Originelle Gründungsideen:"Wird die Idee geklaut, dann war sie nicht gut"

Woher wissen Selbständige, ob ihre Geschäftsidee trägt? Oliver Bücken betreut an der TU München Existenzgründer und verrät im Interview, wo man sich Inspiration holt, warum es die richtige Idee zur falschen Zeit gibt und wie man sich vor Ideenklau schützt.

Von Jasmin Off

SZ.de: Herr Bücken, wer sich selbstständig machen will, braucht eine gute Idee. Wie findet man die in einer Welt, in der es schon alles gibt?

Oliver Bücken: Unsere Welt verändert sich ständig. Um eine Gründungsidee zu finden, muss man nur mal mit offenen Augen rausgehen. Sprechen sie mit möglichst vielen Leuten, versuchen Sie herauszufinden, wo Arbeitsabläufe verbessert oder verändert werden könnten oder wo im täglichen Leben Schwierigkeiten auftreten.Ein Beispiel: Schwimmer müssen sich im Training auf etwas anderes konzentrieren als ihre Bahnen zu zählen. Das fiel einem Hobbyschwimmer auf, der dann zusammen mit Ingenieuren eine Schwimmbrille entwickelte, die die Anzahl der geschwommenen Bahnen im Display anzeigt. Innovationen werden oft nicht von großen Firmen entwickelt, sondern von Leuten, die das Bedürfnis haben, ein Problem zu lösen.

Aber wie bringt man eine revolutionäre Innovation auf den Markt?

Natürlich werden bahnbrechende Neuheiten wie das Telefon, 3D-Druck oder das Internet nur ungefähr alle 50 Jahre erfunden. Die meisten Produkte oder Dienstleistungen, die heute auf den Markt kommen, sind eher Kombinationen aus bekannten Dingen. Ein Beispiel wären hier Internetapotheken. Es gab schon Apotheken und es gab das Internet und daraus wurde etwas Neues kreiert. Jede Innovation bringt unzählige Möglichkeiten für weitere Ideen mit sich. Die Erfindung des Internets etwa hat die Frage aufgeworfen, wie der Versandhandel mit Produkten neu organisiert werden kann. Da haben sich ganz neue Märkte entwickelt.

Woher weiß ein Gründer, ob seine Idee tragfähig ist?

Kurz gesagt: Testen! Die Idee ist dann gut, wenn sich Menschen für etwas Neues begeistern können und wenn es dafür einen Markt, also Abnehmer, gibt. Zuerst müssen Sie wissen, ob eine Dienstleistung oder ein Produkt gewünscht und nachgefragt ist. Das lässt sich in Interviews mit potenziellen Kunden herausfinden oder indem Sie Fakten zur Branche recherchieren, um herauszufinden, ob es überhaupt Bedarf für das x-te Café im gleichen Viertel gibt. Geht es um ein Produkt, dann sollten Sie genau überlegen, wie der Prototyp aussehen soll und testen, wie er bei den Leuten ankommt. Die zweite Frage ist dann: Wie ist die Idee technisch umsetzbar? Wichtig ist natürlich auch, ob die Idee wirtschaftlich tragfähig ist und ob die Finanzierung realisierbar ist.

Wie viele Leute müssen sich denn konkret für ein bestimmtes Angebot interessieren?

Das ist in jedem Fall anders, je nach Marktgröße und Erfindung können einige wenige Kunden ausreichen, etwa wenn sich der Verkauf einer Software an einen Großkonzern bereits lohnt. Zu wissen, dass man mit einer Idee potenziell Millionen Kunden erreicht, hilft als erster Schritt nicht weiter. Entscheidend ist, wie das Produkt oder die Dienstleistung konkret an den ersten Kunden gebracht werden kann. Von da aus ergibt sich dann der zweite Kunde, der dritte und so weiter. Dafür ist eine gute Marketingstrategie gefragt.

Welche Rolle spielt das Timing? Gibt es die richtige Idee zur falschen Zeit?

Absolut! Viele scheitern daran, eine guten Einfall zu haben, für den der Markt noch nicht reif ist. Das ist in der Geschichte schon oft vorgekommen, auch Firmen wie Apple haben schon Flops produziert, weil das Timing falsch war. Damit umzugehen, ist natürlich besonders schwierig, denn die Idee war ja nicht schlecht.

Was sollten Gründer also tun?

Begeben Sie sich nach draußen und gehen Sie mit geschärften Sinnen durch die Welt. Im Englischen gibt es dafür sogar ein eigenes Wort - "serendipity" - das bedeutet so viel wie die Gabe, zufällig eine glückliche und unerwartete Entdeckung zu machen. Darauf zu warten, ist natürlich zu wenig. Man muss den Markt beobachten, lernen, sein Geschäftsmodell anpassen und dann mit einem starken Team an den Start gehen. Reden Sie außerdem viel mit anderen über Ihre Idee, um herauszufinden, ob diese ankommt.

Wie schützt man sich vor Ideenklau?

Besteht dann nicht die Gefahr, dass die Idee von einem Konkurrenten geklaut wird?

Eine Idee kann nicht patentiert werden, nur eine technische Neuerung. Wenn es reicht, eine Idee zu klauen, dann kann sie nicht sehr gut gewesen sein. Denn die Umsetzung ist ja letztlich das Entscheidende.

Wie schütze ich mich denn gegen Ideenklau?

Erzählen Sie von Ihrer Idee immer aus Sicht des Kunden, also welches Problem durch die Erfindung oder das Konzept gelöst wird. Details zur technischen Umsetzung oder zum Prozess sollten Sie dagegen für sich behalten. Wenn Sie ein konkretes Produkt im Kopf haben, sollten Sie auf jeden Fall in den Patentdatenbanken der wichtigsten Länder - also USA, Japan und den europäischen Staaten - recherchieren um sich eine Übersicht über bestehende Patente zu verschaffen und dann einen Termin beim Patentanwalt machen, der Sie in Ihrem konkreten Fall beraten kann.

Und was ist, wenn mehrere Leute gleichzeitig die selbe Idee haben?

Das ist sogar wahrscheinlich, vermutlich spielen auf der Welt gerade noch etwa 1000 Menschen mit exakt denselben Gedanken wie Sie. Und einige von ihnen haben vielleicht sogar angefangen, die Idee umzusetzen. Deswegen sollten Sie sich damit nicht allzu viel Zeit lassen, denn eine gute Idee alleine bringt am Ende nichts. Sich gegen Widerstände durchzusetzen und am Ende schneller zu sein als die Konkurrenz, ist entscheidend. Man sollte vorher überlegt haben, wie viel Zeit und Geld man in die Idee investiert. Dazu gehört auch, persönlich abzuschätzen: Wann ist das Projekt für mich gescheitert?

Kann ich auch einfach eine gut laufende Geschäftsidee aufgreifen und ein wenig abwandeln?

Grundsätzlich ist das dann legitim, wenn man zum Beispiel im Ausland eine Geschäftsidee sieht und diese dann an den heimischen Markt anpasst. Die Frage ist aber eher: Habe ich das Know-how für die Umsetzung? Und liegt mir persönlich die Idee überhaupt?

Und wenn die eigentliche Idee nicht funktioniert?

Es gibt ja nicht nur eine gute Idee. Mir sind die Leute suspekt, die fest davon überzeugt sind, dass nur der eine gute Einfall zählt. Es kommt oft vor, dass Gründer letztlich erst mit der x-ten Abwandlung ihrer eigentlichen Idee Erfolg haben. Das ist eine wesentliche Charaktereigenschaft eines erfolgreichen Unternehmers: Er muss flexibel bleiben und auf Veränderungen reagieren. Er muss also ständig im Blick behalten wie sich der Markt weiterentwickelt. Und auch Scheitern gehört dazu. Und dann wieder aufstehen.

Oliver Bücken arbeitet bei der UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung an der Technischen Universität München. Er empfiehlt Gründern zur weiteren Lektüre die Bücher "Sturm gegen den Stillstand" von James Dyson und Jessica Livingstons "Founders at work".

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