Bichl:Emotionen nach dem Supermarkt-Votum

Beim Metzger ist der Ausgang des Bürgerentscheids nach wie vor Thema Nummer eins. Im Rathaus geht man mittlerweile schon wieder zur Tagesordnung über.

Von Suse Bucher-Pinell

Am Tag danach sind die sichtbaren Spuren des Bürgerentscheids zum geplanten Supermarkt in Bichl schon verschwunden. Eine äußerst knappe Mehrheit der Bichler hatte sich am Sonntag für den Bau eines Discounters ausgesprochen, am Montag um die Mittagszeit ist das Phantomgerüst, das die Ausmaße dieser Einkaufsstätte demonstrieren sollte, bereits abgebaut. Auch von den Tafeln mit Slogans gegen das Projekt ist nichts mehr zu sehen. Ein Bauer mäht die Wiese am Ortsrand Richtung Penzberg, wo alles aufgebaut war, die ersten Ballen sind schon gepresst. Durch den Ort bewegen sich mehr Autos und Lastwagen als Menschen unterwegs sind. Wer an diesem Vormittag in der Metzgerei von Rudi Kramer einkauft, kommt am Thema Supermarkt kaum vorbei. "Den ganzen Vormittag ging es heute schon darum", sagt Kramer. "Ich kann's fast nicht mehr hören." Die Diskussion werde viel emotionaler geführt als noch vor dem Entscheid. Kramer gehört zu den Gegnern des Netto-Marktes. Obwohl sie unterlagen, freut sich der Metzgermeister "narrisch", wie er sagt. "49 Prozent haben am Sonntag dagegen gestimmt, über zehn Prozent mehr als bei einer Umfrage der Gemeinde vor zwei Jahren noch einen Supermarkt im Dorf ablehnten." Die Mehrheitsmeinung müsse man zwar akzeptieren, sagt Kramer, dennoch fühle es sich für ihn an wie ein Etappensieg. Seine Existenz sieht Kramer durch die Neuansiedlung nicht gefährdet. "Wir werden aber zu knabbern haben", prophezeit er. Sich im Netto-Markt mit einem Shop zu beteiligen, sei für Metzger generell nicht möglich, sagt er. Anders als für Bäcker. Was der Entscheid für die örtliche Bäckerei Eberl bedeutet, vermag Josef Eberl noch nicht zu sagen. Netto-Märkte mit einer Verkaufsfläche von 1200 Quadratmetern wie der in Bichl geplante hätten sogar eigene Bedientheken mit Wurst und Fleisch, eventuell auch einen Imbiss. Ob das mit den zwölf neuen Arbeitsplätzen klappt, die Netto schaffen wolle, bezweifelt Kramer auch: "Wir suchen händeringend Personal für den Verkauf und die Produktion, wir finden keine Leute." Eine Kundin, die gerade an der Kasse der Metzgerei bezahlt, ist gar nicht gut auf den Bürgerentscheid zu sprechen. "Wir brauchen keinen Discounter", schimpft sie. "Ein Dorfladen wäre besser für Bichl gewesen." Jede Wiese werde zubetoniert, beklagt sie und bedauert die Zersiedelung der Landschaft. "Schauen Sie doch nach Pessenbach, dort ist der Aldi-Parkplatz immer halb leer." Der Supermarkt bringe nur noch mehr Verkehrsprobleme. "Bei uns geht's jetzt tagsüber ja schon zu", sagt sie. Die Bichler könnten froh sein, dass sie am Ort so gute Qualität einkaufen könnten, sagt die 61-Jährige noch.

Bürgermeister Benedikt Pössenbacher ging am Montag seinen Geschäften nach, ohne dass der Supermarkt noch groß Thema gewesen wäre. "In der Verwaltung haben wir kurz darüber geredet, sonst hatte ich nichts mehr damit zu tun." Er versteht die Aufregung noch immer nicht. Die etwa ein Hektar große, derzeit noch als Wiese genutzte Fläche, die zur Hälfte mit dem Supermarkt bebaut werden soll, ist im Flächennutzungsplan seit drei Jahrzehnten als Gewerbegebiet ausgewiesen. Sie muss man nun angesichts der Größe des geplanten Marktes in ein Sondergebiet für Lebensmittel abändern, ein Bebauungsplan muss aufgestellt werden. Auf der anderen Seite der Straße besteht seit Jahren ein Bebauungsplan für ein Wohngebiet. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass dort in den nächsten Jahren gebaut wird", sagt er. Bichl wolle maximal ein bis zwei Prozent pro Jahr wachsen.

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