Fußball-WM in Brasilien:Rooneys Traum zerplatzt

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Auch Wayne Rooneys erstes WM-Tor kann den Engländern nicht helfen. (Foto: dpa)

Es bedeutet wohl das Aus für England bei dieser WM: Nach der zweiten Niederlage im Spiel gegen Uruguay müsste schon ein Wunder geschehen, damit die Briten noch im Turnier verbleiben dürfen. Besonders tragisch ist das für Wayne Rooney.

Nur ein kleiner Hüpfer noch, das spürte Wayne Rooney, dann wäre es vollbracht. Er flog also in die Lüfte, er segelte über den am Boden liegenden Torwart Fernando Muslera hinweg, Rooney wollte ihn ja nicht verletzten. Erst recht nicht jetzt, nicht in diesem Moment, seinem wohl schönsten bei einer Fußball-Weltmeisterschaft. Rooney landete wieder, und der Ball: er war tatsächlich im Tor. Das 1:1 gegen Uruguay, die 75. Minute, plötzlich war alles wieder möglich, selbst der Traum von einem WM-Titel für Rooney.

Sein 30. Torschuss bei einer WM war es, den Rooney auf die Reise geschickt hatte, bei seiner dritten Endrunde als Englands Stürmer. Nur getroffen hatte er noch nie. Hemmungslos war also Englands Jubel, Steven Gerrard eilte herbei, er umarmte Rooney, drückte ihn wie einen Pokal. Doch was half es ihm, was half es den Engländern?

Zehn Minuten später stürmte Luis Suárez in den Strafraum, er zog ab aus spitzem Winkel, hämmerte den Ball vorbei an Englands Schlussmann Joe Hart. Das 2:1 für Uruguay, der Endstand. Für Suárez war es das zweite Tor, und für England das Ende aller Träume. Denn ein Wunder müsste geschehen, damit die Truppe von Roy Hodgson noch im Turnier verbleiben dürfte. "Wir müssen das jetzt genießen, müssen entspannen", sagte Suárez, "der Druck war so enorm in unserer Heimat, und das war jetzt unsere Antwort".

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England und Uruguay hatten ihre ersten Spiele verloren bei dieser Weltmeisterschaft, England 1:2 gegen Italien, Uruguay 1:3 gegen Costa Rica. Gegen Italien zu verlieren, das geht in Ausnahmefällen in Ordnung. Gegen Costa Rica zu verlieren, das ist meist etwas unnötig. Und so kam es, dass die Niederlagen in den zwei Weltmeisterländern (England 1966, Uruguay 1930 und 1950) doch sehr unterschiedlich kommentiert wurden. In England frohlockte die Presse ob der tollen spielerischen Ansätze gegen Italien, in Uruguay brach die Sehnsucht nach Luis Suárez aus, dem Stürmer, der gefehlt hatte gegen Costa Rica.

Es ging für beide Mannschaften um viel, man darf sagen: fast um alles. Leicht nervös legten sie also los, vor allem aber Uruguay. Den ersten kleineren Aufreger verursachte Schlussmann Fernando Muslera gleich nach ein paar Sekunden, als er einen harmlosen Kullerschuss nicht festhalten konnte, Sturridge wäre fast an den Ball gekommen.

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Man mochte dies noch damit erklären, dass Trainer Oscar Tabaréz seine Mannschaft gleich auf fünf Positionen umgestellt hatte. Teils erzwungen, teils erwünscht. Rechtsverteidiger Maxi Pereira musste seine Rotsperre aus der ersten Partie absitzen, Innenverteidiger Diego Lugano fehlte verletzt. Und Platz musste geschaffen werden für Luis Suárez, den versprochenen Heilsbringer der Südamerikaner, bester Schütze der Premier League, die Urgewalt des FC Liverpool, der nun wieder genesen sein sollte von seiner Knieverletzung. Und wie er das war.

Doch von Suárez war wenig zu sehen. Etwas weniger sogar noch als von Wayne Rooney, der ebenfalls eher dezent im Hintergrund wirkte. Zunächst. Wenn die Engländer jemand spielerisch nach vorne trieb zum Auftakt, dann war es Raheem Sterling mit seinen Sturmläufen, mal durch die Mitte, doch meist über rechts. Doch erstmals gefährlich wurde es erst, als sich Rooney zurecht machte für einen Freistoß, nach zehn Minuten.

Rooney stemmte also die Hände in die Hüften, er schnaufte dreimal tief durch, dann lief er an, zog ab, und der Ball: ganz knapp über die Latte. Gar nicht schlecht. Andererseits wünscht man keinem das, was Rooney in diesen Tagen widerfährt. Mit 39 Treffern ist er der fünftbeste Schütze der englischen Länderspiel-Historie, doch die Medien richteten ihn schon vor der Pleite gegen Uruguay mal wieder gnadenlos. Also probierte es Rooney erneut.

Diesmal, es lief die 30. Minute, nahm er noch mehr Anlauf, er schraubte sich in die Lüfte nach einem Eckball von Steven Gerrard, dann hämmerte er seinen Schädel gegen Ball, doch die Distanz zum Tor war fürchterlich knapp bemessen, weswegen der Ball nur gegen die Latte flog. So lief es für Rooney in der ersten Hälfte, gefährlich war er nur bei zwei Standardsituationen. Dabei hatte ihn Trainer Hodgson im Vergleich zur ersten Partie vom Flügel zurück verlagert auf seine Lieblingsposition hinter Stürmer Sturridge, doch gestalterisch fehlte ihm die Bindung ans Spiel.

Und dann schlug Luis Suárez erstmals zu. Nicolas Lodeiro umkurvte im Mittelfeld Gerrard, dann passte er nach vorne auf Edinson Cavani. Und Cavani ließ sich jetzt Zeit. Sehr viel Zeit. Er wartete auf Suárez, den sie in der Heimat "El Pistolero" nennen, denn er wusste: El Pistolero wird noch weiter nach vorne stürmen. So war das auch. Suárez lief, er köpfte, er traf (38.).

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Wer nun dachte, England würde nach der Pause wie eine Furie den Ausgleich suchen, der sah sich zunächst getäuscht. Suárez versuchte Englands Torwart Joe Hart mit einem direkt getretenen Eckball zu überlisten (49.), dann vergab Cavani freistehend vor Hart, wenngleich aus spitzem Winkel (52.). Der Rest ist Geschichte. Erst traf Wayne Rooney, dann abermals Luis Suárez.

"Es könnte ein schrecklich langer, frustrierender Sommer werden, wenn wir es am Donnerstag nicht richtig machen", hatte Englands Kapitän Gerrard prophezeit. Und Roy Hodgson befand: "Ein ganz schlechtes Resultat für uns. Jetzt müssen wir darauf hoffen, dass Italien beide Partien gewinnt." Tja. Aller Wahrscheinlichkeit nach erwartet die Engländer eher ein schrecklicher Sommer. Obwohl Rooney diesmal ziemlich viel richtig machte.

© SZ vom 20.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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