Programmieren:Warum man Coden lernen sollte

Es gibt in den Industrienationen keinen Teil des Lebens mehr, der nicht mehr oder weniger mit Computern in Verbindung steht. Daher wollen auch immer mehr Menschen lernen zu programmieren.

Von Johannes Boie

Ein Waffeleisen kann Waffeln machen, ein Computer kann Programme ausführen. Warum aber sind wir im Computer-Zeitalter und nicht im Waffeleisenzeitalter? Die Frage ist nur scheinbar dämlich, denn die Antwort verrät viel: Ein Computer kann fast alles, was man von ihm verlangt, er kann Bilder im Gaza-Konflikt fälschen, er kann geheime Regierungsdokumente für die Öffentlichkeit bereitstellen und er kann einen Fahrschein für die Fahrt vom Marienplatz an den Stachus ausdrucken. Es gibt in den Industrienationen keinen einzigen Teil des Lebens mehr, der nicht mehr oder weniger mit Computern in Verbindung steht.

Es kommt ausschließlich darauf an, dass sich derjenige, der den Computer bedient, der Maschine verständlich machen kann. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Sprache. Wer sie beherrscht, ist der Maschine Herr, so wie einer, der japanisch spricht, in Tokio den Weg findet. Nur ist das Netz der Computer mittlerweile nicht nur größer als Tokio oder Japan. Es umfasst die Gegenwart und über das, was gespeichert ist, auch große Teile der Vergangenheit. Es beinhaltet auch die Zukunft, denn die kann - in Grenzen - berechnet werden. Das bedeutet auch, dass die Technologie zwar potenziell sehr mächtig ist, aber von sich aus wertneutral. Es kommt drauf an, was der Programmierer draus macht.

Und deshalb leben wir nicht nur im Zeitalter des Computers, sondern auch im Zeitalter des Programmierers. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, selbst Programmierer, besiegte seine Mitgründer Cameron und Tyler Winkelvoss vor Gericht, zwei Elitestudenten und Weltklasse-Ruderer, und doch nur Helden des letzten Jahrhunderts. Bill Gates, Steve Jobs, Sergey Brin und Larry Page - alle haben sie ihre Milliarden dank ihrer Programmierkünste gescheffelt.

Firmen schützen Code als Geschäftsgeheimnis

Selbst wer seinen Computer wirklich gut bedienen kann, versteht sich noch lange nicht aufs Programmieren. Was der durchschnittliche Nutzer auf dem Bildschirm sieht, sind bereits zusammengebaute Programme wie Microsoft Word oder der Browser Firefox, deren Code ihm verborgen bleibt. Es ist schwer, fast unmöglich, bereits zusammengesetzte Programme wieder auseinanderzubauen, um einen Blick in den Code zu erhaschen. Zumal viele Firmen wie Microsoft den Code ihrer Programme als Geschäftsgeheimnis schützen.

Dabei muss das, was drinsteckt, nicht immer hochkomplex sein: Algorithmen sind Verfahrensvorschriften, wie es sie nicht nur in der Mathematik seit Tausenden Jahren gibt: Sie formulieren die Handlungsschritte, die zum Lösen eines Problems notwendig sind. Das kann ein mathematisches Problem sein oder auch die Frage, wie man Königsberger Klopse kocht. Im ersten Fall würde der Algorithmus aus einer Berechnung bestehen, im zweiten Fall aus einem Kochrezept. Setzt man Algorithmen mithilfe einer Programmiersprache um, entsteht Programmcode, auch Quelltext genannt.

Der moderne Heldentyp des Programmierers ist vor allem in den USA nicht nur ein Kindertraum, sondern weltweit ein Karrierewunsch. Immer mehr Menschen lernen zu programmieren, viele von ihnen neben ihrer täglichen Arbeit. Ihnen kommt dabei zugute, dass die virtuelle Kunst auch virtuell gelehrt werden kann. Bei Codecademy, haben seit 2011 schon 24 Millionen Menschen Online-Kurse absolviert und dabei über eine Milliarde Zeilen an Code produziert.

In Großbritannien steht Programmieren auf dem Lehrplan

Unterricht bei Codecademy ist kostenfrei, das Unternehmen finanziert sich als Start-up mit 12,5 Millionen Dollar Risikokapital. In Zukunft wird die Seite wohl Geld für Zusatzleistungen neben dem Unterricht verlangen, wie zum Beispiel persönliche Betreuung des Schülers per E-Mail. Varianten dieses Modells sind Team Treehouse oder Udacity, die Online-Universität des ehemaligen Google-Managers Sebastian Thrun. Beide Programme kosten Geld, der Unterricht findet - etwas intensiver betreut - ebenfalls am Computer statt, je nachdem, wie schnell der Schüler lernen möchte.

Regierungen und Bildungsexperten versuchen derweil, Programmieren zum Schulfach zu machen. In Deutschland gibt es immer wieder Pilotprojekte- zum Beispiel an Gymnasien ab der fünften Klasse Programmieren zu unterrichten. In Großbritannien und Litauen ist man bereits weiter: Auf der Insel wird das Fach Information and Communication Technology (ICT), das vor allem Bürokenntnisse vermittelte, abgeschafft, stattdessen steht von September an Programmieren auf dem Lehrplan, und zwar von der ersten Klasse an; in Estland, einem in Sachen digitale Innovation vorbildlichen Land, in dem zum Beispiel die weit verbreitete Software Skype entwickelt wurde, lernen ebenfalls schon Erstklässler, Code zu schreiben. Dabei ist nicht immer das nächste millionenschwere Start-up das große Ziel, vielmehr geht es darum, dass alle Bürger die Sprachen sprechen sollen, die ihr Leben so sehr verändern.

Programmiersprachen eben.

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