Nachfolge von Klaus Wowereit:Seltsames Anspruchsdenken der Berliner Sozis

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Konkurrenten um Wowereits Nachfolge: Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß (re.) und der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh beim Landesparteitag im November 2013. (Foto: dpa)

Klaus Wowereit hat das Amt des Berliner Bürgermeisters bei der Wahl 2011 dank seiner Persönlichkeit verteidigt - nicht dank der SPD. Die Grünen haben deshalb Recht mit der Forderung nach Neuwahlen und werden doch nichts bewirken. Nicht vom Volk gewählt zu werden, ist für manchen Berliner Spitzensozi die beste Chance, überhaupt gewählt zu werden.

Kommentar von Nico Fried

Den Rücktritt selbst mag Klaus Wowereit bedauern - ihn zu zelebrieren hat ihm am Ende noch mal Freude bereitet. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, der nun nicht mehr regieren will, präsentierte sich fröhlich-flapsig wie man ihn kennt, und verzichtete darauf, beleidigt oder gar beleidigend aufzutreten. In der Pressekonferenz, in der er sagte: "Ich gehe", schuf er mit seiner Lockerheit die Atmosphäre für jene Botschaft, die ihm persönlich an diesem Tag noch viel wichtiger war: "Ich gehe freiwillig."

Das stimmt. Und stimmt doch nicht allein. Wowereit hat einerseits den richtigen Moment für seinen Rücktritt erwischt, weil es nun nicht so aussieht, als gehe er in unmittelbarer Reaktion auf das Desaster am unvollendeten Berliner Flughafen. Andererseits geht er doch gerade auch wegen dieses Desasters, weil das seiner Popularität geschadet hat.

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Wowereit hat den richtigen Moment erwischt, weil er an dem Tag seinen Rücktritt ankündigte, an dem der Senat die Olympia-Bewerbung Berlins auf den Weg brachte - so soll ihm keiner nachsagen können, er hätte mit seinem Amt nichts mehr anzufangen gewusst. Aber natürlich geht Wowereit eben doch gerade auch, weil er mit seinem Amt nicht mehr viel anzufangen wusste, denn es ist absehbar, dass die Berliner sich für die wer-weiß-noch-wievielte Olympia-Bewerbung ihrer Stadt nicht wirklich begeistern werden.

Berlins Bürgermeister tritt im richtigen Moment zurück

Wowereit hat den richtigen Moment erwischt, weil es nun noch nicht so aussieht, als beuge er sich den ständigen Spekulationen in der Berliner SPD über seine Zukunft und den immer unverhohlener vorgetragenen Ambitionen mancher Genossen auf seine Nachfolge. Aber natürlich geht Wowereit auch genau wegen dieser Illoyalitäten, weil sie nämlich seit Monaten eigentlich das Einzige waren, was die Sozialdemokraten der Hauptstadt politisch zustande brachten. So kann man nicht regieren.

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So ambivalent Wowereit zuletzt seinem Amt gegenüber war, so ambivalent sehen ihn viele Berliner: Einerseits sind sie seiner nach mehr als 13 Jahren überdrüssig. Andererseits genügt ihnen ein Blick auf die möglichen Nachfolger, um Wowereit doch nicht loswerden zu wollen. Jedenfalls nicht so schnell. Ohnehin ist unklar, warum mancher Berliner Sozialdemokrat glaubt, nun ein Amt beanspruchen zu dürfen, das Wowereit zuletzt 2011 nur dank seiner Persönlichkeit verteidigt hat und nicht dank der SPD. Die Grünen haben deshalb recht mit ihrer Forderung nach Neuwahlen - und werden doch nichts bewirken. Nicht vom Volk gewählt zu werden, ist für manchen Berliner Spitzensozi die beste Chance, überhaupt gewählt zu werden.

Eine, die Wowereit wegen seiner Mischung aus Charme und Härte stets geachtet hat, ist die Kanzlerin. Sie wird verfolgt haben, wie er vom Sockel des populärsten Berliner Politikers abstürzte in die politische Haltlosigkeit. Für eine Kanzlerkandidatur und den Angriff auf Angela Merkels Macht hat es bei Wowereit nicht gereicht. Nun hat er ihr immerhin zeigen dürfen, wie man gerade noch den richtigen Moment für einen ehrenhaften Abgang erwischt.

© SZ vom 27.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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