BMW X4 und Vierer Gran Coupé:Mitten rein in die Nische

BMW X4

Der BMW X4 kommt mit sechs Motoren auf den Markt und kostet mindestens 45 600 Euro.

(Foto: UWE FISCHER; BMW)

Mit dem neuen X4 und dem Vierer Gran Coupé verfeinert BMW seine Modellpalette weiter. Beide Neulinge setzen auf Design und Individualität und sind damit vor allem für Fans der Marke interessante Alternativen.

Von Jörg Reichle, Bilbao

Vielleicht erinnern sich manche. Es war 1969, als der SPIEGEL über einen Mann berichtete, der dabei war, BMW aus finstersten Tälern zu neuen Höhen zu führen. "Seit Paul G. Hahnemann im Herbst 1961 als Verkaufschef in den Vorstand aufrückte," hieß es da unter anderem, "fährt BMW schneller als die gesamte Konkurrenz". Um ins große Geschäft zu kommen, wandte er eine "neue Strategie an", wie das Magazin damals bewundernd schrieb. "Zwischen den Typenprogrammen der Großen spürte Hahnemann 'Marktnischen' auf, in die er mit handlichen, sportlichen Limousinen vorstieß. Ihr aufwendigen Fahrwerke und Hochleistungsmotoren wurden rationell nach dem Baukastenprinzip gefertigt." Gottvater Franz-Josef Strauß nannte Hahnemann fortan Nischen-Paul.

Wie sich die Zeiten gleichen. Heute, fast ein halbes Jahrhundert später, ist die Nische wieder in aller Munde im Automobilbau. Nur, dass die nicht nur bei der Konkurrenz aufgespürt wird, sondern zunehmend im eigenen Modellprogramm. Die Folge: auch noch auf die kleinste Zielgruppe in der Käuferschaft wird mit einer eigenen Variante reagiert. Die Kunden freut das, den Hersteller auch, denn so lässt sich am einfachsten Wachstum erzielen. Auf der anderen Seite verlieren Baureihen dadurch ein Stück weit ihre Identität. Nicht nur bei BMW natürlich, aber eben auch. Oder können Sie auf der Autobahn heute noch spontan erkennen, welches Modell welcher Reihe Sie gerade vor sich haben?

Größere Brüder ebnen den Weg

Jüngstes Beispiel für die grassierende Nischeritis sind das Vierer Gran Coupé und der X4. Beide sind neu im Programm und beide verdanken ihre Existenz dem Erfolg größerer Brüder. Vom X6 haben die Bayern seit 2008 stolze 260 000 Stück verkauft - ungeachtet der Kritik, die dem provokant auftretenden SUV zumindest anfangs entgegenschlug. Vom Sechser Gran Coupé, an eigenständiger Eleganz dem jetzigen Vierer klar überlegen, gingen im vergangenen Jahr 16 000 weg, wie Entwicklungsvorstand Herbert Diess anlässlich der Neuheitenpräsentation im spanischen Bilbao gerade stolz bilanzierte.

Das BMW Vierer Gran Coupé

Das BMW Vierer Gran Coupé startet Mitte Juni mit fünf Motoren und zu Preisen ab 37 000 Euro.

(Foto: dpa-tmn)

Für Diess jedenfalls ist der Mehrwert des Gran Coupé gegenüber dem zweitürigen Vierer, mit dem er Technik, sämtliche Karosseriemaße und den Radstand teilt., offenkundig: "Es ist die Verbindung von Eleganz und Praktikabilität". Letztere bestehe nicht nur aus den beiden zusätzlichen Türen und der etwas höheren Dachlinie. Auch der Kofferraum bietet mehr - das Fassungsvermögen erreicht immerhin bis zu 1300 Liter, bei vollständig umgeklappter, dreifach geteilter Rückbank wohlgemerkt.

Fünf Motoren von 143 bis 306 PS

Mühelos erreichbar ist das Ganze durch eine elektrisch öffnende und schließende Heckklappe, die wahlweise auch berührungslos per Fußbewegung funktioniert. Zum Thema Praktikabilität ließe sich ergänzen, dass es sich auch hinten auf Einzelsitzen erfreulich sitzen lässt, bis gut 1,85 Meter Körpergröße sogar ohne ernsthaften Dachkontakt des Oberstübchens.

Zur Markteinführung hat man die Wahl unter fünf Motoren, angefangen beim Top-Modell 435i (306 PS, ab 47 800 Euro), über den 428i (245 PS, ab 41 100 Euro) und den 420i (184 PS, ab 35 750 Euro). Die beiden Diesel-Vierzylinder sind der 420d (184 PS, ab 39 200 Euro) und der 418d am Fuß der Preispyramide (143 PS , ab 37 000 Euro). Alle Modelle sind auch mit Allradantrieb zu bekommen, geschaltet wird in allen Varianten per Sechsgang manuell oder mit dem Achtgang-Steptronic-Getriebe.

Typisch BMW, typisch Vierer

Die Frage, wie sich das neue Gran Coupé fährt, ist im Grunde müßig. Antwort: Wie das Vierer Coupé im Speziellen und wie ein typischer BMW im Allgemeinen. Auch hier finden wir dieses präzise und gleichzeitig lässig geschmeidige Zusammenspiel von Antrieb, Fahrwerk und überhaupt sämtlichen fahraktiven Funktionen, wie es sie sonst im Grunde nur noch Porsche hinbekommt. Im Falle BMW dirigiert der Fahrer von einem ergonomisch tadellosen Arbeitsplatz aus, dem man allenfalls vorwerfen könnte, er habe in Sachen Verarbeitung und Materialanmutung noch immer nicht das Niveau von Audi erreicht - trotz unverkennbarer Verbesserungen.

Was den neuen X4 angeht, so verlangt die Kombination einer coupéhaft flachen Dachlinie mit dem kräftigen Corpus eines SUV einen dezidierten Geschmack und ist naturgemäß nicht jedermanns Sache. Dennoch hat der X4 den designerischen Teil seiner Aufgabe mit einem prägnanten Gesicht und der strukturierten Flanke nicht übel gelöst, auch wenn das hohe Heck eben nicht wegzuzeichnen war. Abgesehen davon, dass die Sicht nach hinten miserabel ist. Nicht ohne Grund bietet BMW die Einparkhilfe serienmäßig an.

Technisch beruht der X4 auf dem X3, betont aber den sportlichen Charakter - unter anderem durch serienmäßige Ausstattung wie Allradantrieb, variable Sportlenkung, Performance Control, 18-Zoll-Alus, Xenon und LED-Nebelscheinwerfer. So liegen unterm Strich die sechs Modelle (20i, 28i,35i,20d, 30d,35d) beginnend ab 45 600 Euro im Durchschnitt nur etwa 1000 Euro über dem vergleichbaren X3-Modell. Nicht schlecht für so viel Individualität, mag sich mancher sagen.

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