SPD-Abgeordneter Hartmann:Der menschliche Makel

Michael Hartmann

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, bei einer Wahlkampfveranstaltung im Vorjahr

(Foto: dpa)

Michael Hartmann, Innenexperte der SPD, hat Chrystal Meth genommen - für einen Monat, wie er sagt. Es bleibt das Gefühl, dass das nicht die ganze Geschichte war. Und die Frage danach, ob Hartmann Bundestagsabgeordneter bleiben sollte.

Ein Kommentar von Christoph Hickmann

Michael Hartmann, Bundestagsabgeordneter der SPD, hat kürzlich eingeräumt, die Droge Crystal Meth gekauft und konsumiert zu haben. Es habe sich, erklärte Hartmanns Anwalt in seinem Namen, um eine geringe Menge zum Eigenverbrauch gehandelt, und nach einem Monat habe er es wieder sein gelassen. Nun hat sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in der Sache zu Wort gemeldet: Er sehe "nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse" keinen Grund dafür, dass Hartmann sein Mandat niederlegen müsse. Davon unabhängig, müsse man in solchen Fällen auch "die menschliche Seite" sehen. Das stimmt. Aber kommt das mit dem Mandat nicht etwas früh?

Als Erklärung gibt Hartmann an, er habe im Herbst vergangenen Jahres leistungsfähiger sein wollen. Damals ging es um die große Koalition, es wurde verhandelt, taktiert, es ging um die Zukunft des Landes, der Partei sowie der einzelnen Beteiligten. Und statt in diesen Wochen Kaffee, Energiegetränke oder sonstige in Supermärkten verfügbare Substanzen in sich hineinzuschütten, machte ein erfahrener Innenpolitiker eine Dealerin ausfindig, um ihr ein Zeug abzukaufen, von dem jeder flüchtige Medienkonsument wissen dürfte, wie schnell es Geist und Körper ruinieren kann? Um nach einem Monat zur Besinnung zu kommen? Man hat noch nicht das Gefühl, die ganze Geschichte zu kennen.

Der SPD-Mann nahm einen Monat Crystal Meth? Ist das schon alles?

Aber hat die Öffentlichkeit überhaupt ein Anrecht auf diese Geschichte? Unbedingt - zumindest wenn Hartmann Abgeordneter bleiben will. Natürlich haben Politiker wie alle Menschen das Recht, private Dinge privat zu halten. Dieses Recht hat aber dort seine Grenzen, wo gegen sie ermittelt wird. Kommt es dazu, sind auch die privaten Dinge politisch oder jedenfalls jener Teil der Privatsphäre, für den sich die Staatsanwaltschaft interessiert. Wer Gesetze macht, sollte nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen, genau so wenig wie Lehrer, Polizisten oder Richter, die ja ebenfalls von der Gemeinschaft für ihren Dienst an der Gemeinschaft bezahlt werden.

Hier wird häufig eingewandt, man solle es mit den Ansprüchen an Politiker nicht übertreiben - erstens seien die ohnehin sehr hoch, zweitens solle das Parlament noch einigermaßen repräsentativ für die Bevölkerung stehen, die es vertrete. Doch erstens dürfte es nicht zu viel verlangt sein, keine Dinge zu tun, für die sich Strafverfolger interessieren. Zweitens wäre es zwar zu wünschen, dass im Bundestag mehr Frauen oder mehr Menschen mit Migrationshintergrund säßen. Das heißt aber nicht, dass es dort auch Schläger und Versicherungsbetrüger geben sollte, nur weil es davon in der Bevölkerung einige gibt.

Michael Hartmann hat niemandem geschadet außer sich selbst - "nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse", wie es der Jurist Oppermann ausgedrückt hat. Am Ende könnte also tatsächlich viel dafür sprechen, dass er sein Mandat behält. Dieser Schluss sollte allerdings erst gezogen werden, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Und wenn Hartmann die ganze Geschichte selbst einmal erklärt hat.

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