Bulgarien:Sofia in Unruhe

Zwei führende bulgarische Banken geraten durch Gerüchte an den Rand des Ruins. Vor der Wahl im Oktober wachsen die Zweifel an der Stabilität des Landes. Bulgarien steht zerrissen zwischen seinem traditionellen Verbündeten Russland auf der einen und der EU auf der anderen Seite.

Von Florian Hassel, Belgrad

Es war ein Bild von Geschlossenheit, das die politische Elite Bulgariens demonstrieren wollte. Scheinbar brav wie die Schuljungen stellten sich der Regierungschef und die Führer der fünf wichtigsten Parteien hinter dem Präsidenten auf. Dann verkündete der Präsident die gemeinsame Botschaft: In Bulgarien, wo sich die Parteiführer gerade auf das Datum für vorgezogene Neuwahlen geeinigt haben, gebe es keine politische Krise. Vor allem aber "gibt es in diesem Land keine Bankenkrise", betonte Präsident Rosen Plewneliew. "Wir rufen Bulgariens Bürger auf, ruhig zu bleiben und aufzuhören, ihr Geld ohne Grund abzuheben."

Der Aufruf des Präsidenten und der Parteiführer am vergangenen Sonntag kam nicht von ungefähr: Seit einigen Wochen ist die Regierung angezählt, steht Sofia zerrissen zwischen seinem traditionellen Verbündeten Russland auf der einen und der EU auf der anderen Seite. Und als ob das nicht genug wäre, erlebte das ärmste EU-Land mit seinen gut sieben Millionen Einwohnern in der vergangenen Woche einen Sturm auf zwei seiner größten Banken. Am Montag wurden die Schlangen der Menschen vor den Banken deutlich kürzer, eine Stützungsaktion der EU brachte etwas Beruhigung: Erstens sei Bulgariens Bankensystem "gut kapitalisiert und verfügt über ein hohes Niveau von Liquidität", zweitens stelle die EU Bulgarien für alle Fälle eine Kreditlinie von 1,7 Milliarden Euro zur Verfügung.

Grundsätzliche Konflikte allerdings sind damit nicht gelöst. Seit Februar 2013 regieren in Sofia die ehemaligen Kommunisten in Gestalt der Sozialistischen Partei, gestützt von der als Königsmacher dienenden Partei der türkischen Minderheit (DPS). Dauerbrenner der Politik ist das Verhältnis zu Russland: Die personell bis heute eng mit Moskau verbandelten Sozialisten forcieren etwa das von Moskau zur Umgehung der Ukraine gewünschte, korruptionsumwitterte Milliardenprojekt der Gaspipeline South Stream.

Vor der Neuwahl im Oktober wachsen die Zweifel an der Stabilität des Landes

Mit Beginn der Ukrainekrise verstärkte die EU den Druck auf Sofia, den Pipelinebau auf Eis zu legen - schließlich widersprechen die Verträge zwischen Sofia und dem kremlkontrollierten Gazprom-Konzern wegen des Ausschlusses von Konkurrenz EU-Recht. Zudem stürzten die Ex-Kommunisten bei der Europawahl am 25. Mai in der Wählergunst ab. Weit vorne lag Bulgariens konservative Opposition. Deren Chef, der langjährige Ministerpräsident Boyko Borisow, hofft, bald wieder die Macht zu übernehmen. Und nachdem den Ex-Kommunisten ihr Koalitionspartner DPS die Gefolgschaft kündigte, wird nun am 5. Oktober neu gewählt.

Bulgarien Bank Russland EU

Allein am vergangenen Freitag hoben aufgeschreckte Kunden 400 Millionen Euro von der Bank FIB ab - hier eine Filiale in der Hauptstadt.

(Foto: Valentina Petrova/AP)

Noch-Regierungschef Plamen Orescharski erklärte am 8. Juni, er habe alle Arbeiten an South Stream erst einmal gestoppt. Der konservative Wahlfavorit Borisow kündigte für den Fall seines Sieges bereits an, er werde den Bau nur fortführen, wenn alle Verträge EU-Recht entsprächen. Außerdem werde er alle Bewerber ausschließen, die auf einer Sanktionsliste der EU oder der USA stünden - im Klartext: kremlnahe russische Firmen.

Wie Moskau reagieren könnte

Moskau dürfte dies kaum kampflos hinnehmen. Die Neuwahl wird also das Ringen in und um Bulgarien erst richtig anheizen. Dafür gibt es schon jetzt Anzeichen. Viele wichtige Aktionen finden in Bulgarien hinter den Kulissen statt. Beim Krisentreffen der Parteiführer mit dem Präsidenten fehlte etwa ein Mann, den manche Beobachter in Sofia als einen der mächtigsten Bulgariens sehen: Deljan Peewski, trotz seiner erst 33 Jahre bulgarischen Medien zufolge nicht nur faktischer Herr über ein ausgedehntes Medien- und Wirtschaftsimperium, sondern als Abgeordneter der bisherigen Regierungspartei DPS auch einer der wichtigsten Strippenzieher und angeblich eng mit Moskau verbunden.

Jahrelang pflegte Peewski eine enge Partnerschaft mit einem führenden Bankier: Zvetan Wassilew, Mehrheitseigentümer der viertgrößten bulgarischen Bank KTB. Vor einigen Monaten aber zerstritten sich die Partner. Mitte Juni behauptete Peewski, der Bankier wolle ihn ermorden. Wenige Tage später tauchten Gerüchte auf, die bislang die Guthaben vieler Staatsfirmen verwaltende und mit den regierenden Sozialisten verbundene KTB sei in Schwierigkeiten.

Gerüchte als potente Waffe

Solche Gerüchte sind in Bulgarien eine potente Waffe: Schließlich steckt vielen Bulgaren noch die Bankenkrise von 1996/97 in den Knochen, als 14 Banken pleite gingen und viele Menschen alle Ersparnisse verloren. Die Folge der offenbar gezielt gestreuten Gerüchte: Binnen weniger Tage ging der KTB vor dem Ansturm seiner besorgten Kunden das Geld aus. Mitte vergangener Woche übernahm die Zentralbank die Aufsicht über die Bank. Bankier Wassilew, der seinerseits per SMS Morddrohungen von Peewski erhalten haben will, ist seine Bank erst einmal los. Nur Tage später traf es die Bank FIB: Auch hier wurden zuvor per SMS, Email und im Internet Gerüchte gestreut, die Bank sei in Schwierigkeiten. Die Folge: Allein am Freitag vergangener Woche hoben Kunden umgerechnet 400 Millionen Euro ab.

Zwar ist Bulgariens Bankensystem - das zu zwei Dritteln von westlichen Banken kontrolliert wird - Analysten, Diplomaten und Fachleuten von IWF und EU zufolge weitgehend gesund. Einen Ansturm besorgter Kunden aber kann jedes Bankensystem in die Knie zwingen. Bulgariens Finanzminister, der eine Bankenpanik befürchtete, wandte sich deshalb hilfesuchend an die EU: Deren finanzielle Kraft soll die Gemüter nun wieder beruhigen.

Die Tatsache, dass zwei führende Banken binnen weniger Tage nur durch Gerüchte an den Rand des Ruins gebracht werden, stärkt indes Zweifel an Bulgariens Stabilität - unabhängig davon, ob es sich hier um einen Kleinkrieg bulgarischer Oligarchen handelt oder um einen Warnschuss Moskaus, was in Bulgarien passieren könnte, sollte Sofia die South Stream-Pipeline aufgeben.

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