Klettersteig in Reit im Winkl:Hängepartie über dem Hausbach

Klettersteig Reit im Winkl

Für Fortgeschrittene: Zwei Bergsportler hangeln sich durch den ortsnahen Klettersteig bei Reit im Winkl.

(Foto: Isabel Meixner)

Der Hausbachfall im bayerischen Reit im Winkl ist der erste vom TÜV geprüfte Klettersteig Deutschlands. Trotzdem kommt es immer wieder zu brenzligen Situationen: Denn es fehlen ein Notausstieg und Felsgriffe.

Von Isabel Meixner, Reit im Winkl

Als der für 30 000 Euro an den Hausbachfall geschmiedete Klettersteig in Reit im Winkl im Frühjahr 2013 eingeweiht wurde, freute sich die Gemeinde, einen Touristenmagneten geschaffen zu haben. TÜV-Zertifikat und die Nähe zum Ort sollten zahlreiche Bergsteiger locken. Keine drei Monate später: Ein Mann rutscht - offenbar fehlerhaft gesichert - aus und zieht sich bei einem Sturz mehrere Brüche zu. Der erste schwere Unfall am Klettersteig, aber nicht das erste und einzige Mal, dass Bergsteiger dort Probleme haben, wie Peter Wlach von der Bergwacht Reit im Winkl schon damals einräumte. Immer wieder müssen die Retter Menschen bergen, denen in der Wand über dem Hausbach die Kraft ausgegangen ist.

Jeder kann den Klettersteig leicht erreichen - nur ein Seerosenteich, ein Kneippbecken und ein Barfußpfad trennen ihn von der Reit im Winkler Ortsmitte. Das sei schon ein Problem, sagt Wlach: In Südtirol habe man zu den Klettersteigen einen langen Anstieg, "da kommen keine Halbschuh-Touristen hin". Auf der Internetseite der Gemeinde Reit im Winkl wird der Klettersteig als mäßig schwierig (B) bis schwierig (C) gekennzeichnet. Im Faltblatt der Kommune dagegen wird die Tour als schwierig bis sehr schwierig (D) beschrieben. Auch viele Klettersteiggeher in den Internetforen sind der Meinung, dass der Steig vor allem für Fortgeschrittene geeignet ist. "Wenn ihr wüsstet, was sich da schon für Szenen abgespielt haben", schreibt einer. "Für Anfänger würde ich die Tour nicht empfehlen, da die Route doch sehr ausgesetzt verläuft und es keinen Notausstieg gibt."

"Nicht wirklich gut durchdacht"

Auf der Homepage der Gemeinde findet sich darauf kein Hinweis, ebenso wenig der Tipp, dass der Steig mit Kletterschuhen begangen werden sollte. Das erfährt der Besucher erst auf einer Tafel kurz vor dem Einstieg. Noch nicht einmal die Zahl der zu überwindenden Höhenmeter ist eindeutig: Im Faltblatt spricht die Gemeinde von 170, auf der Website von 100 Metern Differenz. Ob dies Klettersteiggeher irreleite? Das glaubt Peter Wlach von der Bergwacht nicht: Welche Schwierigkeit sie bewältigen können, müssten die Erwachsenen selbst einschätzen; ebenso, ob ihre Kinder den Klettersteig meistern.

Auf den ersten Blick wirkt die Tour anspruchsvoll, aber machbar. Erst im Steig merkt man: Das Sicherungsseil ist oft zu hoch angebracht, an einer Stelle dafür zu niedrig; umklinken muss man die Karabiner zwei-, dreimal genau an den Stellen, die man eigentlich mit Schwung durchqueren müsste; weil Felsgriffe fehlen, wird der Klettersteig zur Drahtseil-Hangelei. "Der Steig ist einfach nicht wirklich gut durchdacht, da hilft auch kein TÜV. Was soll das überhaupt bedeuten: TÜV-zertifiziert? Vielleicht so was wie 'aus kontrolliertem Anbau'?", fragt ein Forumschreiber.

Volker Kron testet sonst Kletterwände und Hochseilgärten. Er hat für den TÜV Süd, der Mitglied im Normengremium für Bergsport ist, den Hausbachfall-Klettersteig vor zwei Jahren abgenommen, als ersten in Deutschland. Es sei doch positiv, sagt er, dass die Gemeinde Reit im Winkl sich den Klettersteig habe abnehmen lassen, dazu sei sie nicht verpflichtet. "Die Gemeinde hat das Maximale gemacht, um einen sicheren Klettersteig zu haben." Bewertet wurde vor allem, ob spätestens alle drei Meter eine Befestigung kommt und ob die Drahtseile solide im Felsen verankert sind. Die Routenführung dagegen nicht. Auch eine Einschätzung bezüglich des Schwierigkeitsgrads hat der TÜV nicht abgegeben. Für Kron ist klar: Ein Klettersteig für Anfänger ist die Route bei Reit im Winkl nicht. Und die Gefahr, dass ein Unerfahrener die Herausforderung unterschätzt? "Der Klettersteig ist gleich am Anfang schwierig, da sieht man, was kommt."

Nach einer Leiter zu Beginn hangelt man sich am Drahtseil entlang und über Metallstifte hin zu zwei Querungsbalken. Dann wird es noch anstrengender: Meter um Meter zieht sich der Klettersteiggeher am Drahtseil den Felsen hinauf. Die Arme werden schwer, die Hände brennen. "Das ist ein absoluter Schwachsinn", sagt ein Mann am Ausstieg. Der Felsen sei viel zu glatt, es bleibe einem nichts anderes übrig, als sich am Seil entlangzuhangeln. Ein weiterer findet, die Wand am Hausbachfall sei eher etwas für richtige Kletterer. Er lehnt den massiven Einsatz von Drahtseil und Metallstiften ab. "Die Leute wollen immer mehr Abenteuer, aber kein Risiko dafür eingehen", findet er. Sein Fazit während des gemütlichen Abstiegs? "Runter ist es schöner als rauf."

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