Ermittlungen wegen Kinderpornografie-Besitz:Edathys Verteidigungskampf

Sebastian Edathy SPD

Aus Sicht Edathys gibt es neue Zweifel an der Zulässigkeit der Ermittlungen.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy greift das Parlament an: Auf Verbindungsdaten seines Dienst-Laptops zuzugreifen sei rechtswidrig gewesen. Die Bundestagsverwaltung sieht das anders.

Von Hans Leyendecker, Tanjev Schultz und Robert Roßmann, Berlin

Sebastian Edathy und sein Anwalt Christian Noll wehren sich mit allen Mitteln gegen die Ermittlungen im Fall des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten. Sie wollen beim Landgericht Hannover eine weitere Beschwerde gegen die im Februar erlassenen Durchsuchungsbeschlüsse einreichen. Mit einer ersten Beschwerde war Edathy im April gescheitert. Sie bezog sich auf die Frage, ob es überhaupt einen Anfangsverdacht gab, der die Durchsuchungen von Edathys Büro- und Privaträumen rechtfertigte. Nach dem Scheitern dieser Beschwerde reichte Edathy eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Nun folgt der nächste Schritt im Verteidigungskampf.

Aus Sicht Edathys gibt es neue Zweifel an der Zulässigkeit der Ermittlungen. So hält sein Anwalt den Zugriff auf die Verbindungsdaten von Edathys Dienst-Laptop im Bundestag für rechtswidrig. Es fehle dafür eine gesetzliche Grundlage. Noll verweist dabei auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung; ein Zugriff auf gespeicherte Daten soll demnach nur bei schweren Straftaten erlaubt sein. Im Falle Edathys träfe dies nicht zu, da der ihm zur Last gelegte Abruf kinderpornografischer Abbildungen nicht als schwere Straftat gelte. Außerdem verstoße die Abfrage von Edathys Daten gegen eine parlamentsinterne Vorschrift, wonach Daten höchstens drei Monate lang gespeichert werden sollen.

Streit um Zulässigkeit der Datenauswertung für Verteidigung besonders wichtig

Bei der Auswertung der Verbindungsdaten von Edathys Dienst-Laptop im Bundestag wollen die Ermittler den Aufruf eindeutig kinderpornografischer Bilder aus dem Internet festgestellt haben. Dies soll im November vergangenen Jahres geschehen sein. Da Edathy seinen Laptop Ende Januar als gestohlen gemeldet hatte, war die Rekonstruktion nur mit den alten Verbindungsdaten des Bundestags möglich. Da der Fund Edathy offenbar erheblich belastet, ist der Streit um die Zulässigkeit der Datenauswertung für seine Verteidigung besonders wichtig.

In den Akten der Ermittler befinden sich angeblich auch Screenshots von E-Mails Edathys aus dem Bundestagsbetrieb, die zum Teil vier Jahre alt sind. Für Edathys Anwalt ergibt sich daraus der Verdacht, die Ermittler könnten auch auf die sensible Korrespondenz zum NSU-Untersuchungsausschuss zugegriffen haben, dessen Vorsitzender Edathy war.

Die "Beschlagnahme sämtlicher abgespeicherter Informationsdaten, die unter Kennung des Beschuldigten auf den Rechnern des Deutschen Bundestages vorhanden sind" war am 17. Februar von einem Gericht in Hannover angeordnet worden. Das war die Grundlage für den Zugriff auf die beim Bundestag gespeicherten Daten Edathys. Vom 26. bis 28. Februar sowie am 13. und 14. März waren dann Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Hannover und des niedersächsischen Landeskriminalamts im Bundestag und stellten Daten sicher.

Nach Angaben des Bundestags lassen sich die Vorwürfe des Anwalts jedoch leicht entkräften. Die Speicherung von Verbindungsdaten sei in der "Dienstvereinbarung über die Nutzung elektronischer Medien am Arbeitsplatz" geregelt. Darin heiße es, die Löschung der Daten erfolge "im Regelfall nach drei Monaten". Es sei also keineswegs erstaunlich, dass die Ermittler bei ihren Durchsuchungen im Februar und März noch auf Verbindungsdaten von November hätten stoßen können. Außerdem erlaube die Dienstvereinbarung die Auswertung der Daten, wenn "konkrete Anhaltspunkte für Verstöße" durch Nutzer bekannt würden. Als ein möglicher Verstoß gegen die Vereinbarung wird in Paragraf 4 sogar ausdrücklich das Abrufen pornografischer Abbildungen genannt.

Ermittler durften nur unter Aufsicht die Daten durchsuchen

Auch das Entdecken einer vier Jahre alten E-Mail ist nach Ansicht der Bundestagsverwaltung nicht überraschend. Schließlich würden im Parlament nicht nur die Verbindungsdaten gespeichert, sondern alle Daten in sogenannten Backups gesichert. Auch dabei gilt eine Drei-Monatsfrist. Wenn ein Abgeordneter eine Mail nicht löscht, sondern weiter in seinem Postfach aufbewahrt, wird diese im Rahmen der Datensicherung auch immer wieder in einem Backup gespeichert und ist selbst dann noch greifbar, wenn sie vier Jahre alt ist.

Der Bundestag weist auch den Vorwurf zurück, Daten Edathys, die nichts mit dem Verfahren zu tun haben, zu wenig geschützt zu haben. Der Sprecher des Parlaments wies darauf hin, dass es einen Durchsuchungsbeschluss gegeben habe. Außerdem habe sich vor der Durchsuchung der dafür zuständige Bundestagsausschuss mit der Angelegenheit befasst und die Durchsuchung nur unter strengen Auflagen erlaubt. Unter anderem durften die Ermittler lediglich unter Aufsicht eines Fraktionsvertreters und eines Mitarbeiters der Bundestagsverwaltung die Daten durchsuchen - eben, um Unterlagen wie die zum NSU-Ausschuss vor dem Zugriff zu schützen.

In seiner neuen Beschwerde will Edathys Anwalt aber auch auf den Umstand eingehen, dass Edathy am 10. Februar, als die ersten Durchsuchungen in seinen Privaträumen liefen, noch die Immunität eines Bundestagsabgeordneten genossen habe. Die Staatsanwaltschaft Hannover erklärte dazu, sie könne keine Rechtsverletzung erkennen. Auch die niedersächsische Justizministerin sieht die Ermittlungen deshalb nicht gefährdet. Ministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) sagte, die bei den Durchsuchungen gewonnenen Erkenntnisse könnten auch dann verwertet werden, wenn Edathy damals noch Immunität gehabt hätte. Sie berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

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