Vogel mit Satellitensender:Kuckuck Nimmersatt

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Als eines der ersten Kuckucksweibchen wurde Ruth mit einem Sender ausgerüstet. Ein Jahr lieferte sie Vogelschützern wichtige Erkenntnisse. Bis Ruth gegen eine Scheibe flog - und die Forscher nochmal überraschte.

Von Christian Sebald

Heute soll es sich an dieser Stelle nur kurz um Käpt'n Kuck drehen. Nur so viel: Dem SZ-Kuckuck geht es hervorragend. Er tummelt sich weiter in der Umgebung des niederbayerischen Bogen, wo er alles hat, was so ein Kuckuck für sein Wohlbefinden braucht. Diesmal geht es um das Kuckucksweibchen Ruth, das sich ein Jahr lang verdient gemacht hat um das Forschungsprojekt des Vogelschutzbundes LBV und das jetzt bei Wörth an der Donau abgestürzt und verendet ist.

Ruth flog gerade in einem Garten umher, da übersah sie eine große und fest verschlossene Terrassentür. Der Zusammenstoß war so heftig, dass das Vogelweibchen sofort tot war. Aber noch als Kadaver leistete Ruth der Wissenschaft wichtige Dienste.

"Eine unserer vorbildlichsten Fliegerinnen"

Doch der Reihe nach: Ruth gehörte zu den ersten Kuckucken, denen der Vogelschutzbund LBV vor mehr als einem Jahr hochmoderne Satellitensender wie einen kleinen Rucksack auf den Rücken geschnallt hatte. "Und sie hat sich alsbald als eine unserer vorbildlichsten Fliegerinnen entpuppt", sagt der LBV-Mann Marcus Erlwein. "Auf ihrem Weg nach Zentralafrika und wieder zurück hat sie Zigtausende Kilometer in der Luft verbracht und dabei allen möglichen Gefahren getrotzt."

Gleich ob es wilde Sandstürme und die Gluthitze in der Sahara waren, die Vogelfänger in Italien oder Nordafrika, die mit Leimruten, Netzen und Flinten allen Vögeln nachstellen, die ihnen essbar erscheinen, oder die sintflutartigen tropischen Regenfälle im Kongo, wo das Kuckucksweibchen überwinterte - Ruth war nicht zu bremsen, ein Jahr übermittelte sie eine Unmenge Daten ins mittelfränkische Hilpoltstein, wo die Zentrale des LBV ihren Sitz hat. "Aber das Beste war, dass sie pünktlich zur Paarungszeit wieder zurück war in den Donau-Auen nahe Regensburg", sagt Erlwein. "Wir alle hier waren richtig stolz auf Ruth."

Und nun das. Die Wucht, mit der das Vogelweibchen gegen die Glasscheibe der Terrassentür prallte, war so stark, dass der Hausbesitzer in seinem Wohnzimmer hochschreckte und sofort nachsah. Für Ruth kam jede Hilfe zu spät. "So schlimm das auf der einen Seite anmutet, für unserer Forschungsprojekt hat sich das als Glücksfall entpuppt", sagt Erlwein. Denn der Hausbesitzer wusste gleich, dass es ein ganz besonderer Vogel war, der da zu Tode gekommen war.

Er hatte aus den Medien von dem Kuckucksprojekt des LBV erfahren und erkannte sofort den Satellitensender auf Ruths Rücken. Also brachte der Mann den kleinen Kadaver zur Polizei. Die wiederum stellte den Kontakt zum LBV her und so landete Ruth schließlich auf dem Untersuchungstisch einer Biologin. "Das war richtig spannend", sagt Erlwein. "Wann hat man das als Forscher schon: einen soeben verunglückten Vogel auf dem Seziertisch."

Die Biologin obduzierte das Kuckucksweibchen nach allen Regeln der Kunst - mit einem völlig überraschenden Ergebnis. In Ruths Magen fanden sich die Überreste von sage und schreibe 477 verschiedenen Raupen. "477 Raupen, wir haben erst gar nicht glauben wollen, dass ein Kuckuck so viele Raupen auf einmal vertilgen kann," sagt Erlwein. "Das Beste aber ist, dass 470 dieser 477 Raupen von der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte stammten." Kurz vor ihrem Tod hat Ruth offenbar ein ganzes Gespinst dieser weit verbreiteten Falterart ausgehoben und sich daran so richtig sattgefressen.

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Übrigens: Ruths Satellitensender hat den Unfall intakt überstanden. " Wir können uns das nur so erklären, dass ihn das Weibchen mit seinem Körper beim Aufprall abgefedert hat", sagt Erlwein. Wie auch immer, die LBV-Leute haben alsbald einen neuen Kuckuck eingefangen. Franz heißt das Männchen, das Ruths Hightech-Gerät jetzt auf seinem Rücken trägt.

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Wie Käpt'n Kuck wird sich Franz womöglich schon in drei oder vier Wochen zu seinem großen Flug nach Zentralafrika aufmachen. Davor aber tanken Käpt'n Kuck, Franz und all die anderen LBV-Kuckucke noch einmal so richtig Kraft in den Au-Landschaften an der bayerischen Donau. "Die futtern sich so allmählich Reserven an, damit sie auch längere Strecken nonstop in der Luft bleiben können", sagt Erlwein. "Vor seinem großen Flug nimmt so ein 120 Gramm schwerer Kuckuck bis zu 25 Gramm zu."

  • Die Flugrouten weiterer besonderter Kuckucke des LBV finden Sie hier.
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