Papst im Heiligen Land:Jede Geste zählt

Papst im Heiligen Land: Papst Franziskus umarmt den Rabbi Abraham Skorka und den Imam Omar Abboud vor der Klagemauer in Jerusalem.

Papst Franziskus umarmt den Rabbi Abraham Skorka und den Imam Omar Abboud vor der Klagemauer in Jerusalem.

(Foto: AFP)

Papst Franziskus beweist auf seiner Reise nach Israel und in die Palästinensergebiete ein untrügliches Gespür für Symbolik. Auch seine Freundlichkeit vermag er gezielt einzusetzen.

Von Andrea Bachstein, Jerusalem

Am Montagmorgen erfüllt sich der Papst in Jerusalem einen Traum, und auch den seines Freundes, des Rabbiners Abraham Skorka aus Buenos Aires: Sie umarmen sich, wie sie es sich schon so lange gewünscht haben, vor der Klagemauer, und nehmen auch den anderen Freund aus Argentinien in die Arme, den Muslim Omar Abboud, der den Papst ins Heilige Land begleitet hat.

Der Wind weht Franziskus die Mozzetta hoch, und der Schulterumhang legt sich wie beschützend von hinten um seinen Kopf. Die drei Religionen vereint an dieser Stätte, an der einst der Jerusalemer Tempel stand.

Da war noch alles in bester Ordnung, noch war kein schwarzer Rauch aufgestiegen.

Kurz nachdem der Papst auf dem Tempelberg den islamischen Großmufti getroffen hat, beweist Franziskus auch am letzten seiner drei Tage im Nahen Osten sein untrügliches Gespür für große Symbolik. Das Kuvert, das er in eine Spalte der Mauer gesteckt hat, enthält ein Gebet, wie es Brauch ist bei Juden an ihrer heiligen Stätte.

Das Vaterunser hat der Papst ausgesucht, in Spanisch von Hand aufgeschrieben. Und er wiederholt an der Klagemauer die Geste, mit der er am Sonntag in der Palästinenser-Stadt Bethlehem überrascht hatte, als er an der Sperrmauer betete, die Israel um die Palästinenser gezogen hat. Dabei legte er seine Hand auf die Wand.

Jede Geste zählt

Dass wirklich jede Geste zählt in diesem mühsamen Nebeneinander von Israelis und Palästinensern, bekommt er bei den Terminen bei Präsident Schimon Peres und Premier Benjamin Netanjahu zu spüren.

Es ist ohnehin eine besondere Reverenz, die Franziskus dem Staat Israel erweist, indem er als erster Papst am Grab des Zionismus-Vaters Theodor Herzl einen Kranz niederlegt. Auf dem Rückweg stoppt er überraschend am Denkmal für die Opfer palästinensischer Terroristen.

Nur ist diese Abweichung vom Programm nicht Franziskus' Idee, sondern offenbar Netanjahus. Er hatte auf einem Ausgleich für die Solidaritätsgeste in Bethlehem bestanden.

Papst achtet genau darauf, wie er seine Freundlichkeit austariert

Es fällt auf, wie genau der Papst seine Freundlichkeit tariert, als er in der Holocaust-Gedenkstätte dem Premier und dem Staatspräsidenten begegnet: ein knapper Händedruck für Netanjahu, und eine herzliche Umarmung für den Friedensnobelpreisträger Schimon Peres.

In der Halle mit der ewigen Flamme und dem Stein, unter dem die Asche von Holocaustopfern liegt, trifft Franziskus sechs Männer und Frauen, Überlebende der deutschen Judenvernichtung. Und ihre entsetzlichen Geschichten, die sie ihm kurz erzählen, erschüttern Franziskus. "Adam, wo bist du", zitiert er in seiner Meditation aus dem Buch Genesis das Kapitel vom Sündenfall im Paradies und bleibt minutenlang still am Pult stehen, wie um dem nachzuspüren, was er eben gesagt hat. Zu Peres, den er mit dem Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas zum gemeinsamen Friedensgebet nach Rom eingeladen hat, findet Franziskus einen guten Draht. Israels Präsident sagt, er erwarte viel vom Papst: "Ich glaube, Ihr Besuch und Aufruf zum Frieden wird in der Region ein Echo finden und beitragen, die Bemühungen um den Friedensprozess zwischen uns und den Palästinensern neu zu beleben." Das erste Echo jedoch fiel ganz anders aus als von allen erhofft. Zum Abschluss seines Besuchs zelebriert der Papst noch eine Messe im Abendmahlsaal auf dem Zionsberg. Jüdische Extremisten hatten schon vorher dagegen protestiert, die Sicherheitsvorkehrung sind deshalb besonders streng. Doch kaum hat der Papst den Zionsberg verlassen, da legen Unbekannte Feuer in der direkt neben dem Abendmahlsaal gelegenen Dormitio-Abtei, die von Kaiser Wilhelm II. gespendet worden war. Der Brand entwickelt sich hinter der Orgel im Chorraum und kann zum Glück von den Benediktiner-Mönchen der Abtei frühzeitig entdeckt werden. "Der oder die Brandstifter sind in die Krypta eingedrungen und haben die ganze Sicherheit zum Narren gehalten", sagt der Kloster-Sprecher Pater Nikodemus Schnabel. Der Papst ist da schon auf dem Rückflug nach Rom.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: