Etiketten angeblicher Zwangsarbeiter:Primark nennt Hilferufe Fälschungen

Primark

Ein junger Mann hält eine Einkaufstüte des Textildiscounters Primark. Kritiker werfen dem Konzern Ausbeutung vor.

(Foto: dpa)

Authentisches Zeugnis von Ausbeutung oder nur eine Kampagne? Die Modekette Primark will die Botschaften untersucht haben, die in ihren Klamotten gefunden wurden: Sie spricht von Fälschungen - denn die Hilferufe kämen aus derselben Quelle, die Kleidungsstücke aber von unterschiedlichen Kontinenten.

Von Björn Finke, London

LondonDer Druck auf das Unternehmen wächst, aber zugleich erscheint es als unwahrscheinlich, dass etwas dran ist an den Vorwürfen gegen die irische Billigmode-Kette Primark: Drei Kundinnen in Nordirland und Wales fanden in ihren Kleidungsstücken eingenähte Hilferufe von Arbeitern, die über entwürdigende Bedingungen in Fabriken sowie Zwangsarbeit in einem chinesischen Gefängnis berichteten.

In Berlin riefen Organisationen, die sich für fairen Handel einsetzen, zu Protesten auf, wenn am kommenden Donnerstag am Alexanderplatz eine neue Primark-Filiale eröffnet. Margaret Ritchie, Unterhaus-Abgeordnete aus Nordirland für die dortigen Sozialdemokraten, fordert von der britischen Regierung eine Untersuchung.

Primark hingegen bestreitet, dass Zulieferer Zwangsarbeiter einsetzten oder in Fabriken menschenunwürdige Bedingungen herrschten. Die Firma, die in Deutschland seit 2009 ihre Billigtextilien an den Mann und die Frau bringt, sieht sich als Opfer einer Kampagne mit falschen Hilferufen. Die zwei Stücke aus Wales - ein Kleid und ein Top - seien inzwischen untersucht worden, teilte der Konzern am Freitag mit. Das Ergebnis: Die eingenähten Botschaften seien sehr wahrscheinlich in Großbritannien hergestellte Fälschungen.

Das dritte Teil - eine Hose aus Nordirland - sei noch nicht bei Primark eingegangen, sagte ein Sprecher. Das Unternehmen stützt seine Schlussfolgerung auf eine Analyse der eingenähten Botschaften: Die stammten "eindeutig vom gleichen Urheber". Daher könnten sie nicht authentisch sein, denn die zwei Stücke kämen aus unterschiedlichen Fabriken - eins aus Rumänien, eins aus Indien. Was das Top und das Kleid gemein hätten, sei hingegen, dass sie beide 2013 in einer Primark-Filiale im walisischen Swansea gekauft wurden.

Was die Hose aus Nordirland angeht, erklärt Primark, dass diese dort zuletzt 2009 im Angebot war. Die Kundin, die nun den Hilferuf fand, hatte hingegen gesagt, sie hätte das Teil 2011 bei Primark erworben. Die Firma untersuche, ob ein Zusammenhang zu den Fälschungen aus Wales bestehe.

Zugleich versicherte die Tochter des britischen Konsumgüterkonzerns Associated British Foods (ABF), dass auch die Bedingungen bei den Zulieferern vor Ort überprüft würden. Als Mitglied der Ethical Trading Initiative halte sich das Unternehmen an die Standards, die diese Branchenorganisation für die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern vorgibt. Jede Fabrik werde kontrolliert, im vergangenen Jahr hätten 2058 dieser Prüfungen stattgefunden.

Trotzdem kritisieren Initiativen wie die Kampagne für Saubere Kleidung Primark und andere Modefirmen wegen der Bedingungen bei Zulieferern. "Das ist nicht nur ein Hilfeschrei, sondern ein Appell an die Weltöffentlichkeit", sagte Berndt Hinzmann von der Kampagne mit Blick auf die umstrittenen Botschaften in Primark-Kleidung. Primark wird wegen seiner Kampfpreise besonders oft angegriffen: Wenn Kleider für unter fünf Euro zu haben sind, wie kann dann in den Fabriken alles mit rechten Dingen zugehen? Diese Frage stellen sich viele.

Im April vergangenen Jahres stürzte in Bangladesch eine mehrstöckige Textilfabrik ein, mehr als 1100 Menschen starben. Sie hatten auch für Primark gearbeitet, weswegen das Unternehmen nach eigenen Angaben mehr als zwölf Millionen Dollar in einen Entschädigungsfonds für Opfer und Hinterbliebene einzahlte. Die Hilferufe sind also nicht der erste Skandal für die Firma. Vermutlich sind sie gar kein Skandal - anders als die Katastrophe von Bangladesch.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: