Abschied von Christian Ude:Wehmut und warnende Worte

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Christian Ude kritisiert bei seiner Abschiedsfeier das Chaos in der Stadtpolitik - und seinen Nachfolger. Die Münchner SPD steht vor einer Zerreißprobe.

Von Dominik Hutter, Christian Krügel, Silke Lode und Melanie Staudinger, München

Der frühere Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hat sich mit ungewöhnlich deutlicher Kritik an seinem Nachfolger in den Ruhestand verabschiedet. Bei einer Festveranstaltung im Deutschen Theater mahnte der 66-Jährige Glaubwürdigkeit in der Stadtpolitik an. "Das halte ich für aktueller denn je." Jeder müsse bedenken, was er vor der Wahl gesagt habe - eine Aussage, die im Saal auch als Anspielung auf den Bruch zwischen SPD und Grünen verstanden wurde, die beide eine Fortsetzung des Bündnisses angekündigt hatten.

Ude, in dessen Rede der Name Dieter Reiter kein einziges Mal vorkam, versicherte, auf jede politische Einflussnahme per Bürgerentscheid zu verzichten. Mit der genüsslich nachgereichten Einschränkung: "So lange im Rathaus vernünftige Politik gemacht wird."

Ude ging bei seiner Kritik an der aktuellen Situation im Rathaus nicht mit dem Holzhammer vor, sondern verpackte seine Bemerkungen geschickt. So hob er bei seiner Danksagung ausdrücklich Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle als dienstältesten Stadtminister hervor - um hinzuzufügen, dass es zu den Errungenschaften der vergangenen Jahre gehöre, diese Behörde aus "parteipolitischen Machtspielchen" herausgehalten zu haben.

Ude sollte zwischen SPD, CSU und Grünen vermitteln

Das KVR sei unter seinem parteilosen Referenten zu einem "Hort der Liberalität" geworden. An dieser Frage waren am Dienstag die schwarz-rot-grünen Bündnisverhandlungen gescheitert: Die Grünen hatten nicht mittragen wollen, dass die Ordnungsbehörde an die CSU gehen soll.

Ein bisschen Wehmut schwang in Udes Worten mit. So habe er gelegentlich im Wahlkampf mit seinem langjährigen Freund, dem grünen Bürgermeister Hep Monatzeder, gefrotzelt, ob man sich dereinst ans letzte Vierteljahrhundert als die gute alte Zeit zurückerinnern werde. "Wir haben nur nicht gedacht, dass das schon so früh anfängt." Ude betonte die Bedeutung einer sozialen und ökologischen Politik für München - auch dies ein klares Plädoyer für das rot-grüne Bündnis, das nun nach 24 Jahren beendet ist.

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Mehr als 20 Jahre war Christian Ude Oberbürgermeister von München. Klar, dass das gefeiert werden muss - und zwar mehrfach. Von den Bürgern hat sich Ude schon verabschiedet - nun war die Politprominenz dran. Dabei gab es einen unschönen Zwischenfall.

Ude galt stets als wichtiges Scharnier zwischen den beiden Partnern. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hatten die Grünen den Alt-OB daher Anfang der Woche gebeten, in den festgefahrenen Koalitionsverhandlungen zwischen ihnen, der SPD und der CSU zu vermitteln. Bereits unmittelbar vor und nach der Wahl im März hatten demnach Sabine Nallinger und führende Grüne vorgeschlagen, Ude als Vermittler zu Gesprächen hinzuziehen. Das stieß aber auf keine Gegenliebe bei den anderen Parteien.

Kein Kommentar von Dieter Reiter

Als am Montag und Dienstag die Gespräche in eine Sackgasse geraten waren, riefen die Grünen erneut Ude zu Hilfe. Der bestätigt, dass er zur Verfügung gestanden hätte, "hätte sich auch die andere Seite gemeldet" - sprich die SPD. Dazu kam es aber nicht. Bei SPD-Chef Hans-Ulrich Pfaffmann hört sich das anders an: Ude habe eine Mitwirkung gleich zu Beginn abgelehnt. Von SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter hieß es am Freitag zu Udes Vorwürfen nur: kein Kommentar.

Auch an der SPD-Basis brodelt es kurz vor dem Parteitag am Montag gewaltig, und Ude bezweifelt, dass sich problemlos eine Mehrheit für das Bündnis mit der CSU finden lässt. Andere führende Politiker haben bereits angekündigt, bei der Versammlung die Kooperationsvereinbarung mit der CSU abzulehnen. Die Jusos wettern seit Wochen gegen ein Bündnis mit der CSU und fordern einen Mitgliederentscheid. Die Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen zeigt sich unzufrieden. "Das werden heiße, lange Diskussionen am Montag", sagt Andreas Lotte, Vorstandsmitglied und Landtagsabgeordneter.

In die Kritik gerät vor allem Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann. Der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn etwa moniert, dass das veröffentlichte Koalitionspapier inhaltlich von der Version abweiche, die der SPD-Gesamtvorstand zuvor abgesegnet habe. Der Straßenbau sei deutlich aufgewertet worden, aus dem Kampf gegen Rechtsextremismus sei ein Engagement gegen Extremismus allgemein geworden.

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Der Verzicht auf das von der CSU geforderte kommunale Wohngeld sei gestrichen. Zudem erhalten die Christsozialen nun wohl auch das Referat für Umwelt und Gesundheit. Pfaffmann räumte auf Nachfrage nur sprachliche Verbesserungen ein. Bis Montag soll es weitere Konkretisierungen geben, etwa im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. "An der Grundausrichtung aber ändert das nichts", sagte er.

Unmut gibt es auch wegen des plötzlichen Bruchs mit den Grünen, den viele Genossen nicht verstehen. Die stellvertretende SPD-Chefin Isabell Zacharias plädiert noch immer dafür, die Koalition aus SPD, Grünen und Rosa Liste fortzusetzen. "Sich bei Bedarf zwei oder drei Stimmen von anderen zu holen, ist doch schaffbar", sagt sie. Reiter müsse nur mehr Mut beweisen. Und vor allem sollte er vor Montag noch einmal mit den Grünen sprechen.

Mehrere SPD-Politiker schildern zudem den Eindruck, dass einige Genossen Reiter nicht zu viel Macht gönnen. Sie beschreiben einen Gegenpol, der sich in den vergangenen Wochen um den bisherigen Fraktionschef Alexander Reissl und Christine Strobl gebildet habe. Die beiden hätten auf ein reines rot-schwarzes Bündnis gedrängt, da die SPD so mehr Posten für sich retten konnte, vor allem das Bürgermeisteramt für Strobl. Unterstützung habe das Duo vor allem in dem Moment bekommen, als viele Genossen den drohenden Machtverlust bei den Bürgermeisterposten realisierten.

© SZ vom 17.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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