Mindestlohn im Praktikum:Wider die Praktikanten-Ausbeutung

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Es ist richtig, dass der Mindestlohn künftig auch im Praktikum gelten soll. Es ist ebenso richtig, dass es Ausnahmen geben wird. Wer ein Praktikum macht, soll lernen. Er darf nicht monatelang als billige Arbeitskraft ausgenutzt werden.

Ein Kommentar von Nadia Pantel

Praktikanten werden spätestens beim Abschied sichtbar: wenn sie mit Kuchen in die Büros laufen, um ihren Teams und Abteilungen zu danken. Doch so zuverlässig am Ende eines Praktikums gebacken wird, so unterschiedlich gestalten sich die Wochen, die dem Kuchen vorausgehen.

Erbringen Praktikanten Leistungen, die einen Stundenlohn von 8,50 Euro wert sind? Die große Koalition sieht das so. Sie hat die meisten Praktikanten in ihr Mindestlohngesetz aufgenommen, das sie jetzt in den Bundestag eingebracht hat. Das ist richtig, weil die Koalition mit der neuen Regelung zugleich Praktika klarer definiert - im Sinne der Berufseinsteiger wie der Unternehmen.

Das Gesetz unterscheidet Praktika, in denen ein junger Mensch vor allem etwas lernt, und Praktika, in denen seine Arbeitskraft genutzt wird. Das Lernverhältnis ist die ursprüngliche Idee eines Praktikums. Solche Phasen nicht oder wenig bezahlten Lernens finden in der Regel innerhalb der Ausbildung oder des Studiums statt. Daran wird das neue Gesetz nichts ändern. Denn von der Regelung ausgenommen sind Praktika, die in der Studienordnung vorgeschrieben sind oder die als Teil der Ausbildung gewertet werden können.

Wer 300 Euro bekommt, kann sich glücklich schätzen

Doch inzwischen bieten immer mehr Unternehmen Praktika für fertig ausgebildete Kräfte an - für Köche, Kaufleute oder Uni-Absolventen. Sie dauern zwischen drei und sechs Monaten. Wer in diesen Arbeitsverhältnissen mehr als 300 Euro im Monat dafür gezahlt bekommt, dass er seinen erlernten Beruf ausübt, kann sich glücklich schätzen. Das ist nicht nur Ausbeutung, es entwertet auch das Ausbildungssystem. Und es zementiert soziale Unterschiede.

Denn die Praktikumsphase nach Studium oder Ausbildung ist ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. Auch Praktikanten zahlen Miete, Essen, oft auch Fahrtkosten. Ein schlecht bezahltes Praktikum kann sich deshalb nur erlauben, wer private Quellen anzapfen kann. Zum Beispiel die Eltern oder andere Gönner.

Der Praktikant weiß, dass er gebraucht wird

Natürlich wird es für ein Unternehmen teurer, wenn es in Zukunft 1500 Euro pro Monat für einen ausgebildeten Praktikanten ausgeben muss. Gerade Arbeitgebern wie Kulturveranstaltern oder gemeinnützigen Vereinen, die das nicht leisten können, wird man mit staatlichen Förderprogramme oder Stipendien helfen müssen. Damit erhielten auch Berufseinsteiger bessere Chancen, die darauf angewiesen sind, von ihrer Arbeit zu leben.

Und wenn der Praktikant nur zuschauen will, wie es so läuft, in der Berufswelt? Dann kann er das sechs Wochen lang für 300 oder 400 Euro tun. Auch diese Ausnahme macht das Gesetz.

Der Mindestlohn und die bessere Definition eines Praktikums sind gut für das Unternehmen, weil es klare Erwartungen formulieren kann. Und der Praktikant weiß, dass er gebraucht wird, er kann sich ausprobieren. Das Unternehmen findet im besten Falle einen potenziellen neuen Mitarbeiter. Und wenn es besonders gut läuft, ist es am Ende vielleicht sogar der Chef, der sich mit einem Kuchen bedankt.

© SZ vom 06.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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