Austragungsorte für Olympia:Zu Gast beim Autokraten

Thomas Bach, IOC, Wladimir Putin, Olympische Spiele, Sotschi 2014

Wladimir Putin (li.), Russlands Präsident und Spiele-Ausrichter von Sotschi 2014, und IOC-Präsident Thomas Bach

(Foto: dpa)

Das IOC erlebt gerade, wie weltweite Demokratien sein Premiumprodukt, die Olympischen Spiele, zunehmend ablehnen. Dass als Konsequenz für 2022 wohl nur noch Almaty als Favorit gilt, kann keine Lösung sein.

Ein Kommentar von Johannes Aumüller

Als im Februar im Rahmen der olympischen Sause in Sotschi die Bewerberstädte für die Winterspiele 2022 ihre Konzepte präsentierten, fielen den Verantwortlichen des Kandidaten Almaty aus Kasachstan jede Menge gute Argumente ein.

Die Sportstätten seien zum Großteil schon gebaut; das Vorzeigeprojekt sei die berühmte Medeo-Eisschnelllaufbahn, auf der es früher zu zig Weltrekorden kam; zudem sei Almaty eine "City of Love", in der es viele Hochzeiten gebe. Und übrigens: Großer Widerstand aus der Bevölkerung gegen das Projekt Olympische Spiele sei nicht zu erwarten, eher große Unterstützung.

Bach begreift offenbar nicht, wie freie Gesellschaften denken

Wie schön fürs Internationale Olympische Komitee (IOC), dass es auf der Welt noch ein paar aufrechte Autokratien vom Schlage Kasachstans gibt, wo Menschenrechtsexperten zwar erhebliche Defizite bei der Einhaltung von Grundrechten monieren, Olympische Spiele allerdings noch hochwillkommen sind. Anders als in den demokratischen Teilen der Welt.

In Deutschland, der Schweiz und Schweden kam es wegen des Widerstandes aus der Bevölkerung erst gar nicht zu Kandidaturen. Beim Bewerber Oslo vernehmen sie in den Umfragen, dass die Bürger die Spiele nicht wollen, auch Teile der Regierung sehen das so. Und am Sonntag stimmten in Krakau fast 70 Prozent dagegen - gleichbedeutend mit dem Ende der Kandidatur.

Die Argumente sind stets gleich: Die Spiele sind zu gigantisch und zu teuer, Deals mit dem dubiosen IOC zu intransparent; in Krakau kam noch eine Affäre um die Chefin des Organisationskomitees hinzu. Winterspiele in der aktuellen Form will die Mehrheit in diesen Staaten nicht mehr - und als Konsequenz bleibt dem IOC für 2022 wohl nur, zwischen Almaty, Peking und Lemberg zu wählen.

Den Herren der Ringe kann das nicht gefallen. Nicht, dass es dort Bedenken geben würde, mit schlecht beleumundeten Nationen zusammenzuarbeiten. Aber angesichts der Sotschi-Aufregungen und der anstehenden Retorten-Spiele 2018 in Pyeongchang würde das IOC 2022 gern mal wieder in ein klassisches Wintersportland gehen. Bezeichnenderweise war IOC-Chef Thomas Bach jüngst höchstselbst auf einer Art Werbetour in Norwegen, um die Stimmung zu drehen.

Zudem ist nun immer von der Agenda 2020 die Rede, mit der sich demnächst ja vieles ändern soll. Doch nichts deutet darauf hin, dass der "Reformprozess" substanzielle Folgen hat. Manche Äußerung legt gar den gegenteiligen Schluss nahe. Als Bach nach Oslo reiste, sagte er laut dpa: "Die Menschen haben den falschen Eindruck, dass die Olympischen Spiele mehr und mehr kosten, vor allem in Verbindung mit Sotschi, und das ist falsch."

Ein verwegener Satz ob des Faktes, dass beim Trimmen der Region Sotschi auf Olympiatauglichkeit knapp 40 Milliarden Euro aus dem Staatssäckel für die Infrastruktur verpulvert wurden - und ein Beleg, dass der oberste Olympier ein zentrales Anliegen der Bürger offenbar noch immer nicht begriffen hat.

Viel Spaß dann dem IOC 2022 in der City of Love. Die Menschenrechtler dürfen sich schon wieder warmlaufen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: