entsprechend spontan reagiert der Range Rover - im Vergleich zu anderen Autos dieser Größen- und Gewichtsklasse - auf Lenkbefehle, liegt unerschütterlich auf der Straße und verlässt die vorgegebene Linie nur dann untersteuernd, wenn der Fahrer die Limits der Physik verantwortungslos ausreizt.

Abschotten von der Welt da draußen

Für den Motor scheint das Wort "souverän" erfunden worden zu sein. Das Datenblatt berichtet beim Basistriebwerk mit der Bezeichnung "TDV6" von sechs Zylindern, drei Litern Hubraum und 258 PS. Doch wer den Durchzug dieses Turbodiesels erlebt, der stellt sich unweigerlich die Frage, wie erst die drei anderen, bis zu 510 PS starken Antriebe zu Werke gehen. Schaltet die famose Achtgang-Automatik des Zulieferers ZF beim Kickdown fast unmerklich zwei Gänge zurück und fällt die gesamte Drehmomentwucht von 600 Newtonmetern über die vier angetriebenen Räder her, schiebt der Range Rover mit Vehemenz der abgeregelten Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h entgegen und verharrt dort dann scheinbar mühelos.

Platz ohne Ende: Wer möchte, kann bis zu 2030 Liter Gepäck zuladen. (Foto: Nick Dimbleby; Jaguar Land Rover)

Ein Blick auf den Normverbrauch verspricht Genuss ohne Reue. 7,5 Liter bei einem großen, fast 2,2 Tonnen schweren SUV? Nun ja, die Gesetze der Physik kann auch der Range Rover nicht nach Belieben aushebeln. Während des Tests genehmigte sich der TDV6-Motor durchschnittlich 9,8 Liter.

Ist das nötig, wo es doch so viele kleinere und sparsamere Autos gibt? Sicherlich nicht. Aber wer diesen Range Rover einmal gefahren ist, kann sich vorstellen, warum er bei denen, die ihn sich leisten können, so beliebt ist. Dieses Auto ist wie ein Abend im englischen Landhaus, dessen dicke Wände für wohlige Wärme sorgen und das knackende Kaminfeuer den an die Fenster prasselnden Regen übertönen. Es kann ja so angenehm sein, sich abzuschotten. Das reale Leben holt uns früh genug wieder ein.

Technische Daten Range Rover 3.0 TDV6 HSE:

V6-Turbodieselmotor mit 3,0 Litern Hubraum; 190 kW (258 PS); max. Drehmoment: 600 Nm bei 2000/min; Leergewicht: 2160 kg; Kofferraum: 550 - 2030 l; 0 - 100 km/h: 7,9 s; Vmax: 210 km/h; Testverbrauch: 9,8 l / 100 km (lt. Werk: 7,5 l; CO2-Ausstoß: 196 g/km); Euro 5; Grundpreis: 91 300 Euro

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