Bayernkaserne in München:Rechte Hetze gegen Flüchtlinge

Bayernkaserne in München: Für die Flüchtlinge mussten Hallen und Garagen als Zusatz-Notquartiere hergerichtet werden - mit menschenwürdiger Unterbringung hat das wenig zu tun.

Für die Flüchtlinge mussten Hallen und Garagen als Zusatz-Notquartiere hergerichtet werden - mit menschenwürdiger Unterbringung hat das wenig zu tun.

(Foto: Stephan Rumpf)

Rechtsextremisten verbreiten via Facebook Hassparolen gegen die Münchner Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Bayernkaserne. Die Polizei hat ihre Präsenz erhöht - und die Betreuer bemühen sich, den Müll zu reduzieren, damit die Nachbarn sich beruhigen.

Von Thomas Kronewiter

Das Unglück von Mohamad, seiner Familie und von vielen hundert Flüchtlingen ist ein Glücksfall für die Geschäftswelt der Heidemannstraße. Nicht von ungefähr sind die Bierkästen im Shop der Jet-Tankstelle Ecke Paracelsusstraße in Türnähe fast deckenhoch gestapelt, nicht von ungefähr umwirbt ein fahrbarer Stand von "Lycamobile" neben den Zapfsäulen Mobilfunkkunden mit einer "Worldwide Flat".

Die Meile zwischen dem Kaserneneingang der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber und den Verkehrsdrehscheiben in Freimann sowie im nördlichen Milbertshofen wird in diesen Tagen dominiert von dunkelhäutigen Menschen. Trauben in den Wartehäuschen, Grüppchen vor der Kasernenmauer, auf den Spielplätzen, am Gehwegrand. Viele mit dem Handy am Ohr, manche mit der Bierflasche in der Hand. Viele sehr extrovertiert, gelegentlich gibt es auch Streit.

Provokationen über den Gartenzaun

Von einem "erhöhten Deliktsaufkommen" spricht Wolfgang Wenger, Sprecher des Münchner Polizeipräsidiums. Unter den Vorkommnissen befänden sich auch Körperverletzungsdelikte - doch hat es, wie die zuständige Polizeiinspektion Milbertshofen immer wieder betont, außer Provokationen über den Gartenzaun hinweg bisher keine Übergriffe auf die Nachbarschaft gegeben. Dass es bei den Beschwerden über "Lärm, Gestank, Müll", vorgetragen in der Milbertshofener Bürgerversammlung, nicht bleiben würde, hatten Lokalpolitiker indes schon Mitte Juli geahnt. Welcher Unmut sich seitdem insbesondere über soziale Netzwerke Bahn bricht und mit welcher Dynamik dies geschieht, hat dennoch viele überrascht.

Etwa 1700 registrierte Nutzer versammelte vergangene Woche binnen weniger Tage eine Facebookseite unter dem Stichwort "Gegen das Asylheim München Heidemannstraße". Da hieß es, dass man "an der Seuche verrecken" werde - verbunden mit der Ankündigung, "wenn einer von denen meine Frau oder meine Tochter streift werd' ich ihn verbrennen". Eine zweite Seite, "Gegen das Asylhaus an der Bayernkaserne" machte, orthografisch fehlerhaft, noch unverhohlener Stimmung: "Tut euch zusammen, zündet die hütten an und verhaut die ordentlich, dann ist ruhe da."

Ermittlungen dauern an

Wegen der fremdenfeindlichen Äußerungen hat die Münchner Polizei in diesem Fall bereits zugeschlagen: Mittlerweile konnte der 35-jährige Gründer der offenen Gruppe wie auch ein aus dem Münchner Norden stammender 18-jähriger Verfasser eines Beitrages ermittelt werden, gegen beide geht die Polizei wegen "Störung des öffentlichen Friedens und Androhung von Straftaten" vor. Beide sind zudem einschlägig vorbestraft.

Gegen einen weiteren Verfasser eines strafbaren Artikels dauern die Ermittlungen noch an. Die Facebook-Gruppe wurde umgehend gelöscht. Miriam Heigl von der städtischen Fachstelle für Rechtsextremismus sieht dennoch mit Sorge, dass sich Rechte, etwa aus der Münchner Kameradschafts-Szene, an die jüngste Facebook-Welle angehängt haben. "Das kann gefährlich werden." "Die aktuelle Hetze gegen Flüchtlinge in der Bayernkaserne ist unerträglich", kommentiert Ben Rau vom bayerischen Flüchtlingsrat. Rassisten und Neonazis versuchten die Lage auszunutzen und Anwohner für ihre Propaganda zu instrumentalisieren. "Die Flüchtlinge können dabei am wenigsten für die schwierige Situation. Anstatt den Notstand zu inszenieren und gegen Flüchtlinge zu hetzen, müssen Forderungen an die verantwortliche Politik gestellt werden."

Die Polizei hat alle Hände voll zu tun

Die rasante Entwicklung der vergangenen Tage hat zu erhöhter Polizeipräsenz im Umfeld der Erstaufnahmeeinrichtung geführt und zu gehäuften Einsatzbesprechungen. Die Regierung von Oberbayern, die angesichts des nicht nachlassenden Zustroms von Flüchtlingen nun eine weitere Dependance in der ehemaligen Funkkaserne angekündigt hat, gibt sich nach außen zwar unbeeindruckt. Intern aber hat man den Plan fallen gelassen, die Sicherheitsschleuse, die derzeit den ganzen Kasernenkomplex abschirmt, von der Heidemannstraße weg ins rückwärtige Kasernenareal zu verlegen, wo sie unauffälliger wäre. Stattdessen bekommen die 30 Sicherheitsleute nun noch 20 weitere Kollegen - und dies nicht etwa, um die Nachbarn zu schützen. Gleichwohl wird der private Sicherheitsdienst künftig auch das Umfeld kontrollieren und sich etwa darum bemühen, dass nicht so viel Müll herumliegt und nicht ins Gebüsch uriniert wird, damit es keine Provokationen der Nachbarschaft gibt.

Bayernkaserne in München: Die Unterkunft in der Bayernkaserne platzt aus allen Nähten.

Die Unterkunft in der Bayernkaserne platzt aus allen Nähten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ob es nun 1900 Flüchtlinge sind, wie Mitte vergangener Woche, oder inzwischen wieder ein paar weniger - für die Profis von der Inneren Mission und das ehrenamtliche Helferteam aus der Freimanner Nachbarschaft oder von weiter weg ist die Arbeit kaum mehr zu bewältigen. Margit Merkle beispielsweise engagiert sich seit Jahren in der Schwangeren-Beratung, und hat jetzt sogar begonnen, Arabisch zu lernen, um sich mit den Frauen verständigen zu können. Mehr als 90 werdende Mütter sind derzeit in den verschiedenen Dependancen der Münchner Erstaufnahme verzeichnet. "Mir läuft ständig irgendein Schwangeren-Bauch über den Weg", sagt sie.

Zu wenig Personal

Eine Kollegin, die seit Eröffnung der Freimanner Kasernen-Unterkunft Deutsch-Kurse gibt, kann mit Hilfe von Kolleginnen immerhin täglich (außer Sonntag) ein Sprachangebot machen. "Saumäßig viel Arbeit" sei das, aber die Motivation der Teilnehmer entschädige für vieles. "Die Leute wollen unbedingt hier zurechtkommen lernen." Also übt die freiwillige Helferin ein ums andere Mal Vokabeln und Aussprache, lässt jeden einzelnen im fast vollen Klassenzimmer nachsprechen, ob er ein Papier oder einen Stift braucht, trainiert "Guten Tag", "Hallo" und "Tschüss". "Ich komme über ein gewisses Niveau nicht hinaus", räumt sie ein. Sie wisse auch nicht, wer da sei, wenn sie das Seminarzimmer aufmache. Viele hätten Behördentermine, mehr als ein paar zusammenhängende Deutsch-Stunden bekämen die frisch angekommenen Asylbewerber meist ohnehin nicht mit. Dann würden sie weitervermittelt.

Bisher aber kommen immer weitere nach. Um sie kümmern sich Mitarbeiter der Inneren Mission München (IMM) - allerdings viel zu wenige. "Sechseinhalb Leute, da ist Land unter", konstatiert IMM-Sprecher Klaus Honigschnabel. Die Regierung von Oberbayern hat nun angekündigt, die Betreuung weiter verbessern zu wollen. Außerdem arbeitet man an einem Abbau der Belegung in der Bayernkaserne. Dass sich bis 2017, wenn die Bebauung der Bayernkaserne beginnen und der Flüchtlingstross weiterziehen soll, ihre Zahl allein an der Heidemannstraße dennoch zwischen 1500 und 2000 bewegen wird, hat man in der Nachbarschaft wohl verstanden. Patric Wolf (CSU), stellvertretender Bezirkausschuss-Vorsitzender von Schwabing-Freimann, hat dennoch das Gefühl, dass sich die Lage ein bisschen entspannt.

Nach einem demonstrativen "Gassi-Gehen" von Nachbarn mit Hunden vor dem Kasernentor vor wenigen Tagen, sozusagen zur Rückeroberung des öffentlichen Raums, haben Anwohner eine zunächst erwogene Demonstration wieder abgeblasen. Vielleicht aus Angst vor rechtsextremen Trittbrettfahrern. Vielleicht aber auch wegen der intensiven Bemühungen der Kasernen-Betreuer. Das Müllaufkommen in der Nachbarschaft ist jedenfalls mittlerweile erheblich zurückgegangen. Kein Wunder: Zur Zeit wird der Grünstreifen vor der Kaserne intensiv gereinigt - acht Mal so häufig wie eine städtische Grünanlage.

Ziel: menschliche Unterbringung

Die Münchner Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der Bayernkaserne soll eine dritte Dependance bekommen: Etwa 300 Flüchtlinge will die Regierung von Oberbayern auf dem Gelände der ehemaligen Funkkaserne unterbringen. Während der Großteil des Areals zwischen Domagkstraße und Frankfurter Ring derzeit bebaut wird, stehen in der nordöstlichen Ecke noch mehrere Gebäude der Bundespolizei. Zwei von ihnen, in denen sich bis vor ein paar Jahren Büros und Unterkunftsräume des Bundespolizeiamtes München befanden, stehen laut einem Sprecher der Bundespolizei seit geraumer Zeit leer. Dort sollen noch im August Asylbewerber einziehen. Die zuständige Regierung von Oberbayern sah sich bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht in der Lage, detailliertere Auskünfte über die neue Unterkunft zu geben. Dasselbe gilt für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Bonn, die das dem Bund gehörende Areal verwaltet.

Laut einer Sprecherin des bayerischen Sozialministeriums habe es in der vergangenen Woche "ein sehr konstruktives Gespräch", zwischen Ministerin Emilia Müller (CSU) und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gegeben. "Beide waren sich einig, dass ihr Ziel die menschliche Unterbringung aller Asylbewerber ist." Reiter hatte zuletzt in einem Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Staatsregierung ermahnt, mehr und bessere Quartiere zu schaffen. Als zusätzliche Unterkunft hat der OB die McGraw-Kaserne in Obergiesing vorgeschlagen. Sie gehört dem Freistaat und steht seit Jahren zu großen Teilen leer. Auch auf explizite Nachfrage äußert sich das Ministerium aber nicht zu weiteren möglichen Standorten. Es seien zwar weitere "in der Prüfung", so die Sprecherin. "Die Standorte und die genauen Zeitpläne können erst veröffentlich werden, wenn diese mit allen Beteiligten vor Ort besprochen wurden." Beka

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