Ex-Polizist als Bordellbetreiber:Vom Blaulicht ins Rotlicht

Ex-Polizist als Bordellbetreiber: Einst im Polizeidienst, jetzt im Puff: Uwe Ittner empfängt im Salon Patrice.

Einst im Polizeidienst, jetzt im Puff: Uwe Ittner empfängt im Salon Patrice.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Uwe Ittner arbeitete bei der Polizei als verdeckter Ermittler und Fahndungsgruppenleiter. 25 Jahre lang. Dann verliebte er sich in eine Prostituierte - und wurde vor sechs Jahren selbst Bordellbesitzer in Dachau.

Von Benjamin Emonts

Ein Bungalow im Gewerbegebiet Dachau. Von außen ein gewöhnliches Wohnhaus. Am Ende des dunklen Flurs betritt man einen hellen, großen Raum. Die Illusionsmalerei einer Loggia ziert eine Wand: Die antik anmutenden Säulen tragen eine Muschel im Stil des berühmten Venus-Gemäldes von Botticelli. Das Gemälde lässt schon erahnen, dass der Salon einem besonderen Zweck dient - ebenso wie die von der Decke bis zum Boden reichende Stahlstange und die Skulptur der Aphrodite, der Göttin der Liebe. Der Salon Patrice ist eines von mehreren Bordellen in der Stadt Dachau.

Im Empfangsraum, wo Prostituierte normalerweise Freiern vorgestellt werden, sitzt Uwe Ittner auf einer weißen Ledercouch. Passend zum Ambiente trägt er, aufgeknöpft bis zur Brust, ein weißes Hemd mit Blumenmuster; dazu eine Jeans im Used-Look. Um seinen braun gebrannten Hals hängt eine Kette mit der abstrakten Kopfform eines Stiers, der rechte Unterarm ist mit drei chinesischen Schriftzeichen tätowiert: Ehre, Achtung, Recht. Man muss wissen: Uwe Ittner war 25 Jahre lang Polizist, dann Bordellbesitzer.

Vor vier Wochen erst wurde bekannt, dass in der Kreisstadt Dachau (45 000 Einwohner) ein großer FKK-Club auf 1200 Quadratmetern Fläche entstehen soll. Die Stadt hat sich dagegen gerichtlich gewehrt - und verloren. Insgesamt gibt es in der Kreisstadt sechs Freudenhäuser. Als einziger der Bordellbetreiber will Uwe Ittner mit der Süddeutschen Zeitung über das Dachauer Milieu sprechen. Er sagt am Telefon: "Sie können ruhig vorbeischauen. Ich habe nichts zu verbergen."

"Vom Milieu hatte ich keine Ahnung"

Uwe Ittner, 54, ist gastfreundlich und will gar nicht mehr aufhören zu erzählen. Er bietet Cola, Snacks und Zigaretten an. Mit seinen 1,81 Metern Körpergröße sieht er zwar kräftig aus, aber nicht angsteinflößend, wie man es von einem Bordellbesitzer vielleicht erwarten würde. Ittner hat den Salon Patrice von 2008 bis 2013 selbst betrieben, inzwischen aber leitet seine Lebensgefährtin das Geschäft.

Loreni - so möchte sie genannt werden - hat davor 20 Jahre lang als Krankenschwester in der Berliner Charité und zehn Jahre als Produktdesignerin gearbeitet. "Vom Milieu hatte ich keine Ahnung", sagt sie. Als die heute 50-Jährige dann zu ihrem Lebensgefährten zog, bekam sie erste Einblicke in dessen Etablissement. "Ich war positiv überrascht." Schließlich arbeitete Loreni ein Jahr als Empfangsdame und übernahm dann den Salon Patrice. Seitdem kommt Ittner nur noch einmal pro Woche von seiner neuen Wahlheimat Tirol nach Dachau - um sich um handwerkliche Aufgaben zu kümmern.

Vor seiner Zeit als Puffbetreiber war Ittner 25 Jahre lang im Polizeidienst. "Ich habe viel erlebt", sagt er, "ich glaube, meine Geschichte könnte viele Menschen interessieren." Deswegen schreibt der gebürtige Münchner seit zwei Jahren an einem Buch mit dem Arbeitstitel: "Vom Blaulicht ins Rotlicht." Einen Verleger hat der 54-Jährige bislang nicht gefunden. Das öffentliche Interesse an seiner Person komme ihm deshalb auch gelegen, wie er offen zugibt.

Polizeikarriere endet vor Gericht

In seinem Buch will Ittner schildern, wie er die Karriereleiter des Polizeipräsidiums München rasant nach oben geklettert ist: angefangen bei der Einsatzhundertschaft, dann als verdeckter Ermittler bei der Kripo, als Fahndungsgruppenleiter und schließlich als Dienstgruppenleiter bei der Reiterstaffel. "Mein höchster Dienstrang bei der Bayerischen Polizei war Polizeioberkommissar", sagt er.

Ittner will aber auch erzählen, wie er sich nach einer schweren psychischen Erkrankung von seinen Kollegen und Vorgesetzten im Stich gelassen und gemobbt gefühlt hat - bis er schließlich sein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit freiwillig kündigte. Das Münchner Polizeipräsidium bestätigt auf Anfrage, dass es zu Gerichtsprozessen gekommen sei, die Uwe Ittner letztlich in oberster Instanz beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gewonnen habe.

Zuvor hatte das Polizeipräsidium München gegen Ittner ein Disziplinarverfahren geführt, mit dem Ziel, ihn "aus dem Dienst zu entfernen". Der Verwaltungsgerichtshof aber gab nach einem jahrelangen Rechtsstreit seiner Berufung statt. In der Stellungnahme des Polizeipräsidiums heißt es weiter, man könne "zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Herrn Ittner" keine weiteren Auskünfte "zu Details seiner vorangegangenen Dienstzeit" erteilen.

Wie der Cop und die Prostituierte ein Paar wurden

2005 kündigte Ittner, hielt sich anschließend drei Jahre als Importeur von alkoholischen Getränken über Wasser und wurde 2008 Bordellbesitzer. Doch schon in den letzten Jahren seiner Polizeilaufbahn beginnt seine Erzählung, romantisch zu werden. Denn sie handelt von einem bürgerlichen Mann, der sich in eine Prostituierte verliebt. Mit der Besonderheit, dass die Frau nicht aus dem Milieu gerettet wird, wie man es erwarten würde, sondern der Mann ins Rotlichtgeschäft einsteigt. Kennen gelernt hatte Ittner die Prostituierte über eine Bekannte - und schon bald waren der Cop und die Prostituierte ein Paar.

Anfangs funktioniert das, mit zunehmender Dauer aber kommt Ittner mit dem Beruf seiner Freundin nicht mehr klar: "Ich war eifersüchtig und wollte, dass sie aufhört." Schließlich kommt seiner damaligen Gefährtin die Idee, nicht mehr selbst anzuschaffen, sondern ein Bordell zu betreiben. Also nutzt sie ihre Erfahrung, um im Jahr 2004 in Dachau den Salon Patrice zu eröffnen. Die Beziehung funktioniert von nun an wieder. Vier Jahre lang. Dann trennt sich Ittner - und seine Freundin gibt das Etablissement auf und gründet mit einem anderen Mann eine Familie. Von da an ist der ehemalige Polizist der alleinige Betreiber des Salon Patrice.

Das Bordell, versteckt im Hinterhof eines Reifenhändlers, ist ein sogenanntes Terminhaus. Das bedeutet, dass die jeweiligen Frauen - im Salon Patrice sind es permanent zwischen vier und fünf - die Räume für jeweils eine Woche nutzen dürfen und dafür 40 Prozent von ihrem Umsatz abführen müssen. Für eine Stunde käuflichen Sex werden 150 Euro berechnet.

Wie geht es den Prostituierten?

Aber wie ist es um diese Frauen bestellt? In der jüngeren Vergangenheit wurde in einer bundespolitischen Debatte insbesondere von konservativen und feministischen Kreisen eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes gefordert - etwa Freier zu bestrafen. Der Vorwurf: Durch das im Jahr 2002 von Rot-Grün verabschiedete Gesetz, das Prostitution in Deutschland liberalisiert hat, habe der internationale Mädchenhandel extrem zugenommen.

Uwe Ittner sagt: "Ich bin der Meinung, dass der überwiegende Teil der Prostituierten freiwillig seiner Arbeit nachgeht." Dass auch bei ihm schon Frauen gearbeitet haben, die nicht freiwillig der Prostitution nachgingen, könne er zwar "nicht hundertprozentig" ausschließen. "Ich weiß aber, dass wir alles dafür tun, um das zu verhindern."

Konkret bedeutet das: "Wenn wir merken, dass eine Dame zur Prostitution gezwungen wird, muss sie uns verlassen und wir informieren die Polizei." Das Polizeipräsidium Oberbayern Nord bestätigt der Süddeutschen Zeitung, dass die Sachbearbeiter in regem Kontakt mit den Dachauer Bordellbetreibern stehen. Und weiter heißt es in der Pressemitteilung: "Aus polizeilicher Sicht sind die Dachauer Bordelle unproblematisch."

Ein schlechtes Gewissen?

Auf der Webseite des Salon Patrice kann der potenzielle Kunde einsehen, welche Damen aktuell dort arbeiten. In dieser Woche ist etwa die Tschechin Viola zu Gast, 38 Jahre, Körbchengröße 75 C, rasiert, bietet Fuß-Erotik an. Wiederum einen Klick weiter findet der User eine sozialkritische Stöberecke, ein Raum für gesellschaftskritische Ergüsse Ittners und seiner Lebensgefährtin. Nichts für "geistige Tiefflieger", "Ignoranten" und "Mitläufer", heißt es dort.

Wie passt das alles zusammen? Ist Uwe Ittner am Ende seiner polizeilichen Laufbahn tatsächlich so böse mitgespielt worden, dass er nun auf die Missstände in unserer Gesellschaft aufmerksam machen will? Oder hat er einfach nur ein schlechtes Gewissen, das er jetzt reinzuwaschen versucht?

Jedes Jahr an Weihnachten sammelt Ittner bei Prostituierten, Freiern, Nachbarn Geld ein, um für ein Dachauer Altenheim zu spenden. Auch er selbst gibt etwas dazu. Ein Spiegel-Reporter hatte vor zwei Jahren darüber berichtet, er bezichtigte Ittner, mit seiner Spendenaktion einen "Ablasshandel" zu betreiben. Ittner sagt: "Ich will einfach nur ein Bewusstsein der Akzeptanz schaffen, gegenüber dem Gewerbe und den Prostituierten." Und: "Wir haben durch unsere Webseite die Möglichkeit, viele Menschen zu erreichen. Warum also nicht auf gewisse Missstände in unserer Gesellschaft hinweisen?" Er selbst sei übrigens noch nie Freier gewesen. "Das habe ich nie nötig gehabt."

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