Verwirrende Zahnhygiene:Zähneputzen schwer gemacht

Vibrieren, rotieren, kreisen? In jedem Land werden andere Techniken des Zähneputzens empfohlen. Wirklich überlegen ist keine. Es gibt aber eine einfache Regel zum Schutz der Zähne.

Von Werner Bartens

Kindergarten

Verschiedene Zahnputztechniken werden empfohlen, beruhen aber meist nur auf Erfahrungswerten und der Nutzen ist nicht belegt.

(Foto: dpa)

Es gab Zeichentrickfilme, Klappmappen und Broschüren - und in manchem Klassenzimmer hingen monströse Wandtafeln am Kartenständer, auf denen die richtige Technik demonstriert wurde. Mal rotierend, mal pulsierend, dann in Rollbewegungen und gerne im 45-Grad-Winkel sollten bitte schön die Zähne geputzt werden. Den Grund- und Vorschülern drohten ansonsten die fiesen Gesellen Karius und Baktus - den älteren machte spätestens der nächste Termin beim Zahnarzt schmerzhaft klar, dass sie sich Karies und Parodontose durch die falsche Putztechnik selbst zuzuschreiben hatten.

Alles Unsinn. So kann man die Analyse britischer Zahnmediziner und Epidemiologen zusammenfassen, die sie gerade im British Dental Journal (online) veröffentlicht haben. In ihrer Untersuchung fanden John Wainwright und Aubrey Sheiham vom University College London "unakzeptabel große Unterschiede in den Empfehlungen zur richtigen Zahnputztechnik", sodass sie den verunsicherten Menschen raten, keine Verrenkungen mit der Zahnbürste anzustellen. "Es gibt keinen Beweis dafür, dass die komplizierten Techniken besser sind als einfaches, vorsichtiges Bürsten", sagt Sheiham.

Die Zahnärzte hatten in zehn verschiedenen Ländern untersucht, welche Zahnputztechnik von Zahnärzten, Fachorganisationen, Herstellern von Zahnbürsten und in zahnmedizinischen Lehrbüchern empfohlen wird. Das Ergebnis war ein großes Durcheinander, überall fanden sich andere Ratschläge, ohne dass die Überlegenheit der einen oder anderen Methode wissenschaftlich seriös belegt worden wäre.

Empfehlungen oft Jahrzehnte alt und mit wenig Beweiskraft

Unterschiede fanden sich nicht nur zwischen den Ländern, "vielmehr war besonders irritierend, dass die Empfehlungen von zahnmedizinischen Fachverbänden manchmal dem widersprachen, was als beste Putzmethode in den Lehrbüchern geraten wurde", sagt Sheiham. Ob nun "vibrierend", "leicht rotierend", "mit kleinen kreisenden Bewegungen" oder "mit leichten Vor- und Rückwärtsbewegungen auf den Kauflächen" geputzt werden soll - die Empfehlungen stammen nahezu alle aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und hätten außer der Autorität ihrer Verfasser wenig Beweiskraft.

Die Zahnheilkunde liegt noch weit hinter der Humanmedizin zurück, was die patientenrelevante Forschung angeht, mit der Vor- und Nachteile der diagnostischen und therapeutischen Interventionen belegt werden. Die evidenzbasierte Zahnmedizin steckt in den Anfängen und für viele praktische Fragen, etwa zum Nutzen der Implantate und der Notwendigkeit von Klammern, gibt es viel Erfahrungswissen, aber nicht immer Nutzenbelege. Dass die Erfahrung täuschen kann, zeigen Beispiele aus der Humanmedizin immer wieder.

Hauptsache gründlich

Für die Praxis empfehlen die Zahnärzte aus London, behutsam horizontal zu bürsten - im 45-Grad-Winkel seien Beläge vermutlich am besten zu entfernen. "Ich rate meinen Patienten, sich auf die Zahnpflege dort zu konzentrieren, wo sich Plaques am wahrscheinlichsten bilden - und das sind die Kauflächen und der Übergang vom Zahn zum Zahnfleisch", sagt Wainwright. "Oft werde ich von Patienten gefragt, warum ich diese einfache Methode empfehle, wo doch die Ratschläge ihrer früheren Zahnärzte meist komplizierter waren."

Rainer Hahn, lange an der Unizahnklinik Tübingen tätig und nun Professor in Krems, erklärt in seinen Fortbildungen ebenfalls, dass es egal sei, ob man von Hand oder elektrisch putze, rotierend oder pulsierend: "Hauptsache gründlich. Nur dieses Wohlfühl-Putzen mit ein bisschen Schaum reicht nicht."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: