Kämpfe im Irak:Isis ruft Kalifat aus

Die Islamistengruppe Isis verkündet in einer Audiobotschaft ein Kalifat für den Irak und Syrien. Kalif und damit "Anführer aller Muslime" sei Isis-Chef al-Bagdadi. Die Regierung des Irak erhält mehrere Kampfjets aus Russland.

  • Im Irak halten die Gefechte zwischen den Isis-Milizen und den Regierungstruppen an. Die Terrororganisation ruft in einer Audiobotschaft ein Kalifat aus.
  • Isis-Kämpfer kreuzigen Anhänger von gemäßigten Rebellengruppen in Syrien, im Irak soll Isis Massenexekutionen durchgeführt haben.
  • Die irakische Armee erhält mehrere Kampfjets aus Russland.
  • Eine Großoffensive zur Rückeroberung der Stadt Tikrit ist gestartet.
  • Im Kampf gegen die Isis-Islamisten weiten die USA ihren militärischen Einsatz im Irak aus.

Isis soll Kalifat ausgerufen haben

Die Terrororganisation Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) hat in den beiden Ländern offenbar ein islamisches Kalifat ausgerufen. Über den Internetdienst Twitter kursiert eine Audiobotschaft von Isis-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani. Darin verkündet er, erster Kalif sei Isis-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi. Es sei eine Pflicht für Muslime, ihm Gefolgschaft zu schwören. Zugleich änderte die Gruppe ihren Namen in Islamischer Staat.

Das Kalifat, eine vor fast hundert Jahren verschwundene islamische Regierungsform, werde sich von der Region Aleppo im Norden Syriens bis zur Region von Dijala im Osten des Irak erstrecken, sagte al-Adnani weiter. Damit bezog er sich auf Regionen, welche die Extremisten in den vergangenen Wochen und Monaten in beiden Ländern unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Die Authentizität der Aufnahme ließ sich zunächst nicht überprüfen.

Die Isis hatte am 9. Juni eine Offensive gegen die Regierung in Bagdad begonnen. Die radikale Sunnitengruppe brachte seitdem große Teile des Nordirak unter ihre Kontrolle. Die Isis kämpft auch im benachbarten Syrien gegen die dortige Regierung. Ihr Ziel war stets die Gründung eines grenzübergreifenden islamischen Staates in der Region.

Isis-Kämpfer begehen Massenexekutionen

Kämpfer der Isis-Miliz haben in Syrien nach Informationen einer Beobachtergruppe acht Anhänger von gemäßigten Rebellengruppen gekreuzigt. Die Männer seien am Samstag auf einem Platz in der Stadt Deir Hafer in der Provinz Aleppo ans Kreuz geschlagen worden, berichtete die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag. Sie sollten dort drei Tage lang hängen bleiben. Den Männern sei vorgeworfen worden, Kämpfer von Oppositionsgruppen zu sein, die vom Westen unterstützt werden.

Auch in der Stadt Al-Bab an der türkischen Grenze sei ein Mann wegen Falschaussage gekreuzigt worden, berichtete die Gruppe weiter. Das Opfer habe die achtstündige Quälerei jedoch überlebt.

Im Nordirak sollen die Kämpfer bei Massenexekutionen mindestens 160 Menschen getötet haben. Das berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) unter Berufung auf Fotos und Satellitenaufnahmen aus der Stadt Tikrit. Die Dokumente gäben starke Hinweise auf ein "schreckliches Kriegsverbrechen", teilt HRW mit.

Auswertungen der Menschenrechtsorganisation ergaben demnach, dass Isis-Kämpfer an mindestens zwei Plätzen zwischen 160 und 190 Menschen getötet hätten. Die Zahl der Opfer könnte aber noch deutlich höher sein, erklärte HRW. Auf den Bildern ist zu sehen, wie vermummte Bewaffnete auf am Boden liegende Männer in Zivilkleidung zielen. Am 22. Juni bestätigte Iraks Minister für Menschenrechte den Tod von 175 Soldaten der irakischen Luftwaffe. Laut HRW sind jedoch weitere Untersuchungen notwendig. Tikrit steht unter der Kontrolle der Extremisten.

Irakische Armee erhält mehrere Kampfjets aus Russland

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Ein Pilot der russischen Luftstreitkraft auf einem Sukhoi Su-25: Mehrere Exemplare des Kampfjets soll Moskau nun in den Irak geliefert haben.

(Foto: Vyacheslav Oseledko/AFP)

Die irakische Armee hat russische Kampfjets für die Offensive gegen die Isis-Kämpfer erhalten, berichten die BBC und der Fernsehsender Al-Irakija übereinstimmend und berufen sich dabei auf das irakische Außenministerium. Die Flieger vom Typ Sukhoi Su-25 sollten in "drei bis vier" Tagen einsatzbereit sein, weitere ihrer Art sollten noch geliefert werden. Das Geschäft soll laut der BBC einen Umfang von etwa 500 Millionen US-Dollar (mehr als 360 Millionen Euro) haben. Die Flugzeuge sind besonders für Bodenangriffe ausgelegt. Es ist aber laut der Nachrichtenagentur AFP unklar, ob die irakische Luftwaffe ausreichend für den Einsatz in den Maschinen ausgebildete Piloten hat.

Kämpfe um Tikrit gehen weiter

Einen Tag nach Beginn einer Offensive der irakischen Armee gehen die Kämpfe mit den Isis-Milizen um Tikrit weiter. Am Samstag rückten Tausende irakische Soldaten auf die Stadt vor. Sie hätten Al-Awja, einen Vorort Tikrits und zugleich Geburtsort von Saddam Hussein, in einem groß angelegten Angriff befreit, sagte ein Armeeoffizier. Demnach beherrschen die Regierungstruppen das Umland von Tikrit und wollen die Stadt nun "von allen Seiten" stürmen. "Eine große Militäroperation ist heute gestartet, um Tikrit von Isis zu säubern", sagte Generalleutnant Sabah Fatlawi dazu. "Die Isis-Kämpfer haben nur zwei Möglichkeiten - fliehen oder getötet werden."

Am vergangenen Donnerstag hatte die Armee bereits das Universitätsgelände am Stadtrand zurückerobert. Laut einem Bericht des irakischen Nachrichtenportals Al-Sumeria stellen sich örtliche Stämme auf die Seite der irakischen Armee. Unterstützt wurden die Soldaten zudem von Kampfflugzeugen, die nach Regierungsangaben Stellungen der Dschihadisten bombardierten.

Warum die Stadt eine strategische Bedeutung hat

Tikrit liegt etwa 140 Kilometer nordwestlich von Bagdad und ist neben Mossul eine der größten Städte in der Hand der Dschihadisten. Die Rebellen der radikalislamischen Organisation Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien (Isis) hatten Tikrit am 11. Juni unter ihre Kontrolle gebracht. Die Stadt ist strategisch wichtig, weil sie an einer Hauptverbindungsstraße zwischen dem Norden des Landes und Bagdad liegt.

Russischer Vize-Außenminister äußert sich

Auch Russland will dem Vormarsch der Islamisten im Irak "nicht tatenlos zusehen", wie Vize-Außenminister Sergej Riabkow am Samstag bei einem Treffen mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in Damaskus sagte. Eine Lösung der Konflikte im Irak und im Nachbarland Syrien könne aber nur über einen "echten nationalen Dialog" erreicht werden. Die Isis-Miliz, deren Ziel die Gründung eines grenzübergreifenden islamischen Staates in der Region ist, kämpft auch im syrischen Bürgerkrieg gegen die Regierung und kontrolliert mittlerweile Positionen auf beiden Seiten der Grenze.

US-Kampfdrohnen kreisen über Bagdad

Im Kampf gegen die Isis weiten die USA ihren militärischen Einsatz im Irak aus. Laut einem CNN-Bericht begann das US-Militär mit Flügen bewaffneter Drohnen über der irakischen Hauptstadt Bagdad. Die Flugzeuge stünden nicht für Luftangriffe gegen Isis-Kämpfer zur Verfügung, sondern dienten dem Schutz von US-Soldaten, berichtete der Sender unter Berufung auf Regierungsbeamte. Auch die New York Times berichtet über den Einsatz von US-Kampfdrohnen im Irak. Bis Freitag war von Seiten der USA lediglich von Flügen unbewaffneter Drohnen im Land die Rede gewesen.

Hintergrund: Was Isis will

Der Irak droht wegen des Konflikts zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden in einzelne Regionen zu zerfallen, seit die Isis-Miliz im Land aktiv ist. Die Isis kämpft sowohl im Irak als auch in Syrien gegen die dortigen Regierungen. Die Organisation will die von ihr kontrollierten Gebiete über die Grenze hinweg verbinden und einen islamistischen Gottesstaat errichten. Syrische Al-Qaida-Kämpfer hätten sich an der Grenze zum Irak den Isis-Rebellen angeschlossen, berichtete die oppositionelle Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Damit stärke die Isis ihre Position auf beiden Seiten der Grenze.

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