Arbeitsmarkt:Mindestlohn zwingt Wirte zum Umdenken

Frühling in München

Gerade in der Gastronomie arbeiten viele Minijobber: Fast jeder Zweite verdient hier maximal 450 Euro pro Monat.

(Foto: David Kluthe/dpa)

In der Gastronomie arbeitet fast jeder zweite Beschäftigte als Minijobber für maximal 450 Euro. Die Arbeitgeber schätzen das, aber von 2015 an müssen sie den Mindestlohn zahlen. Das wird teuer für sie. Es sei denn, sie erhöhen die Preise - oder riskieren mehr Schwarzarbeit.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Sie spülen Gläser, schlagen Kopfkissen auf oder zapfen Bier. Immer mehr Menschen arbeiten in Hotels, Kneipen und Restaurants, und immer mehr von ihnen tun dies als Minijobber. Mittlerweile verdient fast jeder zweite der 1,8 Millionen Beschäftigten in der Branche auf diese Weise sein Geld, also: ohne Steuern abzuführen und, falls gewünscht, auch ohne Sozialabgaben zu zahlen. Bis maximal 450 Euro. Die Arbeitgeber schätzen das, weil sie die Minijobber flexibel einsetzen können, egal ob Biergartenwetter oder ein Champions-League-Abend Besucher anlockt. Doch von 2015 an gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro. Und der dürfte Wirten und Hoteliers gerade wegen der vielen Minijobber noch einige Probleme bereiten.

Markus Tressel, tourismuspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, hat die Bundesregierung zu den Arbeitsbedingungen im Hotel- und Gaststättengewerbe befragt. Die Antworten legen den Schluss nahe, dass man als Gast mit dem Trinkgeld nicht allzu geizen sollte: Demnach verdiente in Gastronomiebetrieben mit mindestens zehn Beschäftigten jeder dritte weniger als den geplanten Mindestlohn. In den neuen Bundesländern sind es sogar zwei Drittel. Die Zahlen stammen mangels neuerer Werte von 2010. Vielleicht hat sich die Lage also schon verbessert seither. Aber auch neuere Studien bestätigen: Niedriglöhne sind in der Branche weit verbreitet, besonders bei den Minijobbern.

Deren Zahl ist in den Gastronomiebetrieben rasant gewachsen. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums stieg sie von 2005 bis 2013 um 34 Prozent, auf jetzt 894 000. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen dort kletterte ebenfalls deutlich in die Höhe, auf etwa 922 000, doch nicht so stark wie die der 450-Euro-Jobs.

Schwarzarbeitsprüfer werden sich auf Gastronomie konzentrieren

Hinter Zapfhähnen und Hoteltheken haben Gewerkschaften nicht viel zu sagen: 2012 galt in 59 Prozent der Betriebe kein Tarifvertrag. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten geht sogar davon aus, dass in nur 900 von 230 000 Betrieben in diesem Wirtschaftszweig ein Betriebsrat existiert. Für den Grünen-Abgeordneten Tressel, der die Anfrage gestellt hat, ist klar: "Die Branche muss dafür sorgen, dass die Quote der Minijobs sinkt und ordentliche Löhne gezahlt werden." Der Anteil der Personalkosten ist allerdings gerade im Gastgewerbe mit 25 bis 35 Prozent sehr hoch. Der Mindestlohn könnte für Arbeitgeber teuer werden, wenn sie die Mehrausgaben nicht durch höhere Preise wieder hereinholen.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband fürchtet daher vor allem bei Kleinbetrieben und Mittelständlern um Arbeitsplätze und fordert "eine differenzierte Lösung für Minijobber". Außerdem warnt er: "Gerade bei der Gruppe der Minijobber besteht ein erhebliches Risiko der Abwanderung in die Schwarzarbeit." Dieses Problem sieht offenbar auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). In der Antwort ihres Hauses klingt schon die Vorahnung an, was für ein Konflikt da mit der Gastronomie-Branche entstehen dürfte. Die Schwarzarbeitsprüfer vom Zoll, so schreibt das Ministerium, würden im Jahr 2015 ganz besonders im Hotel- und Gaststättengewerbe genau hinsehen.

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