Wikileaks-Quelle zum Irak:Manning wirft USA Lügen vor

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Wie kontrolliert die US-Armee die Medienberichte über ihr Engagement im Irak? Die Wikileaks-Informantin Chelsea Manning geht Washington in einem Beitrag für die "New York Times" hart an und wirft der Regierung vor, den Amerikanern die Wahrheit über die Lage zu verschweigen.

  • Manning wirft USA Lügen vor
  • Britischer Ex-Premier Blair weist Verantwortung zurück
  • Dschihadisten sprechen von Hunderten Exekutionen
  • Außenminister Steinmeier lehnt deutsche Soldaten im Irak ab

Wikileaks-Quelle Manning wirft USA Lügen zum Irak vor: Die Wikileaks-Informantin Chelsea Manning hat der US-Regierung vorgeworfen, der Bevölkerung die Wahrheit über die Lage im Irak zu verschweigen. Da der Irak nach dem Vormarsch sunnitischer Dschihadisten vor einem Bürgerkrieg stehe und die USA "erneut eine Intervention erwägen", stelle sich die Frage umso dringender, "wie die Armee der Vereinigten Staaten die Medienberichte über ihr Engagement dort und in Afghanistan kontrolliert", schrieb Manning in einem am Sonntag veröffentlichten Beitrag für die New York Times.

Die damals noch mit dem Vornamen Bradley als Mann lebende Manning hatte während der Stationierung im Irak vor vier Jahren hunderttausende Armeedokumente sowie Depeschen der US-Diplomatie von Militärrechnern heruntergeladen und der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt. Nach eigenen Angaben wollte Manning eine öffentliche Debatte über die Kriege in Afghanistan und im Irak anstoßen. Im Mai 2010 wurde der damalige Obergefreite auf einem Stützpunkt nahe Bagdad festgenommen, im vergangenen August wurde Manning zu 35 Jahren Haft verurteilt.

In ihrem Beitrag für die New York Times schrieb Manning, "die derzeitigen Grenzen der Pressefreiheit und der schwere Schleier des Regierungsgeheimnisses" verhinderten, dass die US-Bürger "voll erfassen, was in den Kriegen passiert, die wir finanzieren". Damit werde den Wählern die Möglichkeit genommen, "das Verhalten ihrer Führer zu beurteilen". Manning warf der US-Regierung und der Armee vor, die öffentliche Meinung über den Irak-Konflikt gezielt beeinflusst zu haben. "Wie konnten die obersten Entscheidungsträger behaupten, dass die öffentliche Meinung und der Kongress den Konflikt unterstützen, obwohl diese nur über die Hälfte der Informationen verfügen?" So seien beispielsweise während ihres Aufenthalts im Irak nie mehr als zwölf US-Journalisten gleichzeitig dort akkreditiert gewesen, obwohl das Land 31 Millionen Einwohner zähle und damals 117.000 US-Soldaten im Einsatz waren.

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Von Stefan Braun

Blair sieht in Islamisten-Vormarsch keine Folge der Irak-Invasion 2003: Der frühere britische Premierminister Tony Blair sieht die aktuelle Gewalt im Irak nicht im Zusammenhang mit der US-geführten Invasion 2003, an der auch Großbritannien beteiligt war. Die Argumentation, dass es ohne ein militärisches Eingreifen jetzt keine Krise in der Region geben würde, sei "bizarr", schreibt Blair auf seiner Website. Die grundlegende Ursache für die Krise sei in der Region zu suchen, sagte er auch der BBC. Er wirft der Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki vor, die "einmalige Chance" verpasst zu haben, "einen geeinten Irak aufzubauen". Die sunnitischen Minderheit im Irak fühlt sich von der Regierung unter dem schiitischen Regierungschef benachteiligt. Der Vormarsch der Islamisten im Irak sei auch durch den Bürgerkrieg im benachbarten Syrien begünstigt worden, wo die Extremisten Kampferfahrung sammeln konnten, schreibt Blair weiter. Er spricht sich dafür aus, den moderaten Rebellen in Syrien "die nötige Unterstützung" zu gewähren und fordert gleichzeitig ein entschiedenes Vorgehen gegen Extremisten in Syrien und im Irak.

Der damalige US-Präsident George W. Bush hatte im März 2003 ohne Mandat der Vereinten Nationen den Einmarsch in den Irak angeordnet. Die "Koalition der Willigen", zu denen auch das damals von Blair regierte Großbritannien zählte, stürzte binnen weniger Wochen den irakischen Machthaber Saddam Hussein. Nach achtjähriger Besatzung verließen Ende 2011 die letzten US-Soldaten den Irak.

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Dschihadisten sprechen von hunderten Exekutionen: Die Dschihadisten haben nach eigenen Angaben Hunderte irakische Soldaten hingerichtet. Am Sonntag im Internet verbreitete Fotos zeigen Dutzende Leichen. Die Echtheit der Bilder, die in der Provinz Saleheddin nördlich von Bagdad gemacht worden sein sollen, konnte nicht überprüft werden. Ein Foto zeigt eine Reihe gefesselter Männer in Zivilkleidung mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Auf einem zweiten Bild werden die Männer auf Lastwagen geladen. Auf einem weiteren Foto ist zu sehen, wie die Männer gezwungen werden, sich in einer flachen Grube auf den Boden zu legen, während Kämpfer mit der Isis-Fahne zuschauen. Dann wird gezeigt, wie die mit Sturmgewehren bewaffneten Isis-Kämpfer in die Grube feuern.

Außenminister Steinmeier lehnt deutsche Soldaten im Irak ab: An einer Stabilisierung des Irak wird sich Deutschland nach Aussage von Außenminister Frank-Walter Steinmeier allenfalls in geringem Umfang beteiligen. "Wir sollten den möglichen deutschen Beitrag nicht überschätzen", sagte Steinmeier der Welt am Sonntag. "Ich kann mir keine Konstellation vorstellen, in der deutsche Soldaten dort zum Einsatz kommen", machte der SPD-Politiker deutlich. Er rief die Staaten in der Region dazu auf, Verantwortung zu übernehmen, und nannte ausdrücklich auch Iran. "Wir müssen verhindern, dass jetzt auch noch auf irakischem Boden ein Stellvertreterkrieg der regionalen Mächte ausbricht", forderte Steinmeier.

"Alle Nachbarn - Saudi-Arabien, die Golfstaaten, die Türkei, übrigens auch der Iran - können kein Interesse daran haben, dass sich jenseits Syriens in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ein riesiger herrschaftsloser Raum entwickelt, der zum Tummelplatz für Söldnergruppen, Islamisten jedweder Couleur und Terroristen wird." Der irakischen Regierung warf der Außenminister schwere Versäumnisse vor. "Die internationale Hilfe ist nicht ausreichend zur Herstellung politischer und wirtschaftlicher Stabilität eingesetzt worden", kritisierte er. "Deutschland hat in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 400 Millionen Euro bereitgestellt, andere Länder noch mehr."

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