Europawahl-Nachlese:Was außer dem Erfolg von Marine Le Pen zählt

Marine Le Pen press conference

Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National, bei einer Pressekonferenz in Nanterre.

(Foto: dpa)

Warum wählt Polen einen Mann, der das EU-Parlament zum "Bordell" machen will? Schämen sich junge Franzosen wegen des Front National? Und wieso gab nur jeder achte Slowake seine Stimme ab? Acht junge Europäer bilanzieren die Europawahl.

Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Kooperation "Mein Europa" von Süddeutsche.de mit dem Projekt FutureLab Europe der Körber-Stiftung. Bis zur Europawahl Ende Mai kamen in der Serie junge Europäer zu Wort - streitbar, provokativ und vielfältig. Jetzt, wenige Tage nach der Wahl, ziehen sie Bilanz.

Seit Sonntag sind Hunderte von Einträgen bei Facebook geschrieben worden, in denen gelästert wurde, wie unglaublich töricht, um nicht zu sagen, einfach dumm die Franzosen sind. Doch ist das angemessen?

Die Tatsache, dass die Ergebnisse - ein überragender Sieg des Front National und ein absolutes Debakel für die Sozialistische Partei - absolut vorhersehbar waren, zeigt zweierlei: In Frankreich gibt es eine Sozial- und Identitätskrise, die die Politiker nicht nur nicht bekämpfen, sondern sogar noch verschlimmern. Weil eine politische Debatte und Auseinandersetzung über konkrete Angelegenheiten auf europäischer Ebene nicht stattfindet, haben die Menschen den Eindruck, dass ihnen alles von oben auferlegt wird.

Europa ist in den letzten Jahren immer stärker geworden. Jedoch sind diesem Trend keine politischen Konflikte und Debatten in der Öffentlichkeit - im Sinne klarer, differenzierter, politischer Projekte - gefolgt.

So glauben junge Menschen zum Beispiel nicht, dass die EU Einfluss auf die Beschäftigungssituation in den jeweiligen Ländern hat. Sie glauben im Gegenteil sogar, dass die EU ihnen Arbeitsmöglichkeiten wegnimmt. An diesem Punkt setzt der Front National an. Seit Marine Le Pen das Vermächtnis ihres Vaters übernommen hat, wird hauptsächlich mit europäischen Themen argumentiert. So wird gefordert, dass Frankreich aus der EU austreten soll, weil die EU die nationale Souveränität und das Sozialmodell Frankreichs verletze.

Wie die jüngsten Strategien gezeigt haben, nützen Schuldzuweisungen nichts, sondern bewirken eher das Gegenteil. Wir sollten nicht vergessen, dass derjenige, der in einer Demokratie die Mehrheit auf seine Seite zieht, niemals der Dumme ist, selbst wenn er nicht Recht hat.

Die Französin Apollonia Nguyen Van Khan, 29, ist Mitarbeiterin des Bürgermeisters von Argenteuil. Sie hat Politikwissenschaften am Institut d'Études Politiques in Rennes studiert und einen Master in "European Affairs" vom Institut für Europastudien in Paris.

Polen: Junge Leute wählen Europa-Feinde

Am Wahltag ist in Polen einiges passiert: Der ehemalige kommunistische Diktator Wojciech Jaruzelski ist gestorben und die beiden stärksten Parteien im polnischen Parlament haben ihre Dominanz erneut bestätigt und je 19 Sitze im Europäischen Parlament errungen.

Doch nachdem die ersten Umfragen nach Verlassen der Wahllokale veröffentlicht worden waren, ging es fast nur noch um das Ergebnis der europafeindlichen Partei Nowa Prawica (Neue Rechte), die schließlich vier Sitze erringen konnte. Deren Parteivorsitzender Janusz Korwin-Mikke, ein durchaus umstrittener Mann, gilt als polnische, aber zugleich intelligentere, radikalere und noch europafeindlichere Version von Nigel Farage. Für den Fall, dass seine Partei Sitze im Europaparlament gewinnt, hatte er angekündigt, das Parlamentsgebäude in ein "Bordell" umwandeln zu wollen.

EU parliament election in Poland

Janusz Korwin-Mikke von der "Neuen Rechten" freut sich über das Wahlergebnis. Das Baby hat ihn wohl nicht gewählt.

(Foto: dpa)

Ziemlich beunruhigend ist, dass Nowa Prawica bei jungen Menschen zwischen 19 und 25 Jahren mit 28,5 Prozent ein herausragendes Resultat erzielt hat. Es gibt keine genauen Statistiken, die das Abstimmungsverhalten einer etwas älteren Gruppe von Wählern (26-30 Jahre) aufschlüsselt, doch die regierende Bürgerplattform von Premier Donald Tusk dürfte bei dieser Gruppe die höchsten Zustimmungswerte genießen. Warum die europafeindliche Partei bei den jungen Menschen so gut ankam, ist nicht leicht zu beantworten. Möglicherweise sind sie der Politiker überdrüssig, die ständig ihre Meinungen ändern. Ganz anders als Korwin-Mikke, der seit 1990 die gleichen Positionen vertritt.

Am niedrigsten lag die Wahlbeteiligung mit unter 20 Prozent im Osten Polens, am höchsten in Warschau und Krakau mit fast 40 Prozent. Der Wert für Krakau dürfte vor allem daran liegen, dass es gleichzeitig ein Referendum über die Bewerbung der Stadt als Austragungsort der olympischen Winterspiele im Jahr 2022 gab.

Sławomir Parus, 27 Jahre alt, hat in Posen sowie in Atlanta Wirtschaft und Rechtswissenschaften studiert. Heute arbeitet er als Jurist in Posen.

Slowakei: Warum ein ganzes Land wahlmüde ist

Und wieder bilden wir das Schlusslicht. Die niedrige Wahlbeteiligung wird das sein, woran sich die Menschen bei dieser Wahl erinnern werden. Die Slowakische Republik hat ihren eigenen Negativrekord hinsichtlich der Wahlbeteiligung gebrochen: 87 Prozent der Wahlberechtigten haben ihr Recht auf Stimmabgabe nicht ausgeübt.

Bedenkt man die extrem niedrige Wahlbeteiligung der Slowaken bei früheren Europawahlen, kommt das gleichwohl nicht überraschend. Auch der zeitgleiche Beitritt zur EU bei der Europawahl im Jahr 2004 und die Aufnahme in die Eurozone bei der Wahl im Jahr 2009 konnten nicht einmal 20 Prozent der Bevölkerung mobilisieren.

In der öffentlichen Debatte geht es nun darum, den Schuldigen zu finden. Und natürlich wird auch die Legitimität und Repräsentativität einer Institution in Frage gestellt, die derartige Gleichgültigkeit hervorruft. In anderen Ländern wird analysiert, wo die Wahlmüdigkeit am größten war. In der Slowakischen Republik ist die Lage klar: Die Wahlmüdigkeit ist alarmierend gleichmäßig über das ganze Land verteilt. Selbst in den Regionen, in denen die Wahlbeteiligung am höchsten war, lag die Wahlenthaltung immer noch bei über 82 Prozent.

Einige geben den Medien die Schuld, die nicht über den Wahlkampf und die relevanten Themen berichtet hätten. Doch dabei muss man auch wissen, dass es kaum einen Wahlkampf gab, über den man hätte berichten können. In einer demokratischen Auseinandersetzung sollte es die Aufgabe der Kandidaten sein, die relevanten Themen anzusprechen, vor allem solche, die bei diesen Wahlen den Ausschlag gegeben hätten. Das Versagen liegt hier jedoch bei den Kandidaten, nicht bei den Medien.

Viele junge Menschen konnten zudem gar nicht wählen, weil es in der Slowakei bei Europawahlen nicht möglich ist, im Ausland abzustimmen. Die mobilsten Bürger sind durch diese Einschränkung verhältnismäßig am stärksten betroffen: diejenigen, die im Ausland studieren oder arbeiten scheinen nicht das Recht zu haben, einen Vertreter ihres Heimatlandes zu wählen. Es sei denn, sie haben genug Geld, um für die Wahl nach Hause zu fliegen.

Die jungen Wähler haben nicht einheitlich abgestimmt. Die regierende sozialdemokratische Partei SMER, die sich aktiv um die Jugend bemüht, hat zwar die Wahlen klar gewonnen. Sie erhält aber weniger Sitze im Europaparlament als in der Vergangenheit, weil junge Menschen auch solche Kandidaten gewählt haben, die den etablierten Parteien kritisch gegenüberstehen und als "frische Gesichter" gelten. Doch in diesen Wahlen ging es überhaupt nicht um die Zukunft Europas. Stattdessen wurde ein Wahlkampf geführt, der völlig ohne Themen auskam.

Zuzana Novakova, 27, Slowakei, hat ihren doppelten Master vom Public Policy am Institut Barcelona d'Estudis Internacionals und der ISS in the Hague of Erasmus Universität Rotterdam. Sie arbeitet als Programm-Managerin beim European Policy Centre in Brüssel.

Spanien: YES, WE CAN

Der Mann des Tages in Spanien heißt Pablo Iglesias. Sein Gesicht ziert die Titelseiten aller Zeitungen. Er ist 35 Jahre alt und Politikprofessor an der Universität Complutense Madrid. Doch was hat er geleistet? Er ist Vorsitzender der "Podemos" (zu Deutsch: "Wir können"), einer Partei, die dank ihrer 1.245.948 Wähler aus dem Nichts fünf Sitze bei den Europawahlen erzielt hat.

"Podemos" wurde erst vor vier Monaten gegründet und ist damit eine noch sehr junge Partei, aber als politische Bewegung gibt es sie schon länger. Sie ist tief in der "Movimiento 15-M ("Bewegung 15. Mai") verwurzelt, einer Protestbewegung, die am 15. Mai 2011 damit begann, einen radikalen Wandel der spanischen Politik zu fordern. Mit ihren Schlachtrufen "Uns repräsentiert ihr nicht" brachte diese zivile Jugendbewegung ihren Unmut gegenüber der repräsentativen Demokratie zum Ausdruck.

Pablo Iglesias, head of leftist group 'Podemos', or 'We Can', delivers a speech during the presentation of the party in Madrid

Pablo Iglesias, der Anführer der spanischen "Podemos"-Bewegung.

(Foto: REUTERS)

Die fragile wirtschaftliche Situation, die durch Korruption und das dominierende Zwei-Parteien-System verschlimmert wurde, hat dazu geführt, dass über zehntausend Bürger gegen die politischen Verhältnisse Sturm liefen (und es immer noch tun). Zum ersten Mal hatte diese Politikverdrossenheit jedoch zwei direkte Auswirkungen auf das Wahlergebnis: die Wahlbeteiligung lag um einen Prozentpunkt höher als 2009 (45,84 Prozent verglichen mit 44,9 Prozent im Jahr 2009) und die beiden traditionellen Parteien (Volkspartei und Sozialisten) haben mehr als fünf Millionen Wähler verloren, die zu den neuen Parteien im linken und mittleren Spektrum gewandert sind.

Estefanía Almenta, 30, arbeitet als selbstständige Trainerin in Madrid. Sie hat in England, den Niederlanden, Schottland und Spanien studiert und gearbeitet. Sie wurde als "Herausragende Absolventin des Jahres" vom spanischen Bildungsministerium ausgezeichnet und von der Fundación Carolina als Teilnehmerin des 7. Lateinamerikanischen Young Leaders Programms ausgewählt.

Belgien: Wieso nationalistische Flamen dominieren

Zum ersten Mal in der Geschichte Belgiens fand die "Mutter aller Wahlen" statt: Die Bürger stimmten über das Europäische Parlament, das nationale Parlament und regionale Parlamente ab. Die Aufmerksamkeit war jedoch nicht auf europäische Themen gerichtet. Die Wahlen wurden vielmehr von nationalen Interessen dominiert, die durch den zu erwartenden Durchmarsch der nationalistischen Neu-Flämischen Allianz (NV-A) verursacht wurde. Ihre polarisierende Gallionsfigur Bart de Wever plädierte für "Wandel", allerdings in einem separatistischen Sinn. Er gewann damit über 300.000 Vorzugsstimmen, während der christdemokratische Ministerpräsident Kris Peeters weniger als 150.000 Stimmen erhielt.

Die nationalistische Neu-Flämische Allianz wurde sogar auf allen Regierungsebenen stärkste Partei: Bei den Europawahlen erhielt sie 26,7 Prozent, und bei den anderen Parlamentswahlen erzielte sie weit über 30 Prozent. NV-A ist eine gemäßigt proeuropäische Partei, aber keine Verfechterin der belgischen Regierungsstruktur. Angesichts unserer unrühmlichen 500 Tage währenden Koalitionsgespräche ist absolut nicht sicher, dass de Wever Ministerpräsident wird. Möglicherweise wird eine Koalition aller traditionellen Parteien gebildet, um ihm so die Übernahme des Amtes unmöglich zu machen.

Für die jungen, gut vernetzten Belgier in meinem Umfeld waren die Wahlen ein Ereignis, das auf Facebook mit dem neuen Schlagwort "Stemfie" (Wahl-Selfie) gewürdigt wurde. Viele Freunde haben Online-Tests mitgemacht, um herauszufinden, welche Partei am ehesten ihren Vorstellungen entspricht.

Die Ergebnisse der Wahlen zeigen, dass die traditionelle Parteienlandschaft überholt ist und die alten Parteien nicht in der Lage sind, auf die Belange der jüngeren Generation einzugehen. Die junge Generation ist sehr unschlüssig und dabei, ihre politische Identität zu verlieren. Die Auswirkungen dieses Rückzugs werden in Belgien durch die Wahlpflicht verdeckt, aber sind dadurch nicht weniger real.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Viele führen ein Leben des intensiven Austauschs, der leichten Mobilität und wechselnder Identitäten. Das Europäische Parlament könnte folglich der Ort sein, an dem Stabilität und Sauerstoff zu finden sind, die in der belgischen Politiklandschaft so oft fehlen.

Marian Cramers, 29, Belgien, ist Senior Social Media Consultant in London. Sie studierte Vergleichende und Internationale Politik an der Katholieke Universität in Leuven und hat einen Master in Internationaler Betriebswirtschaft und Verwaltung von der Hogeschool-Universität in Brüssel.

Griechenland: Ein Votum pro Europa? Nicht ganz

Die griechischen Wähler haben erneut ihre Unterstützung für das europäische Projekt sowie ihr Bekenntnis zu europäischen Werten bewiesen. Während die durchschnittliche Wahlbeteiligung in Europa bei 43 Prozent lag, haben in Griechenland 59 Prozent an den Wahlen zum Europaparlament teilgenommen. Das Linksbündnis Syriza unter ihrem Vorsitzenden Alexis Tsipras, zugleich auch Spitzenkandidat der Europäischen Linken, hat die Wahl mit 26,5 Prozent der Stimmen gewonnen. Dies kann sowohl als Niederlage für die gegenwärtige Regierung als auch als Vertrauensvotum für die EU gedeutet werden.

Radical Left Coalition leader Alexis Tsipras meets Greek Presiden

Wahlsieger in Griechenland: Alexis Tsipras.

(Foto: dpa)

Syriza und Alexis Tsipras kritisieren die Austeritätspolitik in Griechenland und in anderen Mitgliedstaaten stark, aber sie befürworten die europäische Integration und setzen sich als Mitglied der Europäischen Linken für eine sogenannte "demokratischere" EU ein. Meiner Meinung nach ist der Erfolg einer Partei der Europäischen Linken in Griechenland bemerkenswert - vor allem bei einer Wahl, bei der in anderen Mitgliedstaaten rechtsextreme Parteien gesiegt haben und angesichts der Tatsache, dass die Griechen immer noch an den Folgen der Krise laborieren.

Gleichwohl war der Ausgang der Europawahlen in Griechenland von einem starken Widerspruch gekennzeichnet. Die neonazistische Partei Goldene Morgenröte wurde drittstärkste Kraft. Leider sind mehr als neun Prozent der Griechen, die gewählt haben, der Ansicht, dass es nur den einen Weg gibt, um das gegenwärtige politische System zu bestrafen: indem man es ablehnt.

Erwähnenswert ist auch, dass 32 Prozent der griechischen Wahlberechtigten für 36 kleinere Parteien gestimmt haben, die in Griechenland angetreten sind. Zusammengenommen sind sie die Gewinner der Wahl, allerdings sind sie nicht vertreten, da das nationale Wahlsystem eine 3-Prozenthürde für den Einzug ins Parlament vorsieht.

Konstantina Karydi, 30, forscht zurzeit beim griechischen Think-Tank ELIAMEP, promoviert an der Universität von Athen und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bürgermeisters von Athen.

Großbritannien: UKIP stark bei Arbeitern

Als die Wahlergebnisse bekannt gegeben wurden, war das kurzzeitige "Erdbeben" der Europapolitik bei jungen Briten schon abgeklungen. Die Stimmabgabe war drei Tage zuvor erfolgt und allgemein wurden hohe Zugewinne für die UK Independence Party (UKIP) erwartet. Doch da die Wahlbeteiligung in Höhe von 33,8 Prozent etwas geringer war als bei der Wahl 2009, ging die UKIP gar als stärkste Partei aus den Wahlen hervor und stellt nun 24 EU-Abgeordnete.

Umfragen vor den Wahlen deuteten darauf hin, dass nur 30 Prozent der 17- bis 21-Jährigen schon wussten, für wen sie stimmen würden. Diejenigen, die wählten, beteiligten sich eher am "letzten öffentlichen Meinungsbild vor den nächsten Parlamentswahlen", als dass sie gute Europäer gewesen wären, die ihre demokratische Pflicht erfüllten. Die Tatsache, dass am gleichen Tag Kommunalwahlen anstanden, hat sicher dazu beigetragen, die Wahlbeteiligung vor allem junger Wähler zu erhöhen, die an einer Wahl teilnehmen wollten, bei der normalerweise den Regierungsparteien eine Lektion erteilt wird.

UKip Wins European Election Vote In UK

Wahlsieger in Großbritannien: UKIP-Chef Nigel Farage.

(Foto: Getty Images)

Trotz ihres nationalen Erfolges tut sich die UKIP bei jungen Wählern schwer und die populistischen Aussagen von Nigel Farage scheinen vor allem Arbeiter anzuziehen, die sich benachteiligt fühlen. Die UKIP wird zudem noch einen harten Kampf mit dem britischen Mehrheitswahlrecht austragen müssen, bis sie ihren ersten Sitz im britischen Unterhaus erringt.

Auch wenn der Rest Europas die stille Rebellion David Camerons gegen die Ernennung des Kommissionspräsidenten mit Spannung verfolgt, interessieren sich die meisten Briten eher für das Ende der Sitzungspause des Parlaments und die bevorstehende Nachwahl in Newark.

Mathew Shearman, 25, ist politischer Herausgeber des Magazins Europe & Me und arbeitet für New Eastern Europe und Visegrad Insight. Er schreibt über britische und deutsche Außenpolitik, die EU und Osteuropa und war als politischer Analyst für BBC News 24 tätig. Er lebt in London.

Skandinavien: Populisten nicht so stark wie befürchtet

Anders als in den beiden anderen nordischen EU-Ländern Schweden und Dänemark hat der Wahlausgang in Finnland keine Überraschungen gebracht. Während die Schweden Vertreter der populistischen Schwedendemokraten und der Feministischen Partei als Neulinge ins Europäische Parlament wählten und die rechtsextreme Dänische Volkspartei ein Drittel der Stimmen erzielte, blieb in Finnland die große Neuerung aus.

Auch hinsichtlich der Wahlbeteiligung gab es keine größeren Veränderungen: Sie lag in Finnland bei gerade einmal 40,9 Prozent und war damit die niedrigste aller nordischen Länder. Trotz der größeren Sichtbarkeit europäischer Themen in den Medien und Bemühungen der Politiker, eine Diskussion anzustoßen, war die niedrige Wahlbeteiligung eine Enttäuschung.

Für viele ging es bei der Wahl am 25. Mai nicht um Europa, sondern um einen Test für die Parlamentswahlen im Jahr 2015. Abgesehen von ihrem wachsenden Bewusstsein und Interesse für EU-Politik, hatten junge Menschen anscheinend keinen echten Anreiz zu wählen. Diejenigen, die abgestimmt haben, interessierten sich stärker für die Kandidaten und ihre Werte als für die Partei an sich.

Die liberal-konservative Nationale Sammlungspartei hat die Wahl gewonnen, gefolgt von der finnischen Zentrumspartei. Die zuwanderungsfeindliche Partei "Basisfinnen" liegt an dritter Stelle und hat einen Sitz hinzugewonnen, gleichwohl war ihr Wahlergebnis niedriger als erwartet und wurde überschattet vom Erfolg rechtsextremer Populisten in anderen Ländern wie die Front National in Frankreich. Die meisten Finnen haben konventionell abgestimmt, oder man könnte auch sagen konservativ, und sie haben sich für eine Vertiefung der Integration der EU ausgesprochen.

Kati Temonen, 25, Finnland, schließt zurzeit ihren Master in Politikgeschichte an der Universität von Helsinki ab. Sie hat einen Bachelor für Internationale Beziehungen und Zeitgeschichte von der Universität von St Andrews.

An English version of the text is available at the website of FutureLab Europe.

Übersetzungen: Dorothea Jestädt

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