Immobilienkrise in Spanien:Einstürzende Rohbauten

Kein europäisches Land trifft die Immobilienkrise so hart wie Spanien: Hier haben sich nicht nur einzelne Banken verspekuliert - der Crash droht die gesamte Wirtschaft zu ruinieren.

Konrad Fischer

Wer die Immobilienkrise mit eigenen Augen sehen will, der muss in die spanische Kleinstadt Seseña kommen. Denn hier, eine halbe Autostunde südlich von Madrid, hat sich die Spekulationsblase aus Beton so anschaulich aufgebläht wie nirgendwo sonst.

Immobilienkrise in Spanien: Leblose Spekulationsobjekte: In der Neustadt von Seseña leben lediglich 750 Menschen - in 5000 Wohnungen.

Leblose Spekulationsobjekte: In der Neustadt von Seseña leben lediglich 750 Menschen - in 5000 Wohnungen.

(Foto: Foto: oH)

Im Gegensatz zur Wertpapierblase der Hobbyspekulanten und Berufszocker auf dem Kapitalmarkt konnte diese Betonblase jedoch nicht einfach so zerplatzen. Sondern sie steht von nun an in der spanischen Pampa als Mahnmal des Irrsinns, mit dem der Immobilienboom in Spanien jahrelang fernab jeglicher Realität vorangetrieben wurde - und der jetzt die gesamte Wirtschaft zu ruinieren droht.

Gigantisches Bauprojekt

Dabei ist dieses Seseña eigentlich ein beschaulicher Ort. 14.500 Einwohner mit guter Verkehrsanbindung an die Hauptstadt. Eine schöne Lage für gestresste Städter auf der Suche nach einer ruhigen Wohnlage vor den Toren der Metropole. Und doch - Seseña ist nur einer von Hunderten Orte im Umfeld von Madrid, die alle irgendwie ähnlich aussehen.

Dennoch entschloss sich der Bauunternehmer Francisco Hernando im Jahr 2003, in Seseña ein gigantisches Bauprojekt zu starten. 13.500 neue Wohnungen sollten hier entstehen. Wäre das Projekt erfolgreich gewesen, hätte sich die Einwohnerzahl von Seseña um 500 Prozent erhöht.

5000 Wohnungen waren fertiggestellt oder im Bau, als im Herbst 2007 die Immobilienkrise Spanien erreichte. In den riesigen Wohnblocks wohnten jedoch nur knapp 750 Menschen - kein Wunder, waren die Häuser doch von Beginn an als Spekulationsobjekte geplant, nicht als Wohnstätten.

So wie in Seseña wurde der Immobilienbau jahrelang in ganz Spanien forciert. Obwohl die Krise bereits abzusehen war, entstanden 2007 in Spanien noch einmal 600.000 neue Wohnungen, in den fünf Jahren zuvor waren es insgesamt fast fünf Millionen - mehr als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Der Grund: Die Preise für Häuser stiegen in dieser Zeit nach Angaben der Gesellschaft zur Taxierung des Immobilienwerts (Tinsa) Jahr für Jahr zuverlässig um rund 30 Prozent. Solange die Immobilienwerte zulegten, gingen auch die Renditen der Hausbesitzer steil nach oben.

Auf porösem Beton gebaut

Und ganz Spanien glaubte anscheinend, es werde ewig so weitergehen. Jahr für Jahr investierten Millionen Menschen ihr Erspartes in Immobilien, heute verfügen 85 Prozent der Spanier über ein Eigenheim. Die spanischen Banken vergaben leichtfertig Kredite, um selbst vom Hype zu profitieren. Im Zuge des Baubooms sollen nach Branchenangaben Kredite im Umfang von rund einer Billion Euro an private Investoren und Bauunternehmen ausgezahlt worden sein.

Das ging gut, solange die Blase sich weiter aufblähte. Über Jahre beeindruckte die spanische Wirtschaft ganz Europa mit ihrem rasanten Wachstum. Heute wird klar: Das Wachstum war auf ziemlich porösem Beton gebaut, auf gigantischen Wohnprojekten, für die nie ein Markt vorhanden war. Denn der spanische Wirtschaftsaufschwung wurde fast ausschließlich von zwei Faktoren getragen: Vom privaten Konsum und von der Baubranche.

Mit steigender Inflation und rapide fallenden Immobilienpreisen sind es jetzt genau diese zwei Faktoren, die besonders unter der weltweiten Krise leiden - und Spanien in eine jahrelange Wirtschaftsflaute zu stürzen drohen. Die Zahlen sind bereits heute erschreckend: Das Wachstum der spanischen Wirtschaft ist im ersten Quartal des Jahres eingebrochen und betrug nur noch 0,3 Prozent, so wenig wie seit knapp 15 Jahren nicht mehr. Auch die Inflation lag mit zuletzt 4,4 Prozent viel zu hoch für ein Volk, das eine durchschnittliche Hypothekenbelastung von fast 140.000 Euro pro Kopf aufweist.

Regierung versucht gegenzusteuern

Noch schlechter sind die Aussichten in der Baubranche: Der Interessenverband der spanischen Bauindustrie rechnet damit, dass die Anzahl der neuen Bauprojekte in diesem Jahr fast 72 Prozent unter dem Vorjahreswert liegen wird, bei der letzten Erhebung im Januar lag die Zahl der verkauften Immobilien in Spanien bereits 27 Prozent unter den Vorjahreswerten. In den Hochburgen des Immobilienbooms, den Provinzen Aragon und Katalonien, stehen heute 68 Prozent aller Immobilien zum Verkauf.

Mühsam versucht die Regierung inzwischen gegenzusteuern. Ein Konjunkturprogramm, das Steuererleichterungen und Infrastrukturausgaben von fast vier Milliarden Euro vorsieht, soll die Wirtschaft wieder in Fahrt bringen. Ob das gelingt, bezweifeln viele Ökonomen jedoch. "Vor allem die Steuerrabatte werden nur kurzfristig wirken", sagt der Volkswirt Carlos Caceres von der Investmentbank Morgan Stanley.

Dann werden vielleicht schon bald im ganzen Land radikalere Maßnahmen notwendig sein. Die Provinzregierung von Mallorca hat Ende des vergangenen Jahres bereits einen Baustopp für die ganze Insel beschlossen. So kann zwar der Bauwirtschaft kein neuer Schwung verliehen werden, dafür hofft man, endlich wieder eine stärkere Nachfrage auf dem Immobilienmarkt zu schaffen.

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