Formel 1 in Monaco:"Wie zwischen Senna und Prost"

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Teamkollegen und Rivalen: Die Mercedes-Piloten Lewis Hamilton (links) und Nico-Rosberg.

(Foto: AFP)

Formel-1-Pilot Nico Rosberg glückt beim Großen Preis von Monaco ein wegweisender Erfolg, clever ringt er seinen Mercedes-Kollegen Lewis Hamilton nieder. Der wird allerdings von einem kuriosen Problem behindert - und verspricht dem Rivalen eine legendäre Auseinandersetzung.

Von René Hofmann, Monte Carlo

Lewis Hamilton schimpfte. Lewis Hamilton jammerte. Und wenige Runden vor dem Ziel setzte er einen kuriosen Funkspruch ab: "Ich kann nichts sehen! Ich habe Schmutz im linken Auge!" Es war der Moment, in dem sich der 61. Formel-1-Grand-Prix von Monaco entschied.

Gut 60 Runden lang hatte Hamilton zuvor seinen Mercedes-Kollegen Nico Rosberg gejagt. Er hatte versucht, ihn in einen Fehler zu treiben. Er hatte versucht, sich über motzige Funksprüche an den Kommandostand einen taktischen Vorsprung zu verschaffen. Er hatte Rosberg keine Zehntelsekunde aus den Augen gelassen. Erst als er nicht mehr richtig sah, konnte Rosberg davonziehen, zu seinem zweiten Sieg im Fürstentum nach 2013 und seinem zweiten Triumph in diesem Jahr. Und zurück zur Führung in der WM. 122 zu 118 Zähler - so lautet der Zwischenstand nach sechs von geplant 19 Rennen.

"Juhu, yes! Danke euch alle! Dieses Auto ist phantastisch", rief Rosberg, als er die Zielflagge passierte, der fünfte Mercedes-Doppelerfolg nacheinander feststand und ihm mitgeteilt wurde, wer die Plätze hinter ihm und Hamilton belegt hatte: Daniel Ricciardo (Red Bull), Fernando Alonso (Ferrari) und Nico Hülkenberg (Force India). "Das ist ein ganz besonderer Tag. Lewis hat mich die ganze Zeit unter Druck gesetzt, aber ich bin cool geblieben", sagte Rosberg, nachdem der Champagner verspritzt war.

Hamilton wäre der Szene gerne entkommen, wurde von nachdrücklichen Helfern aber an der Flucht gehindert. Gelangweilt lehnte er sich an die Tafel mit der Nummer 1, hinter der Rosbergs Auto stand, bevor er von Sherlock-Holmes- Darsteller Benedict Cumberbatch befragt wurde. Sein Fazit: "Ein guter Tag. Wir haben Platz eins und zwei belegt. Auf dieser Strecke ist es einfach schwer zu über- holen." Mehr als Hamiltons Worte verriet Hamiltons Körpersprache: Er war alles andere als zufrieden.

Weder den Start, noch eine frühe Safety-Car-Phase (Sergio Perez war mit seinem Force India bereits im ersten Umlauf an Jenson Buttons McLaren geraten) hatte er nutzen können, um Nico Rosberg die Führung abzujagen. Auch in Runde 26, nachdem Adrian Sutils Sauber am Ausgang des Tunnels ins Schleudern geraten und gegen die Leitplanken geprallt war, konnte Hamilton den zweiten fliegenden Neustart nicht nutzen, um vorbeizukommen. Eine Attacke im Endspurt blieb aus, weil er zu weit zurückgefallen war, solange er wegen der Augenprobleme als Zyklop unterwegs gewesen war.

"Es knistert heftig"

"Nico war von Anfang bis Ende einfach perfekt unterwegs. Lewis knapp dahinter. Besseren Motorsport können wir nicht bieten", resümierte Niki Lauda in seiner Funktion als Aufsichtsrats-Chef des Mercedes-Formel-1-Teams. Auch Laudas Chef war zufrieden. Dieter Zetsche, der Vorstandsvorsitzende des Daimler-Konzerns, hat offenbar Gefallen am Gewinnen gefunden: Wie zwei Wochen zuvor in Barcelona fieberte er auch in Monte Carlo an der Strecke mit und stellte die Diagnose: Ein bisschen knistere es zwischen Hamilton und Rosberg nicht. "Es knistert heftig." Das aber könne gar nicht anders sein. Zetsche: "Die beiden kämpfen um den Titel. Da werden sie sicher nicht Arm in Arm durch die Boxengasse gehen."

Das Gegeneinander hatte sich am Samstag weiter aufgeheizt. Senna gegen Prost: Diese Formel gilt als Superlativ, wann immer es um Rivalitäten zwischen Rennfahrern geht. Der Brasilianer war dem Franzosen im Titelkampf einst mit Ansage ins Auto gefahren. Auf diese Ebene hatte Hamilton seinen Kampf gegen Rosberg am Samstag gehoben. "Mir gefällt, wie Senna das gelöst hat", sagte Hamilton, der sichtlich verbittert darüber war, wie Rosberg die Pole Position an sich gerissen hatte. Die Startposition ist wichtig in Monte Carlo. Auf dem engen Kurs bieten sich wenige Überholmöglichkeiten. Der begehrte Platz war nach der Qualifikation Rosberg zugesprochen worden - allerdings erst nach einer Untersuchung der Rennkommissare.

Hamilton war nicht davon abzubringen: Rosberg habe ihn reingelegt

Die Gesandten des Automobilweltverbandes hatten sich eine Szene noch einmal angeschaut, die sich wenige Minuten vor dem Ende des letzten Qualifikationsdurchgangs ereignet hatte. In der Mirabeau-Kurve, die am Ende der kurzen Gerade nach dem Casino nach rechts hinunter zum Meer führt, hatte Rosberg sich verbremst. Sein Mercedes war ins Schwänzeln geraten - und um Kontakt mit den Leitplanken zu vermeiden, hatte der Deutsche sein Gefährt in einen Notausgang gelenkt.

Dort stand Rosberg und hatte keine Chance mehr, eine noch bessere Rundenzeit hinzubekommen. Allerdings: Weil er in dem Moment die Zeitenliste anführte, war das gar kein Nachteil. Und weil Hamilton, sein einziger ernster Gegner auf der Jagd nach der Tagesbestzeit, hinter ihm fuhr, war der Ausrutscher sogar ein Vorteil. Gelbe Flaggen wurden geschwenkt. Hamilton musste vom Gas - und war um die Chance gebracht, zum fünften Mal in diesem Jahr die Pole Position zu erobern.

Was Hamilton von der Aktion hielt, war überdeutlich zu sehen. Kaum aus dem Auto hatte er die Sonnenbrille schon aufgezogen. Beim Foto der drei Qualifikationsschnellsten schaute Hamilton ebenso demonstrativ geradeaus wie auf der anschließenden Pressekonferenz. Seine Antworten: einsilbig. Er habe gewusst, "in der letzten Runde zählt es". Bis zu den gelben Flaggen sei er "auf Kurs" gewesen. Für das, was dann geschehen sei, habe er "keine Antwort".

Offenbar unterstellte er Rosberg das Gleiche, was die Rennkommissare 2006 Michael Schumacher an gleicher Stelle attestiert hatten: Dass er sein Auto absichtlich von der Ideallinie gelenkt hatte, um die Rivalen zu blockieren. Obwohl Rosberg nach Kräften das Gegenteil behauptete ("Das ist eine schwierige Kurve") und nicht ungewichtige Fürsprecher im Team fand (Sportchef Toto Wolff: "Absicht? Totaler Schwachsinn!") und Niki Lauda am morgen vor dem Rennen extra noch einen Erklärungsversuch unternahm - Hamilton war offenbar nicht davon abzubringen: Rosberg habe ihn reingelegt. Nur eines nahm er nach dem Rennen zurück: Der Senna-Spruch sei ein Witz gewesen.

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