Deutschland und USA:Frust über die sturen Verbündeten

ZDF-Sommerinterview: Joachim Gauck

"Jetzt reicht's aber auch mal": Bundespräsident Gauck im ZDF-Sommerinterview.

(Foto: dpa)

Innenminister und Außenminister sind empört über den Spionagefall im BND. Doch die deutlichsten Worte findet Bundespräsident Gauck. Die Kritik an den USA zeigt, dass Berlin den Fall nicht als Lappalie ansieht.

Von Stefan Braun und Nico Fried, Berlin

Joachim Gauck hat gesprochen. Es sind für einen Bundespräsidenten recht deutliche Worte. Und wenn man sich anschaut, wie Gauck im ZDF-Sommerinterview auf die Frage nach einem möglichen US-Spion im Bundesnachrichtendienst antwortet, dann kann man sehr schön die allmähliche Verfertigung dieser Deutlichkeit beim Reden verfolgen. Der Bundespräsident hat sich klare Worte vorgenommen, aber die Entschlossenheit, sie auch auszusprechen, setzt sich erst kurz vorher durch. Man erlebt binnen eines Satzes die Wandlung vom moderierenden Staatsoberhaupt zum enttäuschten Amerika-Freund.

Gauck beginnt langsam und mit der Betonung darauf, dass noch nichts bewiesen sei. Dann schildert er ein wenig kompliziert und in leichtem Crescendo, das offenbar auf wachsende Erregung zurückzuführen ist, den Fall, ehe er schließlich alle diplomatische Zurückhaltung fahren lässt und in einen fast flapsigen Ton verfällt. So lautet am Ende der ganze Satz: "Wenn sich tatsächlich es so darstellen sollte, dass möglicherweise ein Dienst einen unserer Mitarbeiter aus einem Dienst in dieser Weise beauftragt hat, dann ist ja wohl wirklich zu sagen: Jetzt reicht's aber auch mal."

Vom Versuch, Obama für deutsche Sorgen zu sensibilisieren

Wenn ein Bundespräsident so über den wichtigsten Verbündeten spricht, dann steht das protokollarisch sowieso über allen anderen Äußerungen. In diesem Fall aber gilt das auch qualitativ. Der Innen- und der Außenminister melden sich einen Tag später zu Wort. Thomas de Maizière (CDU) äußert die Erwartung, "dass alle zügig an der Aufklärung der Vorwürfe mitwirken - und schnelle und eindeutige Äußerungen, auch der USA". Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagt in etwa dasselbe und geht nur einen kleinen Schritt weiter: "Wenn die Berichte zutreffen, dann reden wir hier nicht über Kleinigkeiten." An den Verdruss des Bundespräsidenten aber reicht keiner aus der Regierung heran. Angela Merkel, die am ersten Tag ihrer China-Reise in der Provinz landeskundliche Forschungen betreibt, äußert sich zunächst gar nicht.

Joachim Gauck hat die NSA-Affäre von Beginn an mit Sorge verfolgt. Beim Deutschland-Besuch von US-Präsident Barack Obama im Sommer 2013 sprach der Bundespräsident das Thema im kleinen Kreis von sich aus an, nachdem Obama lieber über anderes reden wollte. Damals ging es Gauck noch sehr darum, den Amerikaner für die historisch begründete Skepsis der Deutschen gegenüber staatlicher Datensammelei zu sensibilisieren. Ein gutes Jahr später bricht sich bei ihm der Frust Bahn, dass alle gut gemeinten Worte unter Partnern nur in den Wind geredet waren.

"Wir Deutsche haben den Missbrauch staatlicher Macht mit Geheimdienstmitteln zwei Mal in unserer Geschichte erleben müssen", sagte Gauck Ende Juli 2013 in einem Interview. "Auch deshalb sind wir auf diesem Gebiet hellhörig, und das müssen unter anderen unsere amerikanischen Freunde ertragen." Gleichwohl lehnte der Ex-DDR-Bürger Gauck einen Vergleich der NSA mit der Stasi stets ab: Die Stasi habe "Krieg gegen das eigene Volk geführt", so Gauck. Sie habe "Bürger bespitzelt, um die gewonnenen Erkenntnisse gegen die Bürger zu verwenden, um sie einzuschüchtern und zu unterdrücken, ihnen Freiheit und Bürgerrechte zu rauben und sie so in dauernder Ohnmacht zu halten". Mit Blick auf die Überwachung der NSA, so der Bundespräsident, "sprechen wir von einer Gefahr für die Demokratie innerhalb der Demokratie".

Gut einen Monat später, im August 2013, deutete Gauck konkrete Forderungen an: Notwendig sei " mehr Transparenz und die Sicherheit, dass auch Nachrichtendienste befreundeter Staaten sich an die bei uns geltenden Regeln halten". Mit dem Fall eines mutmaßlichen Agenten der CIA mitten im Bundesnachrichtendienst zeigt sich nun, dass möglicherweise das Gegenteil passiert ist.

Kritik aus der CSU: "digitale Besatzungsmacht"

Natürlich spricht die versammelte Berliner Politik noch im Konditional: "Wenn es stimmt, dass..." Andererseits deuten die vielen Äußerungen aus der Regierung und auch aus dem Parlament schon darauf hin, dass alles, was bisher über den Fall bekannt ist, parteiübergreifend nicht als Lappalie angesehen wird. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping hielt den USA vor, nichts aus der NSA-Affäre gelernt zu haben und bezichtigte Kanzlerin Merkel des Duckmäusertums. Bemerkenswerter ist da Kritik aus der CSU: "Die Amerikaner halten sich ganz offenkundig nicht daran, dass man Verbündete nicht ausspäht", sagte deren Innenpolitiker Hans-Peter Uhl der Welt am Sonntag. Sie führten sich in Deutschland auf "wie eine digitale Besatzungsmacht".

Auch hinter den Kulissen zeigt sich tiefsitzende Ernüchterung. Besonders fassungslos ist man allenthalben über die politischen Fehleinschätzungen auf Seiten der USA, also das, was Gauck im ZDF als "Spiel mit Freundschaften und enger Verbundenheit" bezeichnete. Längst hätten doch die massenhaften Ausspähungen der NSA den Amerikanern in ihrer Reputation weltweit geschadet. Auf weniger gefestigte Beziehungen zu manchen Entwicklungsländern hätten die Aktivitäten eine zerstörerische Wirkung entfaltet. Dieser Schaden würde häufig den mutmaßlichen Nutzen um ein Vielfaches übersteigen - sollte sich der Verdacht erhärten, gelte das auch im Fall des BND-Mitarbeiters. ,,Es ist so viel böses Blut darüber in der Welt - man kann sich nur noch wundern, dass sie offenbar nichts lernen'', sagte ein hohes Regierungsmitglied am Wochenende.

Aus Sicht der Bundesregierung würde eine Spionageaffäre auch den Eindruck verstärken, dass US-Präsident Barack Obama entweder nicht absolut willens oder nicht in der Lage sei, die eigenen Geheimdienste wirklich zu bändigen. Beides sei, so hieß es am Wochenende aus der Koalitionsspitze, keine gute Botschaft. Ungeachtet dessen will die Regierung allerdings auch weiter einen Streit mit der US-Regierung oder auch einen Bruch mit den amerikanischen Diensten vermeiden. Nach wie vor sind die Informationen im Kampf gegen den islamistischen Terror zu wichtig, als dass man sich das leisten könne, hieß es in der Regierung.

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