Verkehrsprojekte der Rathauskoalition:Geldfluss in den Untergrund

U-Bahn in München, 2013

U-Bahn in München, hier am Scheidplatz.

(Foto: Jakob Berr)

SPD und CSU wollen den U-Bahn-Verkehr stark ausbauen. Doch was wird dann aus den anderen Projekten, etwa der zweiten Stammstrecke? Fachleute finden, dass die schwarz-rote Koalition falsche Prioritäten setzt.

Von Marco Völklein

Die U 5 wird nach Pasing verlängert, ebenso die U 4 nach Englschalking und darüber hinaus. Und die von der Stadtverwaltung bereits ad acta gelegte U-Bahn-Spange im Münchner Norden soll zumindest "neu bewertet" werden. Das alles umfasst das verkehrspolitische Konzept der neuen schwarz-roten Rathauskoalition.

Aus Sicht vieler Fachleute aus der Münchner Nahverkehrsszene allerdings setzen CSU und SPD damit teils völlig falsche Prioritäten. Schlimmer noch: Sie gefährden sogar andere Projekte - unter anderem auch den geplanten zweiten Stammstrecken-Tunnel für die S-Bahn.

Mit offen formulierter Schelte tun sich die meisten Planer schwer, schließlich sind die Entscheider im Rathaus oft auch deren Vorgesetzte. Hinter vorgehaltener Hand aber wird teils heftige Kritik geäußert, von vielen Seiten. "Das wirkt alles wie mit sehr heißer Nadel gestrickt", sagt zum Beispiel ein hochrangiger Planer.

Bei den Koalitionsgesprächen hat keine Seite dieses Thema angeschnitten

"Sämtliche Dissenspunkte wurden ausgeklammert." Beispielsweise die seit Langem geplante, aber von der CSU heftig bekämpfte Tramstrecke durch den Englischen Garten, welche nahezu alle Nahverkehrsexperten als äußerst sinnvoll bewerten. Die Trasse von Bogenhausen nach Schwabing würde zudem "erheblich zur Entlastung des Zentrums beitragen", ergänzt ein anderer.

Bei den Koalitionsgesprächen allerdings hatte keine Seite dieses Thema auch nur angeschnitten - offenbar noch nicht einmal die ansonsten Tram-begeisterten Grünen. "Das ist äußerst schade", sagt ein Fachmann. Ähnlich sei es mit weiteren Tram- oder Bahnverbindungen ins Umland.

Manche Experten befürchten sogar, dass die zweite Stammstrecke gefährdet sein könnte, sollte die Stadt tatsächlich die U 5 nach Pasing verlängern. Denn dann könnte die Wirtschaftlichkeit der zweiten S-Bahn-Röhre unter den kritischen Wert rutschen, bis zu dem der Bund einen finanziellen Zuschuss gewähren darf. Fahrgastpotenziale in Laim und Pasing, die eigentlich den Nutzen des zweiten Tunnels befeuern, würden dann von der verlängerten U 5 "abgefischt".

Hochrangige Manager der Deutschen Bahn gehen zwar davon aus, dass dies die Stammstrecke nicht entscheidend schwächt; die größten (und entscheidenden) Kundenpotenziale kämen vor allem aus dem Umland. Andere Fachleute verweisen allerdings darauf, dass eine Berechnung "Stammstrecke plus U 5" noch gar nicht erstellt wurde. Die Frage müsste also erst noch geklärt werden.

Verkehrsprojekte der Rathauskoalition: So stellt sich die CSU die Zukunft in Pasing vor: In einer Montage haben die Christsozialen einen U-Bahn-Zugang vors Einkaufszentrum platziert.

So stellt sich die CSU die Zukunft in Pasing vor: In einer Montage haben die Christsozialen einen U-Bahn-Zugang vors Einkaufszentrum platziert.

(Foto: oh)

Schwarz-Rot ignoriert alte Studien

Dazu allerdings bleibt den Planern kaum Zeit angesichts der vielen zusätzlichen Aufgaben, die Schwarz-Rot ihnen nun aufbürden will. So wurde etwa die U-Bahn-Spange im Münchner Norden zwischen U 2 und U 6 bereits mehrfach untersucht. Ergebnis: Der Bau einer solchen Spange ist nicht wirtschaftlich, eine Tram-Verbindung ist wesentlich sinnvoller, um unter anderem das Neubaugebiet auf dem Areal der ehemaligen Bayernkaserne anzubinden.

Schwarz-Rot indes ignoriert diese Studien komplett und setzt auf eine Neubewertung. "Was dabei rauskommen soll, ist mir ein Rätsel", sagt ein Planer. Die Werte zuletzt seien "unterirdisch" gewesen. "Weiter untersuchen kann man immer", ergänzt ein anderer. "Ich fände es aber fatal, wenn deswegen die raren Planungskapazitäten bei der Stadt nicht für die dringenden Projekte zur Verfügung stünden."

Ähnlich sieht es aus beim Geld: CSU und SPD könnten natürlich entscheiden, die U-Bahn-Spange im Norden ohne finanzielle Unterstützung von Bund und Freistaat zu bauen. Dann müsste die Stadt auch keine Rücksicht nehmen auf wirtschaftliche Berechnungen. Bei der U-5-Verlängerung nach Pasing hat die Koalition dies ja quasi bereits getan: Sie soll "unabhängig von der Zuschussfähigkeit" realisiert werden, entschieden die Koalitionäre.

"Wie wollen Sie denn da noch Fördermittel nach München lenken?"

Viele Fachleute ordnen dies aber als "ein grundfalsches Signal" ein. Die Stadt mache damit deutlich, dass sie auf finanzielle Unterstützung nicht angewiesen sei. "Wie wollen Sie denn da noch Fördermittel nach München lenken?", fragt einer. Zumal das Geld auch an anderer Stelle dringend gebraucht wird.

So hatte die SPD vor der Wahl betont, dass allein bei der MVG in den nächsten zehn Jahren 1,5 bis zwei Milliarden Euro für Modernisierungen nötig seien, beispielsweise für den Kauf neuer Fahrzeuge, den Bau neuer Werkstätten oder den Erhalt der bröckelnden Tunnel und Bahnhöfe.

Unglücklich sind viele Planer auch über die kryptische Aussage von Schwarz-Rot, eine Verlängerung der U 5 von Pasing nach Freiham müsse "ohne Zeitverzögerung machbar sein". Sie befürchten vielmehr, die Stadt werde dort viel Zeit und Arbeitskraft binden - für ein Projekt, das bei den zu erwartenden Fahrgastmengen "meilenweit" unter den Werten liegt, ab denen eine U-Bahn sinnvoll ist.

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