US-Gefangenenlager auf Kuba:Endspiel um Guantanamo

Activist holds a sign at a rally next to the White House in Washington calling for the closure of the U.S. run Guantanamo Bay prison in Cuba

Aktivisten fordern neben dem Weißen Haus die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo (Gitmo).

(Foto: Reuters)

Der US-Soldat Bergdahl wird bei seiner Rückkehr ein seltsames Land vorfinden: Die Stimmung ist giftig zu Hause, und sie könnte noch giftiger werden. Mit Bergdahl nämlich beginnt eine noch größere Auseinandersetzung - um die letzten Gefangenen von Guantanamo.

Ein Kommentar von Nicolas Richter, Washington

Als der US-Soldat Bowe Bergdahl 2009 in Afghanistan entführt wurde, war in Washington gerade ein junger Präsident namens Barack Obama ins Weiße Haus eingezogen. Er hatte den Amerikanern versprochen, das Land mit sich zu versöhnen und den Rechtsstaat wiederherzustellen. Gleich zu Beginn verfügte er zum Beispiel, das sehr umstrittene Gefangenenlager im US-Militärstützpunkt Guantanamo Bay zu schließen.

Nach fünf Jahren in den Händen der Taliban nun kehrt Bergdahl in seine Heimat zurück. Er wird ein seltsames Land vorfinden. Das Lager Guantanamo ist noch immer in Betrieb. Und in Washington scheint sich niemand über die Rückkehr des Soldaten zu freuen. Stattdessen werfen die Republikaner Obama vor, dass er fünf gefangene Taliban-Kämpfer gegen Bergdahl tauscht, ferner, dass er sich einsam im Weißen Haus verschanzt, statt das Parlament in diesen heiklen Handel einzuweihen, wie es das Gesetz ja auch verlangt.

Die Stimmung ist giftig zu Hause, und sie könnte noch giftiger werden. Mit Bergdahl nämlich beginnt eine größere Auseinandersetzung: das Endspiel um Guantanamo. Präsident und Kongress beanspruchen die Entscheidungshoheit darüber, was passieren soll mit den letzten Gefangenen aus dem "Anti-Terror-Krieg". Sie ringen darum, wer Hausherr ist in Guantanamo und wer das letzte Wort hat über das Vermächtnis der Bush-Jahre. Obama hat es aufgegeben, Amerika mit sich zu versöhnen. Ein anderes Ziel aber hat er behalten: das Lager in der Karibik abzuwickeln.

Obama will das Lager in Kuba um jeden Preis schließen

Das Schicksal Guantanamos ist eng mit Obamas Glaubwürdigkeit verwoben. Er hat das Lager früh zum Symbol erklärt für Missachtung des Rechtsstaats und Exzesse der Exekutive. Er wollte die Gefangenen auf das Festland verlegen und vor Gericht stellen. Aber der Kongress hat ihn daran gehindert: Etliche Republikaner halten Guantanamo noch immer für eine Festung im Meer, für ein Zeichen unbeirrbarer Terrorabwehr. Weil Präsident und Parlament einander lähmen, sind etliche Gefangene noch immer dort, wo Obamas Vorgänger Bush sie einst hinbringen ließ. Manche harren dort seit einem Jahrzehnt - ohne Prozess und ohne absehbares Ende.

In einem halben Jahr nun werden die USA ihre Kampfhandlungen in Afghanistan einstellen. Wenn Kriege enden, müssen Kriegsgefangene heimkehren. Obama weiß das: Er hat oft angedeutet, dass es sich kaum rechtfertigen ließe, die Taliban-Kämpfer - einst gefangen genommen auf dem afghanischen Schlachtfeld - über 2015 hinaus in Guantanamo zu behalten. Der Präsident könnte bald einen neuen sachlichen Grund dafür anführen, jedenfalls diese Feinde nach Hause zu schicken.

Wenn Obama das verhasste Lager in der Karibik schon nicht ohne Weiteres schließen kann, so möchte er es doch dezimieren, indem er möglichst viele Insassen in deren Heimatländer schickt oder in Drittstaaten. Einem Agenturbericht zufolge bereitet Washington eine bedeutende Zahl von Entlassungen vor, auch mit Deutschland wird über die Aufnahme eines Gefangenen verhandelt.

Der Kongress hat diese Alternativtaktik kommen sehen und per Gesetz festgelegt, dass der Präsident jede Verlegung im Voraus anmelden muss. Obama sieht dies als unzulässige Bevormundung des Oberbefehlshabers, weshalb er nun versucht, die Kontrolleure im Kapitol zu umgehen. Die Republikaner drohen wiederum mit Amtsenthebung, wenn er noch einmal eigenmächtig Verdächtige entlässt.

Obama dürfte sich auf die Machtprobe einlassen. Schon jetzt achtet er immer weniger auf Stimmungen, Umfragen, Wahlen. Er achtet auf sein Erbe, auf das, was in der Geschichte bleiben wird. Ein Beispiel ist die neue Initiative zum Klimaschutz - sie ist vielerorts unbeliebt, aber der Präsident tut es, weil er es für richtig hält. Obama wollte der Präsident sein, der dem gescheiterten Experiment Guantanamo ein Ende setzt. Er hat es nicht aufgegeben, dies zu seinem Vermächtnis zu machen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: