Spanien nach dem WM-Aus:Tiki-Taka tot

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Entsetzen in Madrid: Spanische Fans beim Fußballschauen (Foto: Getty Images)

Ganz Spanien ist fassungslos: Die lange unbezwingbare Nationalmannschaft kann bei der WM nach nur zwei Gruppenspielen wieder die Koffer packen. Was den Spaniern bleibt, ist die Erinnerung an große Momente - und Spott.

Von Lisa Sonnabend

Viele können es einfach nicht fassen, sie halten sich die Hände vors Gesicht. Die aufgemalten rot-gelben Fähnchen im Gesicht verwischen. Überall fuchteln Menschen mit den Händen, sie diskutieren, wie es nur soweit kommen konnte. Andere schließen einfach die Augen, sie ertragen es nicht mehr. Und manche falten die Hände - und beten. Doch auch das hilft nichts mehr.

Der Weltmeister Spanien verlor am Mittwoch mit 0:2 gegen Chile - und ist nach nur zwei Gruppenspielen bei der WM 2014 ausgeschieden. Jenes Team von Vicente Del Bosque also, das seit sechs Jahren die anderen Nationalmannschaften der Welt erbarmungslos vorführte. Die entsetzten Gesichter von den Fans beim Public Viewing in Madrid machen deutlich: Wenn jemand ganz oben steht und von dort aus stürzt - und dann auch noch so tief, dann schmerzt es besonders.

Pressestimmen zum Spanien-Aus
:"Spanien war die Titanic"

Die spanischen Medien reagieren geschockt auf das Aus des Weltmeisters - aber auch beschämt. Viele sehen in dem WM-Fiasko das Ende von Tiki-Taka. Pressestimmen zu Spaniens Niederlage gegen Chile.

Auch Spaniens Torwart Iker Casillas war der Schock anzusehen, als er nach der Partie in der Interviewzone stand. Er biss sich auf die Lippen, er schüttelte den Kopf. "Hombre", brachte er hervor. Dann musste er kurz pausieren, um sich zu sammeln. Er konnte nur hinzufügen: "Ich möchte mich bei den Fans entschuldigen." Tränen schossen in seine Augen.

Es sind historische Stunden in Spanien: Am Donnerstagvormittag hat das Land eine neuen König bekommen, Felipe VI. legte den Eid ab. Und wenige Stunden zuvor geschah das bittere WM-Aus. Nie zuvor hatte bei einer Weltmeisterschaft der Titelverteidiger die beiden ersten Gruppenspiele verloren. "Spaniens Nationalelf dankt ab" - so titelten Zeitungen in Spanien und in zahlreichen anderen Ländern am Morgen danach.

MeinungWM-Aus von Titelverteidiger Spanien
:Xaviniesta hat den neuen Trend verpasst

Willkommen zurück auf der Erde! Dem spanischen Nationalteam um Xavi und Iniesta ist der Biss abhanden gekommen. Nach all den Triumphen ist das ein menschlicher Zug. Der Kollaps des Weltmeisters lässt sich aber auch in einem größeren Zusammenhang erklären: Der Fußball erfindet sich gerade neu.

Ein Kommentar von Jonas Beckenkamp

Das Internet spottet über die unglücklich agierenden Spieler. Iker Casillas, der sich wie schon gegen Holland wieder einen Patzer erlaubte, wird mal als alte kurzsichtige Frau dargestellt, die verzweifelt nach dem Ball sucht. Mal wird ein Foto vom grinsenden José Mourinho, der Casillas einst auf die Bank verbannte, gezeigt - mit den Worten: "Ich hatte recht."

Es bleibt den Spaniern wohl derzeit nichts anderes übrig, als Galgenhumor zu zeigen. Ein User bot sein Spanien-Trikot für nur 4,99 Euro zum Kauf an. "Nur zweimal getragen", warb er. Ein anderer stellte ein Foto vom kürzlich abgedankten König Juan Carlos online und legte ihm folgende Worte in den Mund: "Als ich noch König war, schieden wir nicht in der Gruppenphase aus."

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Spanien diskutiert nun, wie es mit der Nationalelf weitergeht: Ist Tiki-Taka tot? Muss die Nationalmannschaft einen Generationenwechsel vollziehen oder können Xavi, Iniesta & Co. es noch einmal richten? Abschließende Antworten sind noch nicht gefunden.

Was bleibt neben der Enttäuschung, ist die Erinnerung. Die sonst sehr seriöse Tageszeitung El País schreibt: "Wir haben nicht gewonnen, aber wir vergessen nicht." An die Nationalkicker gerichtet heißt es: "Ihr seid einzigartig, ihr habt euch verewigt, danke Jungs!" Und die Sportzeitung Marca schaut in einem Kommentar bereits nach vorne, sie prophezeit hoffnungsvoll: "Volveremos" - wir kommen wieder! Die Frage ist nur: wie.

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