Friedensgebet im Vatikan:Papst fordert Mut von Peres und Abbas

Pope Francis welcomes Peres, Abbas

Papst Franziskus (rechts) begrüßt Israels Staatspräsident Schimon Peres (links) und den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas (Mitte).

(Foto: dpa)

"Um Frieden zu schaffen, braucht es Mut": Papst Franziskus betet gemeinsam mit Palästinenserpräsident Abbas und Israels Staatschef Peres für Frieden im Nahen Osten - dabei entstehen Bilder, die das bisherige Scheitern der Politik noch schwerer hinnehmbar machen.

Von Andrea Bachstein, Vatikanstadt

"Es ist eine Begegnung, die dem brennenden Wunsch all derer entspricht, die sich nach dem Frieden sehnen und von einer Welt träumen, in der Männer und Frauen als Geschwister leben können und nicht als Gegner oder als Feinde", so hat Papst Franziskus am Sonntagabend das von ihm initiierte Friedensgebet der drei großen Religionen für den Nahen Osten beschrieben.

"Um Frieden zu schaffen, braucht es Mut", sagte der Papst mitten im Grün der Gärten des Vatikan, "mehr als für Krieg". Er hoffe, dies sei der Beginn eines neuen Weges, sagte Franziskus, der mit dem bisher einmaligen Ereignis erneut gezeigt hat, wie sehr er auf die Kraft persönlicher Begegnungen setzt.

Vor der Zeremonie unter freiem Himmel umarmten sich Israels Präsident Schimon Peres und der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Anwesenheit des Papstes im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Dort empfing Franziskus die beiden auch zu Einzelgesprächen. Gut anderthalb Stunden lang beteten dann jüdische, christliche und muslimische Vertreter aus Israel und Palästina nacheinander, auch die orthodoxen Patriarchen nahmen teil. Am Ende der Gebete pflanzten der Papst, die beiden Präsidenten sowie der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel gemeinsam einen Olivenbaum als Friedensymbol.

"Pause von der Politik"

Das in viele Länder live übertragene Ereignis will der Papst ausdrücklich nicht als politisches Eingreifen verstanden wissen, sondern als Impuls zur Belebung des gemeinsamen Friedenswillens und des festgefahrenen Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern. Man erwarte keine sofortigen konkreten Ergebnisse, hatte Vatikansprecher Padre Federico Lombardi im Vorfeld gesagt, um den Erwartungsdruck zu senken, niemand mache sich Illusionen, dass nun sofort Frieden in Nahost ausbrechen werde.

Der Franziskaner-Obere Pierbattista Pizzaballa aus Jerusalem, Kustos des Heiligen Landes, der von Franziskus mit der Organisation beauftragt war, betonte in Rom den spirituellen Charakter des Ereignisses: Außer den Präsidenten waren ausdrücklich keine Politiker in den relativ kleinen Delegationen erwünscht, sondern gesellschaftliche Vertreter beider Länder. Das Treffen solle "eine Pause von der Politik" sein.

Franziskus hatte die Einladung zu dieser Begegnung der Religionen aus beiden Nationen bei seinem Besuch in Israel vor zwei Wochen überraschend ausgesprochen, und umgehend hatten sowohl Peres wie Abbas ihre Bereitschaft erklärt, dafür nach Rom zu kommen. Die gemeinsame "Anrufung des Friedens" von Christen, Juden und Muslimen fällt in eine Phase zunehmender Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern, nachdem diese in der vergangenen Woche eine Einheitsregierung aus den bislang verfeindeten politischen Gruppen Fatah und Hamas gebildet haben.

Israels Präsident, Friedensnobelpreisträger Peres, sagte, "Israelis wie Palästinenser sehnen sich noch immer nach Frieden. Wir müssen den Schmerzensrufen, der Gewalt, dem Konflikt ein Ende setzen. Wir brauchen alle Frieden. Frieden zwischen Gleichen". Dafür müssten alle Kräfte mobilisiert werden, selbst wenn das Opfer und Kompromisse verlange.

Ergreifende, medienwirksame Bilder

Mahmud Abbas sprach von einem gerechten Frieden, um den er für Christen wie Muslime Gott bitte: "Wir wollen Frieden für uns und unsere Nachbarn". Freiheit und Menschenwürde sollten in einem "souveränen und unabhängigen Staat" des palästinensischen Volks geachtet werden. Über Jerusalem sagte Abbas, dass Juden, Christen, Muslime und alle anderen sich dort bei Gebet und Gottesdienst sicher fühlen können müssten.

Der Vatikan hatte sich alle Mühe gegeben, das Gebetstreffen möglichst schnell im Anschluss an die Nahostreise des Papstes zu realisieren, um etwas vom Momentum dieses Besuchs mitzunehmen. Auch, weil die Amtszeit von Schimon Peres kurz vor dem Ende steht. Die Wahl des Orts bedurfte viel Fingerspitzengefühl. Obwohl sich alles auf dem Territorium des Vatikan abspielte, durften keine religiösen Symbole sichtbar sein, die Juden oder Muslime hätten stören können. So fiel die Wahl auf ein von hohen Hecken umstandenes Rasenfeld der Vatikan-Gärten, in denen sonst unter den täglichen Spaziergängern der emeritierte Papst Benedikt XVI. unterwegs ist. Der Papst und die Präsidenten gingen allerdings nicht zu Fuß vom Gästehaus Santa Marta dorthin, sondern rollten in einem weißen Kleinbus über die ruhigen Wege hinter den Vatikanmauern.

Betonte schlichte Zeremonie

Unübersehbar war, dass der Papst bei seiner Friedensmission nicht nur auf die persönliche Begegnung der Konfliktseiten setzte, sondern auch weltweite, medienwirksame Präsenz für diesen Akt gesucht hat. Schon am Sonntagmittag warb er per Twitter: "Frieden ist ein Geschenk Gottes, aber auch wir müssen dafür Anstrengungen unternehmen. Das Gebet ist allmächtig. Lasst es uns nutzen, Frieden in den Nahen Osten und auf die ganze Welt zu bringen."

Für die Fernsehkameras waren Zeitpunkt und Ort der Friedensgebete ein Geschenk, und gaben bei aller betonten Einfachheit der Zeremonie etwas sehr Feierliches: Azurfarbener Himmel wölbte sich an diesem ersten heißen Tag des Jahres über Rom, die Sonne stand um 19 Uhr zu Beginn schon tief und erleuchtete die glänzenden Ligusterblätter am Rand des schon schattigen Rasenfelds.

Das Szenenbild und die Perspektiven hätte ein Filmregisseur kaum besser erdenken können: Längs dunkler Thujenhecken saßen die jeweils knapp 30-köpfigen Delegationen von Vatikan, Israelis und Palästinensern. Wo die Hecke in einem spitzen Winkel aufeinander zulaufen, saßen auf beigefarbenen Samtsesseln der Papst und zu seinen Seiten Peres und Abbas. Die Drei ergriffen als Letzte das Wort, jeder von ihnen sprach ein Gebet. Viele Gesten der Herzlichkeit, Händeschütteln und Umarmungen kamen zu den Worten hinzu.

Zu den Gästen gehörten auch die beiden alten Freunde aus Argentinien, die den Papst schon auf der Nahostreise begleitet und ihren ökumenischen Charakter verkörpert hatten - der Rabbiner Abraham Skorka und der Muslim Imam Omar Abboud, die der Papst demonstrativ vor der Klagemauer in Jerusalem umarmt hatte.

"Wir haben einen Ruf vernommen, und wir müssen antworten"

In Italienisch, Englisch, Hebräisch und Arabisch wurden nun in Rom die Gebete gesprochen, alle, die in Israel und Palästina leben, sollten nicht nur mit ihren Religionen, sondern auch ihren Sprachen repräsentiert sein. "Schalom, Pace, Salam" endete auch der sich sonst fast nur auf Italienisch äußernden Franziskus, der seinen Appell am Schluss wiederholte: "Wir haben einen Ruf vernommen, und wir müssen antworten - den Ruf, die Spirale des Hasses und der Gewalt zu durchbrechen, sie zu durchbrechen mit einem einzigen Wort: ,Bruder'. Doch um dieses Wort zu sagen, müssen wir alle den Blick zum Himmel erheben und uns als Söhne eines einzigen Vaters erkennen."

Die "Anrufung des Friedens" war zuvor eine von "musikalischen Meditationen" unterbrochene Abfolge von Gebeten gewesen, bei der die Religionen nach ihrer Entstehungen an der Reihe waren: Zuerst die Juden, dann die Christen und dann die Muslime. Jeweils drei Gebete für jede Religion - ein Dankgebet, ein Bitte um Vergebung und dann die Bitte um Frieden. Schlichter hätte das alles kaum geschehen können - ergreifender auch kaum.

Es sind Bilder entstanden, die das Scheitern der Politik, Verständigung zu finden, noch schwerer hinnehmbar machen. Es solle der Weg sein zur Suche "nach dem, was eint, um zu überwinden, was trennt", sagte der Papst. Einfache, klare Worte, und überall verständliche Bilder und Gesten, auch für ein vielleicht historisches Treffen. Was immer seine Initiative bringen könnte, an diesem Franziskus-Stil werden sich andere künftig messen lassen müssen, die den Frieden in Nahost auf der Tagesordnung haben.

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