TU München:Ein Auto für die Stadt

TU München: Das Visio M im Praxistest auf dem Rollfeld des ehemaligen Flughafens Neubiberg.

Das Visio M im Praxistest auf dem Rollfeld des ehemaligen Flughafens Neubiberg.

(Foto: Claus Schunk)

Mit dem Visio M will die Technische Universität München zeigen, dass man Elektroautos auch günstig bauen kann - und damit die Branche "ein kleines bisschen aufmischen".

Von Marco Völklein

Ein paar hundert Kilometer hat Andreas Schultze mit dem Prototypen schon runtergespult. Und heute werden noch einmal ein paar Kilometer mehr dazukommen. Schultze jedenfalls, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität München (TUM), kann gar nicht genug kriegen von dem "Visio M" genannten Elektroauto. "Sehr agil" sei der Kleinstwagen unterwegs. "Es macht richtig Spaß, mit dem zu fahren", sagt der 28-Jährige. Und würde er auch einen kaufen, wenn es ihn denn schon gebe? "Klar", sagt er. "Als Zweitwagen ganz bestimmt."

Genau dafür ist der Visio M auch ausgelegt, sagt Markus Lienkamp, Professor an der Fakultät für Maschinenwesen der TUM. Platz für zwei Personen bietet das Auto, dazu 500 Liter Stauraum fürs Gepäck. Die Reichweite geben Lienkamp und seine Leute mit mindestens 100 Kilometern an, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 120 Stundenkilometern. "Ein Auto für die Stadt", sagt Lienkamp - das soll der Visio M sein.

"Ein Elektroauto bauen kann jeder"

Seit März 2012 entwickeln die TUM-Forscher das E-Auto, das zunächst "Mute" genannt wurde. Mit ihm hofft Projektleiter Lienkamp, die Branche aufrütteln, vielleicht sogar ein kleines bisschen aufmischen zu können. "Ein Elektroauto bauen kann jeder", sagt der Professor. Dazu gebe es genug Beispiele von Autokonzernen. "Aber ein Elektroauto günstig zu bauen - das schafft nicht jeder."

TU München: Das Auto soll am Ende in etwa das kosten, was man heute auch für einen benzingetriebenen Kleinwagen zahlt.

Das Auto soll am Ende in etwa das kosten, was man heute auch für einen benzingetriebenen Kleinwagen zahlt.

(Foto: Claus Schunk)

Lienkamp dagegen will zeigen, dass es geht. Deshalb hat er an diesem Mittwochvormittag nicht nur den Prototypen seines Visio M auf die ausgediente Rollbahn des ehemaligen Militärflugplatzes in Neubiberg schaffen lassen. Sondern auch noch einige Konkurrenten auf dem Automarkt - mit jeweils verschiedenen Antriebsarten. Es treten an: ein benzingetriebener VW Up gegen das Hybridauto Toyota Prius und die drei Elektro-Autos Nissan Leaf, Renault Twizy und Tesla Model S. Gegen sie alle soll der Kleinstwagen der TUM-Forscher bestehen. Mehr noch: Er soll zeigen, dass er überlegen ist. Zumindest unter dem Gesichtspunkt der Effizienz.

Dazu beschleunigen Lienkamp und seine Leute die Autos auf der einstigen Rollbahn auf eine jeweils zuvor genau bestimmte Geschwindigkeit - und lassen sie dann ausrollen. Verglichen wird dabei, wie weit die jeweiligen Fahrzeuge mit der identischen, kinetischen Energie kommen. Ergebnis: Der Tesla schafft gerade einmal 314 Metern.

Enorm viele, teure Batterien

Dann bleibt die zwei Tonnen schwere Limousine stehen. Der VW Up sowie der leichte Twizy kommen immerhin auf 605 beziehungsweise 656 Meter. Ganz weit vorne liegt, natürlich, der Visio M mit Testfahrer Schultze an Bord - mit 858 Metern. Forscher Lienkamp glaubt: "Wem es gelingt, ein günstiges Elektroauto zu bauen, der wird den Markt aufrollen."

Bislang allerdings sind E-Autos alles andere als günstig, was unter anderem daran liegt, dass die Autobauer den relativ schweren Autos enorm viele, teure Batterien spendieren müssen, um überhaupt eine vergleichsweise akzeptable Reichweite zu erreichen. Lienkamp will das ändern: Den Visio M haben er und seine Entwickler auf Effizienz getrimmt. Das Auto ist nur 1,30 Meter hoch und mit einem cW-Wert von 0,24 äußerst windschnittig.

Es ist mit einem Leergewicht von 450 Kilogramm (ohne Batterie) besonders leicht. Und um den Rollwiderstand zu verringern, haben die Forscher extrem schmale Reifen aufgezogen. Die wiederum machten es erforderlich, ein besonders sportliches Fahrwerk einzubauen - andernfalls sei das Auto in Extremsituationen kaum beherrschbar. Und genau dieses Fahrwerk sei es, dass dem Visio M sein "quirliges Fahrverhalten" verpasst, wie Testfahrer Schultze sagt.

Und dennoch: Trotz all der Technik soll das Auto am Ende in etwa das kosten, was man heute auch für einen benzingetriebenen Kleinwagen zahlt. Bei 15 000 bis 20 000 Euro will Lienkamp landen. Wobei die Entwickler vor allem die Gesamtkosten über die gesamte Lebensdauer im Blick haben: Denn laut Lienkamp wird der Visio M in der Anschaffung leicht teurer sein als ein Benziner. Im Unterhalt aber mit nur 2,50 Euro je 100 Kilometer werde man die Konkurrenten um Längen schlagen.

Auf der "Ecartec" soll das Auto präsentiert werden

Bis zum Herbst wollen die TUM-Entwickler das Fahrzeug nun erproben und weiterentwickeln. Auf der Elektroauto-Messe "Ecartec" im Herbst in München soll das fertige Auto dann präsentiert werden. Bis dahin "wird sich das Design noch ein wenig ändern", sagt der Professor geheimnisvoll. Und auch an der Bioethanol-Heizung, die im Winter für wohlige Wärme in dem Kleinstwagen sorgen soll, wird noch getüftelt. "Einige Überraschungen wird es noch geben", sagt Lienkamp.

Die größte wäre es natürlich, wenn der Kleinstwagen tatsächlich irgendwann einmal in Serie gehen würde. Mittlerweile haben sich neben den beiden Autokonzernen BMW und Daimler unter anderem der Reifenhersteller Continental und Siemens an Lienkamps Forschungsprojekt beteiligt. "Frühestens Ende 2014", erwartet der Professor, werde die Entscheidung fallen, ob eines dieser Unternehmen den Visio M tatsächlich bauen wird. Denkbar ist auch, dass nur Teile des Prototypen in andere Stromer einfließen werden.

Die werden kommen, so oder so. Das glaubt der Münchner Autoprofessor. Zumindest in urbanen Gegenden und auf den Strecken, die ein durchschnittlicher Pendler so täglich zurücklegt, seien es 40, 60 oder auch 80 Kilometer hin und zurück. "Für solche Kunden", sagt Lienkamp, "gibt es eigentlich nichts besseres."

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