Schwarz-gelbes Spitzentreffen:Steuern ohne Plan

Das schwarz-gelbe Spitzentreffen im Kanzleramt zeigt: Anstatt zu reformieren, beschränkt sich die Koalition aufs Taktieren - und beschädigt sich damit selbst.

Marc Beise

Die drei Parteivorsitzenden der Regierungskoalition haben bei ihrem Treffen am Sonntagabend keine Steuerreform beschlossen, natürlich nicht. Zuvor bereits waren Pläne für einen Schnellschuss vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen so rasch wieder verworfen worden, wie sie aufgekommen waren. Das ist gut so, hilft der Koalition aber auch nicht weiter. Ihre Glaubwürdigkeit in der Steuerpolitik ist so oder so schwer beschädigt. Das ist so ärgerlich wie überflüssig.

Steuersenkungen und eine Strukturreform gehören zu den identitätsstiftenden Versprechen der Drei-Parteien-Koalition. Die FDP als liberale Partei, der die Freiräume der Bürger besonders am Herzen liegen sollten, hat eine lange Tradition und Kompetenz in Steuerfragen. In der CDU sind einige der besten Steuerpolitiker des Landes zu Hause, die CSU führt in München ein Finanzministerium mit viel steuerrechtlichem Knowhow. Von daher waren die Aussagen zur Steuerpolitik im Koalitionsvertrag weder Lyrik noch Wählerbetrug, sondern standen in einer guten Tradition. Entsprechend setzten viele Bürger, die am heutigen Steuersystem in seiner ganzen intransparenten, ineffizienten und ungerechten Ausgestaltung leiden, auf die neue Koalition und insbesondere die FDP.

Allerdings hätten diese Wähler durch den Umstand gewarnt sein können, dass FDP-Chef Guido Westerwelle zwar viel über die Entlastung der Bürger schwadroniert, aber inhaltlich nie nennenswert als Steuer-Vordenker in Erscheinung getreten ist. Entsprechend fanden sich nach der Bundestagswahl und bei der beliebten Verteilung von Pöstchen die meisten derjenigen im Abseits wieder, die etwas von der Sache verstehen, während bevorzugt Westerwelles Lautsprecher an die Tröge der Macht durften.

Gewarnt sein müssen hätte man auch durch die bisherige Klientelpolitik, die eine Vorgeschichte hat. Die skandalösen Steuersenkungen für Hoteliers, die ausgerechnet die erste konkrete steuerpolitische Maßnahme der neuen Regierung wurden, lagen schon vor der Wahl in der Luft und dem Chef am Herzen. Jeder Versuch, in den Koalitionsverhandlungen oder seitdem ein glaubwürdiges und mutiges Gesamtkonzept für eine neue Steuer-Ära vorzulegen, scheiterte im Ansatz.

Stattdessen wird das Mantra gepflegt, dass es natürlich zu Steuerentlastungen in Milliardenhöhe kommen muss, weil man das schließlich in Kenntnis der Lage der Staatsfinanzen versprochen hat. Von diesem Ziel verabschieden sich immer mehr Freunde der Koalition, auch der Bundespräsident äußert jetzt seine Zweifel. Eine Entlastung ist aber weiterhin drin - wenn man Prioritäten setzt. Die durchsichtige Bevorzugung der FDP- und CSU-Klientel mit Hotelbetten passt dazu freilich nicht. Und ebenso wenig der Versuch, angesichts schwacher Umfragewerte in NRW mal eben ein bisschen an den Steuern herumzuspielen.

Vom Kopf auf die Füße gestellt, müsste ein umfassendes Steuerkonzept, für dessen Erarbeitung man sich Zeit nehmen kann und muss, vor allem und zunächst eine Entlastung der Mittelschicht enthalten. Ohne deren Engagement als Wirtschaftstreibende, Investoren und Konsumenten wird Deutschland aus dem Konjunkturtal kaum herausfinden.

Es darf nicht länger sein, dass der Staat ausgerechnet gegenüber seinen treuesten finanziellen Unterstützern foul spielt, indem er sich weigert, bei den Einkommensteuersätzen die Geldentwertung zu berücksichtigen ("kalte Progression"), und indem er ausgerechnet im unteren und mittleren Einkommensbereich die Steuerlast besonders schnell steigen lässt ("Mittelstandsbauch"). Nötig ist außerdem die Einberufung einer Expertenkommission, die die jahrelange konzeptionelle Arbeit für ein faireres und leistungsgerechteres Einkommensteuerrecht sichtet und dieses Projekt endlich anpackt.

Für eine solche Steuerpolitik ist auch in Zeiten horrender Staatsverschuldung Platz. Sie würde sogar helfen, die Krise zu bewältigen, wenn sie nachhaltig angelegt und glaubwürdig wäre. Dies aber traut man der Koalition nicht mehr zu. Ein Neuanfang in der Steuerpolitik wäre nötig, aber wo nur ist die Person, dies glaubwürdig in Gang zu setzen?

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