Landtagswahlen in Ostdeutschland:Euch geht es doch gut

Stanislaw Tillich

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in der Lobby des Sächsischen Landtags in Dresden.

(Foto: dpa)

In Thüringen könnte es bald den ersten linken Ministerpräsidenten geben. Doch statt über wichtige Fragen zu streiten, schläfern die Politiker die ostdeutschen Wähler ein. In Sachsen ist es ähnlich - dort lässt Ministerpräsident Tillich das TV-Duell platzen.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Am 8. Juli 2013 führte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ein Gespräch mit Angela Merkel, von dem er am Abend auf einem Sommerfest berichtete. Er habe zur Kanzlerin gesagt, "am besten Sie fahren vier Wochen in Urlaub, die SPD macht das schon mit dem Wahlkampf". Wer konnte, schmunzelte dazu höflich, faktisch aber hatte Tillich mit dem blassen Bonmot den anstehenden Bundestagswahlkampf recht trefflich charakterisiert. Nun könnte er den Satz wiederbeleben, gerichtet an die Bürger des Freistaates Sachsen. In diesem haben vor einer Woche die Sommerferien begonnen, zum Abschluss derselben wählen die Sachsen am 31. August einen neuen Landtag.

Es ist die erste Wahl auf Landesebene nach jener zum Bundestag, zwei Wochen später folgen Brandenburg und Thüringen. Macht in Summe: drei von fünf Ost-Bundesländer, in denen innerhalb kurzer Zeit gewählt wird. Diese Ballung könnte man nutzen, um Debatten anzuregen und Fragen zur Zukunft des in Teilen immer noch eigenen Ostens zu verhandeln. Andererseits hört man ja immer wieder, dass die Leute von Politik eher schlechte Laune bekommen, und, Kinder, es sind doch Ferien!

Als Tillich vor fünf Jahren, nun ja, Wahlkampf führte, da stand "Der Sachse" auf seinem Bus. Das war im Grunde das Programm, und es meinte auch: "Kein Wessi", was aber nicht so schön auf einem Bus ausgesehen hätte. Die Botschaft jedenfalls passte in eine Zeit der Emanzipierung nach Jahren des Aufbaus, der von West-Biedenkopf und West-Milbradt angeleitet worden war. Aber heute, fünf Jahre später?

In Thüringen könnte es den ersten linken Ministerpräsidenten geben

Da lautet die wesentliche Botschaft noch immer: Ich bin einer von euch, und euch geht es doch gut. Keine Experimente. Ärgerlicher als diese Haltung ist nur noch, dass sie keinen wirklichen Widerspruch erzeugt. Sachsens CDU steht in den Umfragen ordentlich da, Tillichs dreiste Absage eines TV-Duells im MDR, mit Abgesandten aller im Landtag vertretenen Parteien, wurde vom Sender ohne großes Grummeln hingenommen. Bei der tapferen SPD, die vermutlich mit der CDU koalieren wird, überlegen die Strategen ernsthaft, wie sehr sie den Wahlkampf politisieren dürfen, ohne selbst Schaden zu nehmen. In einem saturiert-schläfrigen Bundesland wie Sachsen gerät der Versuch, politischen Streit anzuzetteln, ohnehin immer wieder zur Kunst des Unmöglichen.

Dabei gäbe es in Sachsen wie in Thüringen Themen, die zeitgeistreich zu diskutieren wären und deren Belang für den Bund offenkundig ist. Erstens: Was wird aus der FDP? Nach der verlorenen Bundestagswahl hatte Sachsens FDP-Vorsitzender Holger Zastrow das Betteln um Zweitstimmen noch als schweren Fehler bezeichnet - nun fordert seine Partei "Für Schwarz-Gelb: FDP wählen!" - der Verlust der letzten FDP-Regierungsbeteiligung gilt als fast sicher. Zweitens: Was wird aus der Alternative für Deutschland (AfD)? Es gilt ebenfalls als nahezu ausgemacht, dass die AfD in Sachsen das erste Mal in einen Landtag einziehen wird. Eine inhaltliche Debatte darüber meidet die CDU mit der dubiosen Begründung, sich bei der AfD-Profilierung nicht der Beihilfe schuldig machen zu wollen. Drittens: Bekommt Thüringen den ersten linken Ministerpräsidenten überhaupt? Kann sein. Die durchaus spannende Frage aber, was eine rot-rot-grüne Regierung inhaltlich bedeuten würde, wird verdeckt.

Noch beschäftigen sich alle im Wesentlichen mit der Person des linken Spitzenkandidaten Bodo Ramelow, inklusive Ramelow selbst. Am besten trifft den verräterisch leisen Ton eines solchen Ferienwahlkampfs noch die Thüringer FDP. Sie versucht mit Ironie, ihr Verschwinden zu verhindern, beschreibt aber eher ein umfassendes Gefühl dieses Wahlkampfsommers. Auf den Plakaten zur Wahl steht, kein Scherz: "Wir sind dann mal weg."

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